David Kross: Knallhart & Betonrausch

Als Investor bin ich konservativ

Im Netflix-Drama Betonrausch (Foto: Konietzny/Netflix) spielt der deutsche Weltstar David Kross einen Immobilienspekulanten im dauernden Exzess. Privat ist der 29-Jährige vom Dorfe dagegen die Ruhe selbst. Ein Gespräch über Provinzgewächse in der Großstadt, Koks am Filmset und ob sein erster Bösewicht einen Dominoeffekt auslösen könnte.

Interview: Jan Freitag

freitagsmedien: David Kross, Sie stammen genau wie Ihre Filmfigur Victor aus der Provinz und sind als junger Mann ins große Berlin gezogen. War das bei Ihnen derselbe Sprung ins Abenteuer ohne Plan und Geld?

David Kross: Es war schon ein Sturz ins Abenteuer, aber nicht so ganz ohne Plan oder Geld. Obwohl ich Berlin von vorherigen Dreharbeiten schon kannte, war es trotzdem etwas Besonderes, dort plötzlich fern von zuhause allein zu wohnen. Und während Victor überhaupt keine Ahnung hat, wie es in Berlin weitergeht, war mir völlig klar, was ich wollte.

Ein Weltstar werden?

(lacht) Nee. Aber mir war schon klar, dass Berlin mit all seinen Produktionsfirmen, Drehorten und Agenturen der perfekte Ort für den Start war.

Sie sind also nicht wie er in den Exzess mit Nutten, Koks, schnellem Geld gerauscht?

Nein! Das Koks in Betonrausch bestand daher aus Traubenzucker mit Pfefferminz. Das brennt allerdings auch ein bisschen; als ich bei einem Take mal viel zu viel davon gezogen habe, ist das voll in den Kopf geknallt; da musste ich den Kick fast gar nicht mehr spielen.

Wie realistisch ist denn die kapitalistisch entfesselte Business- und Partyszene, in der Ihre Figur landet?

Der Regisseur und Drehbuchautor Cüneyt Kaya hat jedenfalls intensiv in den Kreisen recherchiert. Das macht „Betonrausch“ zum Zusammenschnitt verschiedener Geschichten, die für sich alle absolut realistisch sind, in dieser Konstellation aber fiktional. Wenn man durch Berlin geht, trifft man echt alle Nase lang Typen, die genauso mit dem Geld um sich werfen wie Victor und Gerry.

Sie selbst sind einst auch zu einer Menge an Geld gekommen, die für Gleichaltrige Ihrer Mittelschicht ungewöhnlich ist. Haben Sie es auf den Kopf gehauen oder gespart?

Natürlich hab‘ ich mir ein paar Dinge gekauft, die mit 15 vorher unmöglich gewesen wären wie eine Spiegelreflexkamera. Da es von Knallhart bis zum Vorleser aber so wahnsinnig schnell ging, war Geld ganz ehrlich zunächst kein Thema. Ich habe erst kürzlich einen Steuerbescheid von damals gesehen und gemerkt, was mir gezahlt wurde. Das Bewusstsein, dass die Schauspielerei auch ein Beruf ist, um Geld zu verdienen, kam erst später, und es hat mir insofern eher Sorge bereitet, darüber den Spaß an der Arbeit nicht verlieren zu wollen.

Haben Sie je die Erfahrung von Victor gemacht, dass Geld einer Lawine gleicht, wie er im Film sagt – wer genug hat, dem wird noch mehr hinterhergeschmissen, während all jene, die nichts haben auch nichts kriegen?

Da ist gesamtgesellschaftlich schon was dran. Aber als Schauspieler kriegt man höchstens mal einen Anzug geschenkt, von dem sich der Hersteller erhofft, dass man ihn öffentlich trägt. Ich hänge zwar zwischen den Polen, aber doch etwas weiter weg von dieser Spekulanten-Szene.

Neigen Sie persönlich zur Risikokapitalanlage?

Nein, als Investor bin ich eher konservativ. Schon, weil man sich viel zu sehr mit dem Thema beschäftigen und einiges an Wissen zusammentragen muss, um es lukrativ zu machen. Wobei Victor da ja auch ohne Vorkenntnisse reingeraten ist.

Ist dieses Landei, das in kürzester Zeit mit windigen Immobiliendeals hochsteigt und tief fällt, eigentlich der erste echte Antagonist des Guten ihrer Filmlaufbahn?

Schon, er treibt ja ziemlich skrupellos selbst gewöhnliche Leute in den Ruin. Gerade deshalb wollte ich ihn auch unbedingt spielen – allerdings nur, weil er gleich mehrere Entwicklungen durchmacht, also nicht so der eindeutige Bösewicht ist.

Könnte dieser Film für einen Schauspieler, dem man wegen seines arglosen Lächelns …

Ha!

… lange Zeit nur nette Figuren zugebilligt hat, so gesehen ein Türöffner in ein breiteres Rollenspektrum sein?

Wer weiß? Wobei ich witzigerweise gerade noch ein weiteres Projekt habe, bei dem die Rolle noch viel, viel ambivalenter ist, das ist echt ein richtiger Bösewicht, ich war selbst überrascht, mit dem Lächeln so eine Chance zu bekommen.

Könnte es da einen Dominoeffekt geben?

Kommt drauf an, wie Betonrausch beim Publikum ankommt. Und da haben wir angesichts der Corona-Krise großes Glück gehabt, dass er auf Netflix läuft. Wir alle hoffen, dass die Kinos bald wieder öffnen, aber bis dahin helfen uns Streamingdienste enorm durch die schwere Zeit. Denn seien wir ehrlich: zusammen mit den Synchronfassungen wird dieser Film vermutlich von mehr Menschen gesehen als die meisten meiner Kinofilme zusammen.

Kein hoffnungsfrohes Argument für den Fortbestand des Mediums Kino…

Das stimmt leider, ja. Ist aber unabhängig von der Corona-Krise geschehen.

Was bedeutet die für Sie beruflich gerade?

Ich musste einen Dreh nach etwa einem Drittel unterbrechen, aber es wird mit Sicherheit weitergehen.

Und privat sitzen Sie zuhause in Berlin und warten auf die Lockerung des Lockdowns?

Zuhause ja, aber in Hamburg. Dort bin ich vor kurzem hingezogen und warte auf bessere Zeiten. Aber ehrlich: Ich als Schauspieler bin das Warten gewohnt. Das ist kein Vergleich zu Menschen, deren ganze Existenz auf dem Spiel steht. Und gerade ein Film wie Betonrausch zeigt, dass die Krise abgesehen von der gesundheitlichen und finanziellen Katastrophe uns auch etwas anderes zeigen kann. Ich glaube, in unserer überhitzten Zeit tut es vielen gut, mal die Stopp-Taste zu drücken und kurz wieder zur Besinnung zu kommen.

Wenn wieder Play gedrückt wird, entstehen vom RTL-Thriller über die Jagd nach dem Antivirus bis zur Arte-Serie über die Krise der Clubkultur sicher Hunderte von Pandemie-Fiktionen. In welcher würden Sie da gern mitmachen?

Spontan würde es mich wahrscheinlich reizen, einen Mann zu spielen, der in der Quarantäne wahnsinnig wird. Davon gibt es vermutlich grad viele.

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