RTLsieben & Check Shapira

Die Gebrauchtwoche

21. – 27. Oktober

Es gibt Momente der Wahrheit, in denen Absender und Adressat, Raum und Zeit, Subjekt und Objekt so auseinanderdriften, dass diese Wahrheit einen Moment lang den Anschein der Täuschung erweckt: Barbara Schöneberger hat ihrer zahlenden Kundschaft am Dienstag vor laufender Kamera geraten, Achtung: nichts von ihr zu kaufen, „weil ich seit Jahren immer nur das Gleiche mache, nur mit anderen Klamotten“. Das ist für die menschliche PR-Kampagne schon selbstreflexiv genug; das Ganze fand allerdings, Aachtung: in der Konsumgörensendung taff statt, die – Aaachtung: beim Konsumgörensender Pro7 läuft.

Unterdessen erhielt der artverwandte Konsumgörensender RTL2 von einer Kommission für die Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten Bestätigung. RTLzwei, wie man mittlerweile schreiben soll, hat seine Nachrichten zwar voriges Jahr konsequenterweise an externe Dienstleister ausgelagert und bietet auch sonst allenfalls die Karikatur gehaltvollen Fernsehens. Weil er nur (sic!) 29 statt 30 Prozent Reklame schaltet, darf er sich laut ZAK jedoch weiter Vollprogramm nennen. Das klingt ähnlich absurd, als würde man die Bild nicht als Propagandablatt, sondern Tageszeitung bezeichnen.

Schließlich hat deren Chefredakteur gerade den Anti-Medienpreis Goldene Kartoffel erhalten, mit dem der Verein Neue deutsche Medienmacher außergewöhnlich einseitige Berichterstattung „auszeichnet“. Wenn es um Ein- und Zuwanderung gehe, so die Begründung, stehe Bild für „für Unsachlichkeit, Vorurteile und Panikmache“, bei der laut NdM-Vorstand Sheila Mysorekar, „jeder Ausländer ein Messer in der Hand, in der andern einen Asylantrag“ habe, und „mit der dritten Hand geht er einer Blondine an die Wäsche“. Der Prämierte wies das natürlich weit von sich und warf den Verantwortlichen ihrerseits Rassismus vor. Das wiederum klingt ähnlich grotesk wie Claas Relotius, der allen Ernstes Juan Moreno wegen falscher Behauptungen in Tausend Zeilen Lügen klagt. Ohne „mit Menschen aus meinem näheren Umfeld gesprochen zu haben“, so Relotius zur Zeit, „konstruiert Moreno eine Figur“.

Die Frischwoche

28. Oktober – 3. November

Damit leitet der Figurenkonstrukteur schlechthin unfreiwillig zum frischen Fernsehangebot über. Darunter das angenehm schrullige Streaming-Kleinod Check Check, in dem ein anderer Klaas, nämlich Heufer-Umlauf, den Startup-Unternehmer Jan spielt, der seinen kranken Vater (Uwe Preuß) in der alten Heimat pflegen und die wenigen Passagiere eines Provinzflughafens kontrollieren muss. Unter der Regie von Ralf Husmann sind die ersten zwei Teile nach Ralf Husmanns Drehbuch auf Joyn nicht nur sehr kurzweilig, sondern bisweilen richtig wahrhaftig.

In neue, oft realistische, bisweilen aber heillos überdrehte Rollen schlüpft ab Dienstag um 23.15 Uhr (Neo) wieder Shahak Shapira Shapira, was hoffentlich ein wenig mehr an der Stellschraube des Klamauks dreht als zuvor. Positiv überrascht die neue ARD-Reihe Käthe und ich. Zum einen, weil das lockere Psychogramm eines leicht verwirrten Seelenklempners für Degeto-Verhältnisse erstaunlich seifenfrei inszeniert wurde. Zum anderen, da die Hauptfigur vom ziemlich unbekannten Christoph Schechinger gespielt wird.

Eine ähnlich gute Sendezeit hätte auch die Romantic Comedy Zwei im falschen Film verdient. So aber müssen Marc Hosemann und Laura Tonke Dienstag um 23.40 Uhr im WDR als routiniertes Paar um Liebe, Sinn und Leidenschaft kämpfen. Zeitgleich kämpft um 22.15 Uhr auf Nitro die 2. Staffel des Serien-Spinoffs von Tarantinos Horror-Legende From Dusk Till Dawn oder dem Batman-Spinoff Pennyworth auf Starzplay um Aufmerksamkeit, was der ersten Staffel einer anderen Neuinterpretation auf Netflix Freitag hierzulande etwas leichter fallen dürfte: Wir sind die Welle schickt den Jugendklassiker um ein schulisches Tyrannei-Experiment auf die Straße, wo vier Jugendliche ab Freitag zu einer idealistischen Scheinrevolte aufrufen.

Warum es in der Türkei trotz aller Repression zu keiner Revolte gegen das autokratische System Erdogans kommt, versucht Arte am selben Tag ab 20.15 Uhr mit drei Dokus zu erklären, in denen es um Väter der Türken oder Die freundlichen Islamisten der Gülen-Bewegung geht. Auch die erste Wiederholung der Woche befindet sich an der Schnittstelle von Religion und Politik: In Der Stellvertreter von 2002 spielt Ulrich Tukur Sonntag, 20.15 Uhr auf Arte den Zyklon-B-Erfinder Kurt Gerstein, der seine plötzlichen Zweifel am NS dem Papst mitteilt – und ignoriert wird. Ganz unpolitisch ist dagegen heute um Mitternacht im HR die grandiose Verfilmung von Haruki Murakamis polarisierendem Liebesroman Naokos Lächeln. Und der Tatort geht zwei Stunden früher im RBB zurück ins Jahr 1981, als ein gewisser Horst Schimanski seinen ersten Fall unter Duisburger Binnenschiffern löste.

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