Eidinger/Slaughter Beach, Dog/Knyphausen
Posted: November 10, 2017 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Lars Eidinger
Matthias Scheighöfer tut es Juliette Lewis auch, David Hasselhoff tut es und Axel Prahl auch, Jan Josef Liefers tut es und seine Frau Anna Loos sowieso, Bruce Willis und Kylie Minogue, Ryan Gosling oder Tom Schilling – sie alle haben ihre Popularität als Schauspieler oft mehr schlecht als recht zu populärer Musik und damit noch mehr Geld, noch mehr Ruhm, noch mehr Geld gemacht. Und jetzt also Lars Eidinger, einer der wirklich Großen in Film & Fernsehen deutscher Herkunft. I’ll Break Ya Leg heißt sein Debütalbum, und es drängt sich der Verdacht auf, da nutzt mal wieder ein Darsteller seine Berühmtheit, um sich auch noch vorm Boxenturm zu profilieren. Welch ein Irrtum!
Ebenso wie die wenig gelungenen Ausnahmen von Nora Tschirner bis Klaas Heufer-Umlauf schafft es Lars Eidinger, an seiner schauspielerischen Existenz vorbei einen Tonträger vorzustellen, der unabhängig vom Namen dahinter funktioniert. Vielleicht liegt es daran, dass der Theaterberserker aus Berlin die elaborierte Mischung aus Instrumental HipHop und grummelnder Electronica zum Teil schon während seiner Schauspielausbildung vor fast 20 Jahren aufgenommen und nun digital überarbeitet hat. Dezente Breakbeats plöddern da durch einen DIY-Sound im LoFi-Tempo, dass man die elf Stücke in Endlosschleife hören kann, ohne dass auch nur einer davon auf die Nerven geht. Das der Künstler dahinter Eidinger heißt? Eigentlich total egal…
Lars Eidinger – I’ll Break Ya Leg (!K7 Records)
Slaughter Beach, Dog
Jake Ewald ist ein Typ, mit dem man gern an der Bar sitzen würde, um die Zeit zu vertrödeln. Noch ein Bier, bisschen Quatschen, auch mal Schweigen, nicht zwingend geistreich, aber sehr amüsant – wie seine Musik. Seit Modern Baseball pausiert, konzentriert sich der Gitarrist aus Philadelphia auf die Momentaufnahmen des Solo-Projekts Slaughter Beach, Dog. Und wie bei dessen Debüt Welcome klingt der Nachfolger Birdie mehr nach Freizeit als Arbeit. Schließlich will Ewalds Powerfolkpop weder virtuos klingen noch außergewöhnliche Storys ersinnen. In seinen zehn Erzählungen aus dem Fantasiedorf Slaughter Beach muss es sich daher nicht mal reimen.
Falls aber doch mal „Ashtray“ auf „Birthday“ folgt oder in Garden and Green angenehm unklar bleibt, ob da jemand Hanf anbaut oder völlig harmlos vom Garten vorm Elternhaus der eigenen Kindheit berichtet, stellt sich sofort dieses angenehme Tresen-Gefühl ein, eher wenig zu wollen und doch fast alles zu kriegen. Hier ein paar genügsame Country-Riffs, da etwas aufgeregtes Westcoast-Gejuchze. Reduziertes Schlagzeug, viel Schlendrian. Es ist ein Album für den Freitagabend, das Wochenende vor Augen. Noch ein Bier, bitte.
Slaughter Beach, Dog – Birdie (Big Scary Monsters)
Gisbert von Knyphausen
Pop-Poeten: Seit Jan Böhmermanns Suada gegen die Fake-Empathie von Max Giesinger bis Philipp Poisel ist das ein vergiftetes Lob – findet die Subkultur, findet ihr Feuilleton, findet Gisbert zu Knyphausen ganz und gar nicht. Der Songwriter lobt lieber die „schöne Alliteration“ und räumt ein, auf poetischen Pop mit eingängigen Refrains zu stehen. Unter einer Bedingung: „Wenn sie textlich übers reine Wohlfühlen hinausgeht.“ Das sollte wissen, wer sein neues, drittes Album hört. Sieben Jahre sind seit dem zweiten vergangen, dazu ein Duett mit Nils Koppruch, aber auch dessen Tod. Genug Leben und Sterben also, um die tiefgründige Melancholie seiner Schmusestimme mit Schwermut aufzuladen. Oder?
Weit gefehlt! Das Licht dieser Welt ist Gisbert zu Knyphausens bislang leichtestes, fast beschwingtes Werk. Während der zutiefst unaristokratische Adelsspross früher bei spärlicher Instrumentierung gern mit seinem Trübsinn allein war, klingt er nun heiter, gelöst, opulenter. Im Uptempo-Stück mit dem vielsagenden Titel Unterm hellblauen Himmel etwa rennt sogar fröhlich ein Bläser unterm Großstadtfolk hindurch und gibt damit die Stimmung vor: Das Trauern hat ein Ende, es lebe das Leben. So macht Pop-Poesie echt Freude.
Gisbert von Knyphausen – Das Licht dieser Welt (PIAS)