Eels, Die Wilde Jagd, Mien
Posted: April 6, 2018 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Eels
Ach, Mark Oliver Everett, alter Zausel, geliebter Eremit – klodeckelbrillendick suppt dein verschrobener Psychopop seit nunmehr fast einer Generation durch den Independent-Wald, und nie, wirklich niemals ist man desse so ganz überdrüssig, auch wenn sich die filligrane Emotionalität seit dem legendären Beautiful Freak vor auch schon wieder 22 Jahren, mit dem ja vermutlich du selbst gemeint warst, kaum verändert hat. 2014 war deine Band Eels mit diesem Prinzip sogar erstmals in den deutschen Top 10, und nichts deutet darauf hin, dass dies nicht auch mit dem Nachfolger möglich wäre. Denn ehrlich: Auch The Deconstruction ist auf seine Art schlicht zum Niederknien.
Dafür darf man nun nicht unbedingt die Neuerfindung des alternativen Artrockrades erwarten, ja im Grunde noch nicht mal die Dekonstruktion von Eels. Doch was dieses Quartett aus dem aktuellen Herz der Finsternis (Washington D.C.) auf dem mittlerweile 12. Album zeigt, fügt dem Werk schon etwas Neues hinzu. Zum Beispiel echten, unverschleierten, also selbstbewussten Frohsinn. Die funkensprühende Video-Auskopplung Bone Dry gibt über diese Gemütsaufhellung ebenso Auskunft wie das fast euphorische Today is the Day. Und sonst: Elaboriertes Feingefühl mit etwas kultiviertem Geschrammel und Everetts unvergleichlich nöliger Stimme. Toll!
Eels – The Deconstruction (E Works Records)
Die Wilde Jagd
Ein Bass, etwas Hintergrundraunen, dazu Synthiegeknister – so einfach kann moderner Pop sein. Und so hypnotisch. Auf dem zweiten Album seines Sideprojects Die Wilde Jagd kultiviert der wahlberliner Produzent Sebastian Lee Philipp wieder die Vielschichtigkeit der Fläche voll Krater und Höhlen. Wie eine Wanderung durch mal gleichförmige, mal karstige, selten aber eintönige Landschaften startet Uhrwald Orange in eine siebenteilige Erkundung der Topografie seiner inneren Uhr. Zu Beginn also Flederboy – geschlagene 15:36 Minuten lang mäandert eine Basslinie aus dem Präkambrium des New Wave durch etwas Begleitgefrickel und wirklich – es wird zu keinem Zeitpunkt monoton, sondern eröffnet Horizonte, hinter die man gern blicken möchte.
Drama, Romantik, Ekstase und Melancholie – so beschreibt das Label selbst dieses minimalistische, aber nicht ereignislose Werk artifizieller Popmusik. Es ist die Aufgabe des Verkäufers, für sein Produkt Schlagworte zu finden, aber diese hier treffen wirklich mal zu. Sebastian Lee Philipps Hang, sich gemeinsam mit seinem Partner Ralf Beck in Arrangement zu verhaken wie ein Platte im Sprung, stört das kontemplative Element dabei nicht im Geringsten. Zum Wellenbad geloopt, wirken seine Tonkaskaden meist, als könne er selbst sich davon kaum lösen. Und das färbt ab. Auf uns, die Hörenden. Uhrwerk Orange ist mechanischer Techno zu einatmen und ausatmen, eine dezent vokalisierte Ode an die Analogie.
Die Wilde Jagd – Uhrwerk Orange (bureau-b)
Mien
Nein – Indierock, dieses klassische, meist von Jungs vorgetragene Gitarrengehämmer, hat natürlich ebenso wenig mit Indien zu tun wie jene Indianer, in denen Kolumbus einst die Bewohner des haarscharf verfehlten Subkontinents sah. Wer allerdings die Indierocker Mien hört, könnte das Genre fortan indisch definieren. Die Supergroup von Sänger und Gitarrist Alex Maas, nebenbei Frontmann der texanischen Psycho-Band The Black Angels, garniert ihr selbstbetiteltes Debütalbum schließlich so konsequent mit der Sitar von Rishi Dhir (Elephant Stone), dass daraus eine Art westlich geprägter Krautrock im östlichen Gewand wird.
Unterhöhlt vom monochromen Bass des Horrors-Mitglieds Tom Furse, sorgt dabei besonders der Programmierer John-Mark Lapham (The Earlies) für eine halluzinogene Struktur, mit der bekiffte Stonerfans bekanntlich grundversorgt werden wollen. Und die flächigen, nie breiigen Arrangements von Alex Maas verleihen den zehn Tracks zwar eine Bodenhaftung, mit der man auch nüchtern gut unterhalten wird; doch wer beim Wiesentanz ins Morgenrot Farbe hören und Töne sehen möchte, verändert sich das Bewusstsein wohl trotzdem stofflich. Dass beides gleichermaßen funktioniert, spricht unbedingt für Mien von Mien.
Mien – Mien (Rocket Recordings)