Böhmermann, King & Kyle MacLachlan

Die Gebrauchtwoche

2. – 8. November

Was für ein gelungenes Bild: Donald Trump, sagte der Amerikanistik-Professor Christoph Ribbat am Samstag im Deutschlandradio, ist wie ein Serienkiller im Horrorfilm: wenn der Kinosaal gerade denkt, er sei endlich besiegt, schnellt seine Hand aus dem Moor. Das lassen wir mal so stehen als Fazit einer Wahlnacht, die sich zur Wahlwoche ausgewachsen hat, locker zum Wahlmonat anschwellen könnte und dabei nicht nur alle Welt, sondern ihre Medien bewegt, nein: schüttelt, alte Gewissheiten inklusive.

Die Ereignisse bei CNN – und ganz besonders dessen Anchor John King – zu verfolgen, war zwar wie immer ein journalistischer Hochgenuss und aus Sicht lückenloser Informationsversorgung unerreicht. Fox News dagegen hat sein (präsidentenhöriges) Publikum mit fast schon seriöser Berichterstattung überrascht und den scheidenden Amtsinhaber gegen sich aufgebracht. Beide blieben übrigens als einzige on air, als sich die Konkurrenz aus einer Rede geschaltet hat, in der Trump unbelegten Wahlbetrug insinuierte.

Nächste Überraschung: RTL. An der Seite seiner ntv-Kollegin Gesa Eberl ging News-Chef Peter Kloeppel Dienstagabend auf Sendung, verlor auch Mittwochmorgen nie die Sachlichkeit im Umgang mit dem Irrsinn und befand sich damit auf dem Niveau von ARZDF, das Jörg Schönenborns widerspenstiger Jackett-Ärmel im Ersten gelegentlich mal senkte, damit aber nicht halb so tief lag war wie Sat1. Der frühere Kohl-Sender berichtete erst um 6 Uhr – nein, nicht so richtig vom Wahlkampf, sondern Influencern auf Malle berichtete.

Lustig auch, wie der Bild-Kanal zum verbalen Boxring erregter Alphamänner wurde, die mit dem verblüffend ruhigen Julian Reichelt um den höchsten Testosteronspiegel stritten. Am lustigsten war aber Jan Böhmermann, dessen Neo Magazin Royal seit Freitag im Zweiten läuft, wo er zwischen heute-show und aspekte sein Talent zur investigativen Komödie beweisen konnte. Eins seiner Spaßobjekte: Michael Wendler, der sich auf Böhmermanns neuem Exklusivkanal Twitter aus dem Kreis intelligenter Wesen verabschiedet hatte – und eben dort nun Abbitte leistet, um bei RTL wieder Geld verdienen zu können, während rechtextreme Querdenker in Leipzig unbehelligt Medienleute verprügeln durften. Schöne neue Welt.

Die Frischwoche

9. – 15. November

Die Frischwoche gerät bei so viel medialer Bedeutsamkeit der gebrauchten fast naturgemäß zur Auflistung:

Montag belegt die ZDF-Komödie Das Unwort mit Iris Berben als Schulaufsicht in einem antisemitischen Streitfall, wie man bitterernste Themen geistreich unterhaltsam macht.

Das genaue Gegenteil zeigt dagegen Kriminalkommissar Nikolas Heldt Mittwoch an gleicher Stelle, wo es auch in Folge 100 auf kindische Art ulkig zugeht.

Parallel versucht sich das Nischenportal SYFY an einer unterhaltsamen Neuinterpretation von Buffy: Wynonna Earp jagt darin die untoten Opfer ihres Ururopas Wyatt.

Im Netflix-Drama Du hast das Leben noch vor dir feiert Sophia Loren tags drauf ihr Comeback als italienische Jüdin, die mithilfe eines Flüchtlingskindes ihre Dämonen besiegt.

Genau 30 Jahre nach Twin Peaks kehrt der wunderbare Agent Dale Cooper Kyle MacLachlan als Theodor D. Roosevelt in der Magenta-Serie Atlantic Crossing zurück,

Ab Freitag zeigt Sky Lovecraft Country über den strukturellen Rassismus der USA in den 50er Jahren auch auf Deutsch, macht die Serie also endlich mal verständlich.

Sonntag dann geht das Netflix-Biopic The Crown in die 4. Staffel mit Auftritt Lady Diana als Kronzeugin einer zusehends entfesselten Aufmerksamkeitsökonomie.

Zugleich geht die nächste ARD-Themenwoche los, deren Titel #wieleben ein bisschen unspezifisch klingt, aber natürlich vor allem auf Corona anspielt.

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