Pranke, Jacco Gardner, Art Brut

Pranke

Es war kein guter Tag für die zeitgenössische Musik, als sich das kanadische Posthardcore-Trio Nomeansno 2016 nach fast 40 Jahren aufgelöst hat – allein schon, weil es ohnehin kaum Bands gibt, die es so virtuos verstehen, Jazz und Punk miteinander zu verbinden, ohne das eins von beiden dabei peinlich wirkt. Jetzt aber gibt es ein Duo, dass – nein; keine würdigen Nachfolger sind, aber der Leerstelle ein wenig anspruchsvollen Füllstoff verpassen. Es heißt mit großem Gespür für gute Namen Pranke und verbindet experimentellen Synthierock so unterhaltsam mit jazzigem Avantgardepop, dass man sich fast schon bei Nomeansno wähnt.

Kennengelernt haben sich der isländische Gitarrist Daniel Bödvarsson und der deutsche Drummer Max Andrzejewski nicht so wahnsinnig überraschend in Berlin, wo kein Geringerer als der unverwüstliche Moses Schneider das Debütalbum produziert hat. Unfassbar gut ausgesteuert zappelt Monkey Business putzmunter, also gar nicht genretypisch verkopft zwischen Mouse on Mars, Retro Stefson, Frank Zappa hin und her, dass man sich unwillkürlich auf einer Karibikkreuzfahrt durch die Plattenbausiedlung wähnt. Das Ergebnis: Pseudodigitaler Krauttechno der allerfeinsten Sorte.

Pranke – Monkey Business (staatsakt)

Jacco Gardner

Kleine Preisfrage: Wer hat wann den ersten Science-Fiction-Roman verfasst und wie hieß er? Die Antwort muss nun wirklich niemand kennen, aber gut: der legendäre Universalgelehrte Johannes Kepler schrieb bereits im Jahr 1608 eine Zukunftsvision mit Namen Somnium, in der er selbst Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Mond flog, um damit seine astronomischen Erkenntnisse literarisch zu untermalen. Kein Wunder also, dass Jacco Gardners neues Album mit demselben Titel oberflächlich ein bisschen barock klingt, unterschwellig jedoch leicht futuristisch. Wie immer testet der holländische Multiinstrumentalist mit Wohnsitz Lissabon schließlich die Grenzen der Widersprüche aus.

Auf Platte 3 allerdings kreiert er dabei etwas wirklich Bemerkenswertes: Somnium klingt zugleich nostalgisch und modern, psychedelisch und nüchtern, irgendwie gefühlvoll kopflastig. Ein wenig nach Air, ein wenig nach Jarre, ein wenig aber auch nach analogen Digitaldaddlern wie Matthieu Chedid oder Chapelier Fou, die ebenfalls klassizistischen Pop kreieren, der zwar ulkig ist, aber nie albern, wenn drolliges Vogelgezwitscher zur Lagerfeuergitarre über Rechnersequenzen huscht. Selten zuvor konnte man ein hochkonzentriertes Album so wunderbar nebenbei hören.

Jacco Gardner – Somnium (Full Time Hobby)

Hyper der Woche

Art Brut

Eddie Argos ist der Typ. mit dem man sich schon immer mal gemeinsam die Lichter ausschießen wollte. Am besten mit Absinth oder richtig gutem Gin, in rauer Menge genossen und dann über Liebe, Freundschaft, Hass, den Alltag faseln und wie man alles in richtig existenziellen Pop packt. Genau das machen Art Brut ja seit 15 Jahren. Und auch wenn ihr Debüt Bang Bang Rock’n’Roll unerreicht ist, haben die fünf Nachfolger mindestens so viele Ausrufezeichen verdient wie der Titel des (nach sieben Jahren Pause) 7. Albums Wham! Bang! Pow! Let’s Rock Out (Alcopop! Records). Wie immer nämlich hat das britische Quartett mit inhaltlichem Hang zu den deutschen Indiehotspots Hamburg/Berlin ein Punk-Album für HipHop-Fans mit Bigband-Attitüde gemacht. Alles daran ist Lebenskraft, jeder Track ein Fanal für retrofuturistische Rockexzentrik. Und wenn Argos im aufsässig-nasalen Sprechmodus “I hope your’re very happy together / and if you’re not that’s even better” singt, weiß man, dass ihn auch das geplante Besäufnis nie aus der Ruhe bringt.

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