We Are Aust, Bootsy Collins, Baxter Dury

We Are Aust

Wer hinter Masken steckt, hat gemeinhin was zu verbergen oder macht furchtbar einen auf dicke Hose. Drei Viertel der Berliner Band Aust, die vor ihren Namen offenbar kürzlich We Are gesetzt haben, um sich von ein paar Schweizer Kollegen zu unterscheiden, treten nur seltsam vermummt auf. Ob das nun mit Geheimnistuerei zu tun hat oder doch eher mit dem Drang zur Effekthascherei sei mal dahingestellt. Aber was die Hauptstadtkarnevalisten im Hintergrund der unverkleideten Sängerin Olivia Gruschczyk musikalisch veranstalten, ist zugleich mysteriös und aufdringlich, aber sehr sehr unterhaltsam. Masken hin, Masken her. Wobei schwer zu sagen ist, was genau auf dem selbstbetitelten Debütalbum eigentlich genau zu hören ist.

Im Kern ist We Are Aust waviger TripHop, der allerdings anders als im Genre üblich mit diversen, oft funkensprühenden Spielereien aufgepumpt wird, bis es fast platzt. Bläser und Grandezza, Technoflächen und Popgedaddel, viel Bass, noch mehr Synthieraunen und im grandiosen Titelstück sogar mal eine Sechzigerjahre-Hammondorgel – andauernd passiert irgendwas Unerwartetes im Downbeat. Gut, manchmal passiert sogar ein bisschen viel und das dunkle Timbre von Olivia klingt nach Shakira. Oft aber ist es einfach so angemessen überfüllt, dass We Are Aust zu einer der tanzbarsten Erscheinungen zeitgenössischen Wave-Sounds werden.

We Are Aust – We Are Aust (RAR)

Bootsy Collins

Es gibt drei Sorten Popstar, die auch im Rentenalter noch den Fummel ihrer wilden Jahre tragen dürfen, ohne dass es peinlich wird. Kompromisslose Freaks, stilsichere Nostalgiker und beider Quintessenz: Bootsy Collins. Der markenbewusste Exzentriker aus Ohio hat den Soul schließlich schon als Bassist von James Brown mit schrillem Glamour zum Funk veredelt und in seiner Formation Funkadelic sodann zum Durchdrehen gebracht. Heute ist der Plateausohlenträger mit dem Sonnenbrillentick weiter dort, wo er vor gut vier Jahrzehnten begann. Und so viril, virtuos, so hingebungsvoll irre wie er seinen Funk mit – Happy Birthday! – exakt 66 noch zubereitet, sei ihm die überdrehte Aufmachung verziehen.

Auf seiner mittlerweile zwölften Soloplatte schafft es dieser Bootsy Collins mit zwei Dutzend Kollaborateuren verschieden großer Prominenz, eine Art Glossar sämtlicher Spielarten des Word Wide Funk – so lautet der Titel – zusammenzustellen. Und da bleibt definitiv kein Auge trocken, kein Bass ungeslappt, kein Genre unkommentiert. Alles für alle und zwar auf einmal. Allein das mitreißende Hot Saucer vereint HipHop feat. Big Daddy Kane mit Zackengitarrensoli und saftigem R’n’B zu einer kleinen Zeitrafferreise durchs halbe Metier. Ein Album wie der Funk selbst – tosend, fröhlich, grell, Bootsy.

Bootsy Collins – World Wide Funk (Mascot Records)

Baxter Dury

Wenn hingegen Baxter Dury eines nicht ist, dann tosend, fröhlich, grell oder sonst irgendetwas in Richtung funky. Daran ändert auch herzlich wenig, dass er seine verstiegen schönen Cockney-Erzählungen auf der neuesten Platte erstmals in ein unverhofft orchestrales Gewand hüllt. Hatte sich der Songwriter zuvor meist mit relativ wenig Brimborium umgeben, entfaltet Prince of Tears daher manchmal fast sinfonische Wucht. Dichte Schwaden windschiefer Geigen wehen durch viele der zehn Spoken-Word-Konstrukte. Geisterhafte Orgeln umnebeln die getragene Langsamkeit. Und so geht es immer und immer weiter auf diesem erstaunlichen Album.

Ständig durchstechen flatterhafte Gitarren den Backgroundgesang von Madelaine Hart. Und wenn der Sleaford Mod Jason Williamson dem Sohn der Siebziger-Ikone Ian Dury in Almond Milk mit ein paar Brocken Entrüstung seine Referenz erweist, wird der Freakpop des 45-Jährigen  noch ein bisschen reicher an Aberwitz. Er übersättigt das Album jedoch nicht mit Selbstgefälligkeit, gar Redundanz, sondern sorgt für große Spannung mit ein bisschen Spaß. Trotz der todessehnsüchtigen Stimme lungert Baxter Dury also wieder sehr lässig zwischen den Stühlen von Post Punk und New Wave herum.

Baxter Dury – Prince of Tears (PIAS)

 

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