Busty and the Bass, Matt Bianco, BRKN

Busty and the Bass

Die Zeit des Retrosounds wird niemals enden, allein schon, weil rhythmische Geräuschkombinatorik mit Techno und HipHop insofern als abgeschlossen gelten darf, dass wohl kein grundlegend revolutionärer Musikstil jenseits von atonaler Dissonanz oder totaler Stille mehr zu erwarten ist. Busty and the Bass könnte man daher entspannt in die Kategorie “ham wa alles schon 1000mal gehört” abheften – wäre der Retrosound der neun Kanadier nicht bei aller Nostalgie so kreativ, frisch und befreiend. Nach einer Reihe EPs kombiniert ihr Debütalbum Uncommon Good elektronischen Soul auf eine Art mit jazzigem Rap, dass ein ganzes Bündel an Parallelen aufpoppt, die der Sache doch nie gerecht werden.

OutKast und Dungeon Family klingen da durch die zehn Stücke, Arrested Development oder Daft Punk, alter Mojo wie neuer Funk, Anderson .Paak stehen Pate, A Tribe Called Quest, alles durcheinander und nichts nur als Kopie. Dem getragene Kopfstimmensoul Things Change folgt der Distortion-Rap Free Shoes, lässige Bläsersequenzen wechseln sich mit gesalzenen E-Gitarren-Soli ab, kein Stein bleibt auf dem anderen und dennoch das Gebot geschmeidiger Harmonie stets gewahrt. Vorgestragen vornehmlich von Menschen weißer Hautfarbe ist Common Ground ein Stück Black Music, dass sich im Jungbrunnen des Genres gewaschen hat. Fabelhaft!

Busty and the Bass – Uncommon Good (Peripherique Records)

Matt Bianco

Das angesprochene Problem des Retrosounds ist allerdings noch mal ein wenig problematischer, wenn eine Band drei Jahrzehnte nach ihrer Blütezeit, in der ihre Musik auch schon schwer gebraucht klang, ein Comeback feiert. Was also ist die neue Platte von Matt Bianco – nostalgisch? Antiquiert? Altbacken? Vor allem ist sie alles, was das orchestral aufgeblasene Caféhausjazzpop-Quartett schon bei seinem Durchbruch im Jahr 1984 war – und nichts davon. Geblieben ist davon schließlich nur Sänger Mark Reilly, der ausgerechnet beim Retro-Klasssiker Whose Side Are You On gar nicht gesungen hatte, weshalb man schon genau hinhören muss, was am fünften Studioalbum Gravity eigentlich Matt Bianco ist.

Antwort: eine Menge. Dieser zum Niederknien coole New Jazz, der zugleich fundamentalistisch und frisch klingt, hat seit 1984 wenig von seiner Lebenskraft verloren. Er ist nur versierter geworden, weniger poppig, dafür umso reifer, was natürlich kein Wunder ist, wenn die beteiligten Künstler dem Rentenalter längst deutlich näher sind als der Uni. Piano, Bläser, Gesang, Kontrabass – alles exakt auf dem Punkt, alles für alte Jazz-Hasen erträglich, aber auch für Mojo-Club-Nachwuchs mit Disco-Appeal. Ein herrliches Album für die Zeit der schmalen Revers, die heute ja nicht breiter sind als in den Swinging Sixties.

Matt Bianco – Gravity (Membran)

BRKN

Ein Problem toller Stimmen ist oft, dass sie sich zu ernst nehmen. Ihr Soul erstickt dann jeden Tiefgang in selbstreferenziellem Pathos. Xavier Naidoo tut so etwas. Andac Berkan Akbiyik nicht. Weder zu saftig noch zu dünn macht er als BRKN deutschen R’n’B mit gefühlvoller Selbstironie, von der die Söhne Mannheims nur träumen können. Musikalisch zwischen Hip-Hop und Big Band, feinem Spott und großer Geste weiß sich das Bildungsbürgerkind aus Kreuzberg eben auch auf seiner zweiten Platte Einzimmervilla korrekt einzuordnen. „Leute sagen Dicker“ singt er etwa in Jagd mit harten Mittelkonsonanten, „du hast 100.000 Clicks / doch es bedeutet alles nichts / ist nur Gelaber / bis ich meinen Eltern alles geb und meiner Freundin alles schenk und mit meinen Jungs alles klär / bin ich ein Versager“.

Gut, gelegentlich gleitet BRKN dabei zwar ein bisschen ins Rogercicerohafte, irgendwie gefällig Süffige ab. Unterhaltsam kombiniert mit schriller Santana-Gitarre und Spielmannszugdrums unterm angedeuteten Orchesterfunk, sind solche Zeilen jedoch vor allem Erklärungsversuche, um sich und uns jenen Hype zu erklären, den sein vorjähriges Debüt erzeugt hat. Zum Glück verliert er dabei nie die Bodenhaftung eines swingenden Rappers, der das etwas Leben tanzbarer macht, ohne je gefällig zu klingen. Zugehört, Xavier?

BRKN – Einzimmervilla (studio album)

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