Bayern-Tyrannei & Bodyguard-Serie

Die Gebrauchtwoche

15. – 21. Oktober

Wäre George Orwalls Animal Farm ein Freistaat, dort hieße es vermutlich, alle Menschen seien gleich, einige davon aber doch a bisserl gleicher. So dachten einst die Könige Ludwig und Strauß, so denken ihre Thronfolger von Söder bis Seehofer, so halten es zwei weitere Regenten von Bavarias Gnaden: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß. In einer denkwürdigen Pressekonferenz vom vorigen Freitag forderten sie zwar die Achtung der Menschenwürde und zitierten dafür gar das Grundgesetz. Allerdings nur, um sodann zu dekretieren, es gelte natürlich ausschließlich für Aktive des FC Bayern München, an denen weder Passive des FC Bayern München noch die Presse Kritik zu üben haben.

Amen, Sakradi!

Recht fordern, Willkür säen, Sündenböcke suchen, Gegner einschüchtern – was Despoten halt so machen, wenn sie ihre Despotiebedroht sehen. Das mag man angesichts der notorischen Würdeverletzung anderer (Özil oder Bernat)durch „große Demokraten“ (Hoeneß über Hoeneß) als realsatirischen Anflug altersstarrsinniger Unzurechnungsfähigkeit ansehen – würde dieser Angriff in Zeiten, da die Pressefreiheit überall unter Beschuss gerät und missliebige Reporter in Botschaften ermordet werden, nicht so erschreckend an populistische Potentaten wie Orbán oder Putin erinnern.

In dem Licht darf man daher durchaus auch die Forderung der Medienstaatssekretäre von Brandenburg und Schleswig-Holstein sehen, öffentlich-rechtliche Medien müssten „Profil gewinnen, sich stärker auf Information, Bildung, Beratung sowie Kultur fokussieren“. Es gebe schließlich keine Legitimation dafür, „mit dem Geld der Beitragszahler die Preisspirale der Übertragungsrechte im Profisport, insbesondere im Fußball, in schwindelerregende Höhen zu treiben“, schrieben Thomas Kralinski und Dirk Schrödter im Vorfeld der Tagung der Rundfunkkommission am Mittwoch. Sowas treibt dem vorbestraften Wurstmillionär aus Ulm zwar nicht die gleiche Zornesröte ins Gesicht wie vier sieglose Partien. Aber an Hoeneß‘ Allmachtanspruch kratzt es schon.

Am Allmachtanspruch analoger Medien alter Schule kratzt derweil Monat für Monat für Monat der Digitalrevoluzzer Netflix, dem im vergangenen Quartal sieben Millionen neue Nutzer zuteilwurden – ein Drittel mehr als kalkuliert. Und obwohl der betriebswirtschaftlich verschwiegene Konzern offenbar dennoch rote Zahlen schreibt, investiert er damit weiterhin fleißig in Content, vornehmlich Serien.

Die Frischwoche

22. – 28. Oktober

Ab Mittwoch zum Beispiel verlegt Bodyguard Whitney Houstons Bewachung durch Kevin Kostner ins britische Politik-Milieu, also dorthin, wo Personenschutz mehr ist als Eheanbahnung mit Actionelementen. Die Fortsetzung von Babylon Berlin beweist zwar am Donnerstag im Ersten, dass Serien auch aus deutscher Produktion gehaltvoller sein können als parallel dazu Lena Lorenz im ZDF. Dort allerdings setzt man am Ende doch immer noch am liebsten auf Heino Ferchs monolithische Fünfzigerjahre-Mimik, mit der er den Montagskrimi Ein Kind wird vermisst verödet. Oder auf den neuen Samstagskrimi Schwartz & Schwartz um zwei – hey! – grundverschiedene Ermittler, von denen der junge Golo Euler immerhin die Rolle mit dem arrivierten Devid Striesow tauscht und den biederen Familienvater im Clinch mit seinem flatterhaften Bruder spielt.

Das erste feiert tags zuvor zum 750. Geburtstag der Filmreihe derweil die lange In-aller-Freundschaft-Nacht und liefert damit ein neuerliches Argument, doch lieber das Internet in Erwägung zu ziehen, wo funk ab Mittwoch seine drollige Sitcom Klicknapped um zwei getrennte Youtuber zeigt, die ein Fan durch Entführung wieder zusammenbringen will. Unterhaltsam lehrreich ist derweil das heutige ARD-Dokudrama Die Aldi-Brüder, obwohl Aufstieg und Zerwürfnis der zwei Multimilliardäre, gespielt von Arnd Klawitter und Christoph Bach, weit mehr thematisiert werden als Lohndumping, Verpackungswahn, Preiskrieg oder die Verödung der Innenstädte durchs Discounter-Imperium. Alles Dinge, die auch bei der Hessischen Landtagswahl am Sonntag eine Rolle spielen sollten, ginge es live im Ersten und Zweiten (die Privatsender sind, hüstel, jetzt nicht sooo interessiert an Faktenfernsehen) nicht vor allem um die Berliner Groko und Flüchtlinge allüberall…

So bleibt als einzig ansehnliches Format des linearen Programms die Debütfilmreihe Nordlichter. Ab Donnerstag um 22.45 Uhr zeigt der NDR drei eigenproduzierte Horrorfilme junger Regisseure. Den Auftakt bildet Damian Schipporeits Erstlingswerk Tian über ein mystisches Geheimnis im ehemaligen Chinesen-Viertel von St. Pauli. Das Besondere: der Film ist Teil einer medienpädagogischen Initiative zur Stadtteilkultur und wird an Hamburger Schulen gezeigt – was tatsächlich helfen könnte, junge Zuschauer ans alte Medium zu binden. Das dürfte mit den Wiederholungen der Woche eher nicht so gut gelingen. Sehenswert sind sie dennoch.

Etwa John Frankenheimers Schwarzweiß-Klassiker Der Mann, der zweimal lebte von 1965 mit Rock Hudson als Banker, der seine Midlife-Crisis für viel Geld mit einer komplett neuen Identität bekämpft (Montag, 22.05 Uhr, Arte). In Farbe läuft vier Tage später auf gleichem Kanal um 23.10 Uhr Wes Cravens Horror-Frühwerk Hügel der blutigen Augen, in dem es eine Familie 1977 mit den Opfern amerikanischer Atomwaffenversuche in der Wüste Kaliforniens zu tun kriegt. Der Tatort-Tipp Jetzt und alles stammt heute (20.15 Uhr) im MDR aus dem Jahr 1994, als der Fall verunglückter Crash-Kids, in dem die Ost-Kommissare Kain & Ehrlicher ermitteln, gerade bundesweit den Boulevard erzürnte.

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