Nestlès Hündchen & Eichwalds Bundestag

Die Gebrauchtwoche

3. – 9. Juni

Nein, eine Liebesbeziehung wird das so bald nicht mehr – die CDU und social media. Nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer mit der Attacke auf digital Eingeborene der Generation Y bis Z fleißig daran gearbeitet hatte, den Altersschnitt ihrer Wähler*innen über 70 Jahre zu hieven, begab sich Freiwilligkeitsministerin Julia Klöckner mit ihren Memes aufs selbe Niveau und brauchte 24 Stunden, um auf den Shitstorm für ihr Kuschelvideo mit Nestlé zu reagieren. Wie ein verliebter Teenager wanzt sie sich darin an den Lebensmittelkonzern heran, wofür Oli Welke die Verantwortliche in der heute-show zur wichtigsten Werbeikone nach Clementine (Ariel) und Tilly (Palmolive) erklärte.

Noch irritierender war allerdings, dass Klöckner die (wie üblich online sprachlich robuste, aber grundsätzlich berechtige) Kritik an ihrer Korrumpierbarkeit durch Renditeinteressen multinationaler Unternehmen mit Hatespeech verwechselt und allen, die nicht ihrer Meinung sind, Informations-, wenn nicht Demokratie-Defizite unterstellt. Das ist von so himmelschreiender Hilflosigkeit im Umgang mit dem, was aus Unionssicht halt immer noch „Neue Medien“ sind – man könnte diese Peinlichkeit glatt lustig finden, wäre sie nicht Ausdruck einer so tiefgreifenden Betriebsblindheit im Umgang mit den Befindlichkeiten junger Menschen.

Obwohl die Leiterin eines der wichtigsten Ressorts im Kampf gegen den Klimawandel seit zehn Jahren auf Twitter ist und dort seither nahezu 28.000 Tweets abgesetzt hat, tickt sie also noch immer zutiefst analog und befindet sich daher geistig-moralisch auf dem Niveau der Bild-Zeitung. Die nämlich wurde vom Presserat mal wieder gerügt: wegen der Berichterstattung zum rechtsextremen Attentäter von Christchurch, dem das Springer-Organ als eines der ganz wenigen Medien in Deutschland breitenwirksame Aufmerksamkeit in Wort, Bild, Ton gewidmet hatte.

Aus diesem Grund beginnen wir die anstehenden Angebote mal mit den Wiederholungen der Woche, namentlich: Kir Royal. In Helmut Dietls alterslosem Meisterwerk ging es vor 33 Jahren schließlich auch um den Klatschreporter eines Boulevardblatts, das sich um Ethos, Moral und Nachhaltigkeit wenig schert, solange Auflage, Umsatz und Einfluss stimmen. Ab Montag um 22.45 Uhr zeigt der BR die Regenbogenschlacht von Baby Schimmerlos zum 75. Geburtstag des verstorbenen Regisseurs in drei Doppelfolgen, und abgesehen von Wählscheiben, Schulterpolstern, Messingmöbeln ist alles daran wie heute, nur ohne Internet, Klimakrise, Donald Trump.

Die Frischwoche

10. – 16. Juni

Was beide Epochen über Klöckners aasige Anbiederung hinaus verbindet, ist ein Mitglied des Bundestags, das es so nicht gibt und doch vermutlich überall: Eichwald, MdB. Vor zwei Jahren überraschte das ZDF mit einer Art Mockumentary, die den halbfiktionalen Langzeitabgeordneten einer viertelfiktionalen Kanzlerinnenpartei im Aberwitz achtelfiktionaler Tagespolitik karikiert hat. Am Freitag um 22.30 Uhr kehrt Bernhard Schütz als modernisierungsresistenter Chef seiner drei Mitarbeiter (Leon Ulrich, Lucie Heinze, Rainer Reiners) zurück, und es ist abermals von bedauernswerter Wahrhaftigkeit.

Das ließe sich natürlich auch übers Debüt im Ersten ab Dienstag (22.45 Uhr) sagen – echt gut gemeinte Idee, aber was war noch mal das Gegenteil von gut? Ohne der Plattform für Nachwuchsregisseure entweder (wie der österreichischen Landkrimi-Groteske Höhenstraße tags drauf) die Primetime zu räumen oder wenigstens mehr PR-Präsenz im Netz zu verschaffen, dürfte die Filmreihe auch 2019 unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufen. Das gilt für Laura Lackmanns Erstlingswert Mängelexemplar um die depressive Borderlinerin Karo (Claudia Eisinger), mehr aber noch für Helene Hegemanns eigene Romanadaption Axolotl Overkill mit Jasna Fritzi Bauer als altersgerecht wildgewordenen Teenager. Da könnte man auch ein Standbild zeigen – es hätte kaum weniger Publikum.

Womit wir im Grunde beim sportlichen Highlight dieser Tage sind: Der Frauenfußball-WM, täglich in ARD oder ZDF, täglich mit Einschaltquoten, die angesichts der nachmittäglichen Anstoßzeiten wohl nur unwesentlich über denen von Warrior liegen. Und das, obwohl die US-Serie ab Samstag im Pay-TV läuft. Allerdings mit einem Thema, dem das Testosteron aus jeder Szene suppt: Martial-Arts-Kämpfer prügelt sich produziert von Bruce-Lee-Tochter, durch den amerikanischen Bürgerkrieg. Auweia. Kultivierte Ablenkungswiederholung gefällig? Etwa den Clan der Sizilianer, legendärer Heist-Movie mit Alain Delon, Jean Gabin und Lino Ventura von 1969 (Samstag, 21.55 Uhr, ServusTV) oder – noch ‘ne Legende, nur drei Jahre älter: Steve McQueen als Nevada Smith (So, 20.15 Uhr, Arte) auf Rachefeldzug gegen fiese Cowboys von 1966.

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