Katrin Bauerfeind: Pocher & Show zur Frau

Erwartbarkeit ist ermüdend

Seit sie vor 14 Jahren im Online-Magazin Ehrensenf die Medienlandschaft aufs Korn nahm, ist Katrin Bauerfeind (Foto: Nadine Bernards/WDR) darin nie so richtig über die Nische mit Niveau hinausgekommen. Auch in Die Show zur Frau spricht die Mittdreißigerin jetzt mittwochs ab 21.45 Uhr mal wieder nur auf dem Spartensender ONE mit Gästen ihrer Wahl über Gott und die Welt. Aber das macht sie wie immer ganz wunderbar.

Von Jan Freitag

Kathrin Bauerfeind, bei der Premiere Ihrer Show zur Frau zitiert Micky Beisenherz John F. Kennedys Vater mit den Worten, es käme nicht drauf an, was du bist, sondern wofür man dich hält. Sind Sie, wer Sie sind oder wofür man Sie hält?

Kathrin Bauerfeind: Oh Gott, was für eine Einstiegsfrage.

Soll ich was Leichteres fragen?

Nee (lacht). Also: Ich hoffe sehr, dass ich das, wofür man mich hält, auch bin, sofern das, was ich bin, auch das ist, was ich sein will oder …Hilfe!

Ist die private Bauerfeind demnach deckungsgleich mit der Bühnen-Bauerfeind?

Doch, das stimmt ziemlich überein.

Würden wir uns ohne beruflichen Hintergrund im Park treffen oder beim Bier, wären Sie also genauso exaltiert, laut, lustig und burschikos-feminin wie am Bildschirm?

Burschikos-feminin, das klingt toll! Also, zu 70 Prozent ja. Es gibt vielleicht auch eine stille Seite an mir, die ich allerdings noch nicht entdeckt habe. Klar, ich kenne die Täler aus Trauer, Niederlage und mieser Tag, aber insgesamt bin ich heiter und rede lieber statt nichts zu sagen. Deswegen ist es gut, dass es den Beruf der Fernsehmoderatorin gibt. Sonst hätte ich ehrlich nicht gewusst, was aus mir werden soll.

Auf das Zitat Ihres Kollegen Beisenherz antworten sie mit der Gegenfrage, wo Sie heute wohl wären, hätten Sie den Rat von JFKs Vater befolgt und darauf geachtet, was andere von Ihnen halten. Haben Sie darauf eine Antwort?

Ich wäre wahrscheinlich schneller da gewesen wo ich jetzt bin oder hätte vielleicht schon lange eine Late-Night-Show in der ARD, wer weiß! Ich hab oft das Gegenteil von dem gemacht, was erwartet wurde. Nach Ehrensenf also nicht die gleiche Show in größer und im Fernsehen statt im Internet, sondern eine Reisereportage über den Balkan.

Andererseits hat der Schritt nach diesem preisgekrönten Online-Format zu 3sat mit Anfang 20 eigentlich auf eine ziemlich fette Showlaufbahn hingedeutet. Ist ONE zur Nacht da die angemessene Bühnengröße für Ihren Maßstab?

Ich hör das öfter und freu mich, wenn man so viel Potenzial in mir sieht. Klar will auch ich, dass möglichst viele Leute sehen, was ich mache, dafür macht man ja Fernsehen. Die ARD hat aber nur einen Sendeplatz für Frauen unter 40 und den hat Carolin Kebekus! Da sie die Beste ist, geht das in Ordnung. Das was ich in der neuen Show mache, bleibt allerdings dasselbe, egal, wo es ausgestrahlt wird. Ich mag das, was ich mache und die Nische hat den Vorteil Dinge auszuprobieren. Da die Show was Neues ist, da fände ich es auch vermessen damit direkt im Ziel starten zu wollen.

Wenn Sie „starten“ sagen, empfinden Sie Ihren Werdegang also noch als ausbaufähig?

Ich hab zumindest lernen müssen, dass man am Anfang oft noch nicht da sein kann, wo man am Ende hin will. Das ist ein Prozess, er besteht aus ausprobieren, Fehler machen, wieder scheitern und aus den eigenen Fehlern was machen. So ist das Leben, würde ich sagen.

Fühlen Sie sich demnach wie Jan Böhmermann trotz Potenzial für größere Aufgaben in der Nische vielleicht sogar ganz wohl?

Jan sagt ja sehr oft ganz deutlich, dass er gern einen prominenteren Sendeplatz im ZDF hätte. Bei mir ist es auch so. Wenn jemand einen Sendeplatz zu vergeben hat, können wir gern darüber sprechen. Ich bin erreichbar.

Das heißt, sie hätten schon auch gern etwas bedeutsamere Gesprächspartner als Oliver Pocher, den sie heute Abend zur ersten Show der Frau eingeladen haben?

Was heißt bedeutsamer? Oliver Pocher war in der Sendung zu Verschwörungstheorien, und da er als Zeuge Jehovas aufgewachsen ist, war es der perfekte Gesprächspartner. Wir wollten wissen, ob Verschwörungstheorie und Religion sich nicht auch ähnlich sind, denn auch für die Auferstehung Jesu gibt es am Ende keinen direkten wissenschaftlichen Beweis. Außerdem bin ich ein Fall für die andere Seite der Leute. Ich setze auf den Effekt: Hätte ich nicht gedacht, nicht gewusst, nicht für möglich gehalten. Was haben Sie denn von ihm erwartet?

