O.T.T.O., Velvet Volume, D I I V

O.T.T.O.

Kennt noch irgendwer Franz Lambert? Mehr als 100 Platten hat er in mittlerweile 50 Jahren eingespielt, und jede davon ist ein kleines Wundwerk wortloser Redseligkeit. Legendar, wie der Hesse allein mit sich und seiner Hammondorgel Klangteppiche wob, die zu mit dem Publikum zu sprechen scheinen. Ebenso legendär ist es allerdings, wie biedermeierblöde sie dabei meist klangen. Als Messlatte für gediegen verstiegenen Instrumentalpop taugt Franz Lambert also nur bedingt. Es sei denn, er rührt noch The Alan Parsons Project mit einer Prise Air unter.

Dann nämlich klingt der Sound verstaubter Heimmorgeln mit Synthybegleitung, die unwesentlich jünger sind als Franz Lamberts Karriere, ungefähr wie das Over The Top Orchestra, kurz: O.T.T.O. Denn auf ihrem elektrisierend pulsierenden Debütalbum gleichen Namens zaubern die zwei süddeutschen Nostalgiker Alexander Arpeggio und Cid Hohner Soundgespinste aus dem Vintagepark, der schwer nach klassischer Retromusik aus der Zukunft klingt oder noch treffender: dem Soundtrack eines SciFi-B-Movies der Siebziger, zu dem sich 2019 famos swingen lässt.

O.T.T.O. – Over The Top Orchestra (bureau-b)

Velvet Volume

Von den drei Schwestern Velvet Volume gibt es dagegen von Anfang an ziemlich aufs Mett. Und das auf eine Art, die zwar ebenso wie O.T.T.O. sehr nostalgisch klingt, aber doch zwei, drei Jahrzehnte jünger. Schließlich wurzelt das Debütalbum des dänischen Trios spürbar in den Neunzigern, als Postpunk mit Grunge zu einer rabiaten Form des Alternative-Rock verschwammen, den die Riot Grrrls jener Tage um viel feministische Sozialkritik erweitert haben.

Die Special Edition von Look Look Look! inklusive zweier Bonustracks ist zwar etwas weniger politisch als ihre Vorfahrinnen von Sleater-Kinney bis Team Dresch; ihr Furor allerdings klingt ebenso virtuos wütend. Dass sich Velvet Volume dank der bauchgrummelnd verzerrten Gitarre von Sängerin Noa zu Natajas grungig verzögerten Drums spielend an den Bühnenmackern jener Tage messen lassen können, ist da schon keiner Erwähnung mehr wert. Ein virtuos ruppiges Hardcore-Album.

Velvet Volume – Look Look Look! (Network Music)

D I I V

Gleiches Zeitalter, ähnlicher Ansatz, nur von männlicher Seite: Auf ihrem mittlerweile dritten Longplayer mischen die Kalifornier D I I V flächig aufgerauten Rock mit Engelsstimmen und taugen damit exakt so zur Verstörung tradierter Stereotypen von Geschlecht und Zuschreibung wie Velvet Volume, nur halt mit mutiertem Chromosmensatz. Im Geschredder zweier Gitarren erinnert Zachary Cole Smiths Gesang schwer an Teenage Fanclub. Doch mit Referenzen allein ist D I I V nicht ausreichend beschrieben.

Dafür verschwimmen die zehn monochromen Tracks von Deceiver zu oft im Durcheinander dissonanter Töne, die bisweilen einfach nicht recht zueinander passen wollen und gerade dadurch oft hypnotische Kraft entfalten. In Stücken wie Lorelei oder Blankenship driftet der Sound dann manchmal fast ins Noisige ab, bis die Saiten schreien. Alles in allem ein Album von schiefer Geradlinigkeit, die gleichermaßen mitreißt und sediert.

D I I V – Deceiver (Cargo Records)

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