Daniel Donskoy: Judentum & Fernsehpfarrer

Ich lache viel und laut

Die RTL-Serie Sankt Maik ist bestenfalls netter Durchschnitt. Weil Daniel Donskoy darin jedoch die Titelfigur – einen (tihi) falschen Pfarrer – spielt, muss man sie dennoch beachten. Der hyperkosmopolitische Schauspieler mit mindestens fünf Heimaten ist so ziemlich das erfrischendste, was das Mainstreamfernsehen derzeit zu bieten hat. Ein Gespräch über jüdische Wurzeln, internationale Produktionen und wie er mal an einem Tag als US-Offizier, SS-Scherge, schwuler Pianist gecastet wurde.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Daniel Donskoy, Sie sind geboren in Moskau, aufgewachsen in Berlin, weiter gewachsen in Tel Aviv, zum Studium zurückgekehrt nach Berlin und von dort nach New York gezogen. Hab ich was vergessen?

Daniel Donskoy: London fehlt noch.

Sind Sie angesichts Ihrer vielen Stationen irgendwo heimisch?

Geografisch nicht. Ich bin schon da zuhause, wo es Menschen gibt, mit denen ich mich wohlfühle. Tel Aviv ist mir wichtig, weil meine Mama da lebt, bei meinem Vater in der Schweiz gibt‘s auch ein Zuhause. Weihnachten feiere ich seit zehn Jahren mit Freunden in Wien.

Fehlt da nicht manchmal ein Ankerplatz?

Nee. Schon deshalb nicht, weil ich selbst Köln zuletzt als einen betrachten konnte, weil ich da Sankt Maik gedreht hab. Was mich verankert ist letztlich meine russische Erziehung zweier Eltern, die mir die Chance gegeben haben, frei zu leben, mich frei zu bewegen. Dank ihnen ist mir klar, dass sich weiße Männer wie ich immer wieder mal vor Augen halten müssen, wie privilegiert sie eigentlich sind.

Dieses Privileg hat Sie jetztwieder zurück in den deutschen Sprachraum geführt. Fühlen Sie sich da womöglich schon sprachlich sicherer als im Ausland?

Zurzeit passt es, weil vieles zurzeit funktioniert. Grundsätzlich möchte ich gern überall auf der Welt arbeiten, auch wenn das viel Zeit erfordert. London, wo ich sehr international besetzt wurde, war auch toll. Aber das hier läuft grad noch toller. Ich darf eine Menge sehr verschiedener Dinge drehen. Den Mörder bei der SOKO Köln, einen Soldaten bei der SOKO Leipzig, einen Studenten bei Heldt, einen Womanizer im Tatort, dazu den Pfarrer Sankt Maik.

Wie es scheint, ist das Ihre erste wirklich komische Rolle.

Meine zweite. Aber der Humor in der englischen Serie Detectorists ist so britisch, dass er in Deutschland kaum bemerkt, geschweige denn verstanden wird. Deutsche Comedy ist da einfach offensichtlicher. Wobei wir bei Sankt Maik das große Glück hatten, dass es eine Dramedy ist; da mussten wir nicht ständig kalauernd auf den Putz hauen; der Witz entsteht eher aus Figuren als Worten

Sind Figuren wie Ihr Kleinkrimineller, der sich als Pfarrer ausgibt, realistisch?

Zunächst mal ist sie fiktional. Natürlich wäre so eine Figur in unserer Welt irreal, aber in der, die die Ufa da kreiert, ist sie stimmig und damit wahrhaftig. Außerdem machen wir hier kein Dokumentarfilmformat, sondern Unterhaltung für die ganze Familie. Ich finde, das ist etwas sehr Schönes, auch meine Rolle darin.

Entspricht dieser extrem exaltierte Gauner von der Art ins Leben zu springen auch Ihnen als Schauspieler?

Nein. Denn ich kann sein, wie ich bin.

Sehr fröhlich und offenherzig so scheint es.

Stimmt schon: mit weniger Selbstbewusstsein wär die Rolle nichts für mich. Ich lache auch viel und laut, schon weil die Welt zu traurig für noch mehr Trübsinn ist. Ich sehe die Dinge gern positiv, sonst wäre ich längst klinisch depressiv. Maik ist da ähnlich, aber er muss damit anders als ich ständig etwas überspielen, um andere zu täuschen. Deshalb ist es mir wichtig, klarzustellen: ich bin nicht Schauspieler geworden, um im Mittelpunkt zu stehen. Dass RTL einen Newcomer wie mich dennoch dorthin stellt, finde ich dennoch enorm mutig. Oh Mann, ich liebe diesen Beruf.