Dieselben selbstgerechten Krawallwitze auf Kosten anderer.

Ich finde Oliver Pocher war sehr erwachsen bei uns, ich hab ihn so noch nicht im Fernsehen gesehen. Ich finde außerdem diese unausgesprochenen Regeln, wen man gut finden darf und wen man besser nicht einlädt, damit das eigen Image stimmt, eher unangenehm. Grade dann will ich mal mit den Leuten reden. Erwartbarkeit ist für mich langweilig und ermüdend. Ich finde die erste Sendung zum Thema Verschwörungstheorien deshalb gut, und zwar mit Oliver Pocher. Sich immer nur die eigene Sicht bestätigen zu lassen, ist doch nicht, wofür man angetreten ist.

Ist dieses Gegenteil der Sicht-Bestätigung demnach der Wesenskern Ihrer Show zur Frau?

Es gibt ein Thema. Leute kommen vorbei. Wir diskutieren und erzählen uns heitere Geschichten. Weil ich gut mit Menschen reden kann, ist das der Kern der Show. Und ich bin quasi eine Mischung aus Maybritt Illner und Heidi Klum, seriös, aber auch albern. Wahrscheinlich meinten sie das mit feminin-burschikos. (lacht)

Um Erkenntnisgewinn geht es also nicht?

Doch. Wir nehmen uns gesellschaftlich relevante Themen wie die Frage vor, warum die Heimat neuerdings wieder so hip ist. Dabei sind wir jedoch keine politische Talkshow, die eine abschließende Antwort sucht, sondern wollen eher Geschichten und Erfahrungen der Gäste hören. Am Ende wird der Zuschauer gut unterhalten. Wenn er auch inhaltlich noch was mitnimmt – umso besser.

Um Geschlechterfragen geht es also nicht?

Warum?

Der Sendungstitel und Sie im Mittelpunkt hatten das irgendwie suggeriert.

Ah, wäre ich nicht drauf gekommen, dass man es auch so verstehen kann. Ich bin die Frau zur Show, Frauenthemen sind weniger gemeint.

Schade.

Wieso schade?

Ach, in Zeiten von Trump und #MeToo hätte ich mir einfach gewünscht, dass sich eine Moderatorin, die tradierte Vorstellungen von Weiblichkeit mit dieser maskulinen Art zur femininen Optik unterwandert, zum Feminismus äußert.

Gut, wir haben auch eine Sendung übers moderne Männlichkeitsbild, aber #MeToo haben wir keine ganze Sendung gewidmet.

Haben es aber im Hinterkopf?

Ja klar, immer! Frauen verdienen weiterhin weniger, sind seltener in Führungspositionen und nehmen in acht von zehn Fällen bei der Heirat selbstverständlich den Namen des Mannes an. All diese Phänomene habe ich in meinem zweiten Buch aufgegriffen und war zwei Jahre damit auf Tour. Aber für die Show haben wir das Thema nicht gewählt. Wir haben momentan gesellschaftlich relevante Fragen rausgesucht wie, worüber darf man lachen in politisch korrekten Zeiten oder auch sind alle lieber schön als schlau, also ob alle jetzt lieber Botox statt Bildung wollen. Momentan ist #MeToo ja auch nicht mehr so brandaktuell.

Für jemanden wie Sie müsste das doch erst recht Ansporn sein, davon zu sprechen!

Ja, gut, ok, ich nehm´s für die zweite Staffel vor.

Und bitte gleich mit, dass unter den acht Gästen der ersten drei Folgen nicht wieder nur zwei Frauen sind und dann ausgerechnet zum Thema Kochen…

Zum Kochen will ich sagen: Ruth Moschner ist ganzheitliche Ernährungsberaterin, war also als Expertin da und nicht als Frau am Herd. Auf die gesamten zwölf Sendungen sind wir relativ ausgeglichen. Trotzdem stimmt es: Es gibt immer noch mehr Männer als Frauen in der Branche, die sich zutrauen zu allen Themen was zu sagen. Aber wir arbeiten dran.

Suchen Sie die Gäste selber aus?

Das macht die gesamte Redaktion. Bei Bauerfeind assistiert…, wo ich den ganzen Tag mit einer Person verbracht habe, wollte ich niemanden einladen, den ich nicht mag. Das war hier weniger wichtig. Im Gegenteil. Es heißt ja immer, alle bestätigen sich in ihren Filterblasen nur ihrer eigenen Weltsicht. Ich finde es gut, wenn das Publikum herausgefordert wird. Ein Interview-Guru in den USA sagte mal, Interviews werden nur facettenreich, wenn der Interviewer sowohl Freund als auch Gegner des Interviewten ist.

In dem Sinne die Anschlussfrage: Als Mann mit ihrer Klappe und Attraktivität…

… wäre ich schon lange ganz oben! Nein, das ist mir zu hypothetisch und auch nicht heilsam. Zum einen suggeriert dieses Denken, es gäbe irgendwelche höheren Mächte, die meinen Aufstieg behindern.

Stichwort Verschwörungstheorien.

Zum anderen wirkt es furchtbar passiv und larmoyant. Vielleicht wär ich als Mann tatsächlich da, wo Harald Schmidt mal war. Aber ich hatte zugleich so viele Situationen, in denen es hilfreich war, eine Frau zu sein. Nichtsdestotrotz brauchen wir mehr weibliche Persönlichkeiten. Auf allen Bühnen. Das ist mein Wunsch für die Zukunft.

Das Interview ist vorab bei DWDL erschienen
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