Warum genau?

Ach, als Biologie-Student hätte ich doch sonst nie die Gelegenheit gekriegt, so tief ins Leben eines katholischen Pfarrers einzutauchen. Oder den Zar von Russland zu spielen. Oder in was ich sonst so hineinschlüpfen darf. Schauspiel kommt da der Psychologie sehr nahe, weil man Charaktere wirklich verstehen lernt.

War dieses Bedürfnis, in Rollen einzutauchen, bei Ihnen familiär vorgeprägt?

Nee, aber es waren sehr aufgeschlossene Menschen. Mein Vater kommt aus dem IT-Bereich, meine Mama aus dem innenarchitektonischen. Sie hat mich mit 20 bekommen und kurz darauf getraut, der Sowjetunion den Rücken zu kehren, um woanders etwas Neues, Besseres zu finden. Diese empathische Weltoffenheit hat mich mehr geprägt als ihr Beruf. Außerdem ging bei uns zuhause viel um Bildung, kultiviert zu sein gehörte ebenso dazu wie ein Musikinstrument zu spielen. Mein Opa ist Geigenvirtuose, meine Oma Pianistin, die geben noch immer gern ein Duett, sobald Gäste kommen.

Also doch eine künstlerische Prägung.

Schon. Aber entscheidend ist: keinem in unserer Familie war je daran gelegen, sein Gesicht auf einem Plakat zu sehen. Es ging immer um den künstlerischen Ausdruck. Obwohl meine Mama fast ganz groß rausgekommen ist. Als sie mich mal am Set besucht hat, durfte sie als Komparsin durchs Bild laufen. Das fand sie nach kurzer Gegenwehr sogar lustig. Plötzlich fehlte jedoch eine Kleindarstellerin, weshalb die Regie fragte, ob Mama das machen kann. Sie durfte dann eine Pornoproduzentin spielen, die Viagras durch den Raum trägt. Das war’s aber auch mit dem Rampenlicht.

Bildet die Familie Ihrer Mutter den jüdischen Teil Ihrer Biografie?

Beide Familien. Vielleicht bin ich vom Glauben her deshalb so traditionell veranlagt.

Inwiefern traditionell?

Ich glaube zwar nicht an das, was im Alten Testament steht, gehe aber mindestens einmal im Jahr in die Synagoge. Am Judentum wie an jeder anderen Schriftreligion finde ich allerdings schwierig, dass ihre heiligen Bücher viel zu konkret gelesen werden, anstatt sie zu abstrahieren. Im Judentum zum Beispiel gibt es geschichtlich betrachtet keine säkulare Alternative zur Bibel, um sich seiner historischen Identität zu versichern. Ich betrachte sie dagegen eher als metaphorischen Leitfaden fürs Leben. Aber egal, ob ich in Tel Aviv, Neukölln oder London gelebt habe: Überall kamen so viele Ethnien zueinander, dass Herkunft und Kultur kaum noch eine Rolle gespielt haben. Das war überaus befreiend und hat meine jüdische Herkunft wieder ein bisschen relativiert.

Hat Ihnen Ihr Elternhaus dennoch was vom legendären jüdischen Humor mitgegeben?

Ja klar. Und die herrliche jüdische Streitkultur. Auf der Schauspielschule wurde ich mal gefragt: Hey Daniel, what do you think ist the essence of jewish humour?

Und was war die Antwort zur Essenz des jüdischen Humors?

(lacht) Frag einen Juden!

Werden Sie oft als solcher besetzt?

Kürzlich, ja. Als israelischer Soldat bei der SOKO Leipzig. Das war echt faszinierend und trotz einiger Fehlinterpretationen super recherchiert. Zumal es da mal nicht wie so oft um den Holocaust ging, sondern den Alltag – auch wenn darin Neonazis vorkommen. Ansonsten versuchen mich die Produzenten überhaupt nicht in die israelische Ecke zu besetzen, eher schon in die katholische (lacht). Die Vielschichtigkeit meiner Rollen könnte zu solch einem frühen Zeitpunkt meiner Laufbahn kaum größer sein. Ich wurde kürzlich morgens für eine Netflix-Serie als amerikanischer Sicherheitsoffizier gecastet, danach als SS-Offizier im besetzten Frankreich, zuletzt als schwuler Pianist. Drei derart verschiedene Figuren, alle an einem Tag.

Kommt man da nicht durcheinander?

Nicht, wenn du genau weißt, wer du bist und was du willst. Um immer wieder zu mir zurückzufinden, mache ich zum Ausgleich viel Sport und Yoga. Das ist grad für Schauspieler enorm wichtig.

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