Trump-Turkey & Ökozid-Prozesse

Die Gebrauchtwoche

9. – 15. November

Und plötzlich war sie da, die Leere. Den Fernseher anzuschalten, und ntv serviert statt Wahlkampfnews wieder Zeitgeschichtshäppchen. ARD & ZDF berichteten nur noch in den Info-Formaten über Amerika. Selbst CNN, acht Tage lang 24/7 treuer Smartphone-Begleiter und in Gestalt des weinenden Kommentators Anthony Kapel van Jones, berichtet nicht mehr 25/7 über die USA im Bann des Regierungswechsels, sondern das andere Weltereignis, wie hieß es noch gleich?

Mit einem Mal also gab es anstelle des fettigen Trash-Futters für Trump-Junkies gehaltvolle Corona-Berichte. Wie gut, dass wenigstens die deutschen Querdenker für Rauschzustände sorgten und in Leipzig Medienleute beschimpft, gar verprügelt haben – was Innenminister Horst Seehofer bei seinem Blankoscheck für die passive Polizei vor Ort natürlich nicht weiter schlimm fand und sein sächsischer Amtskollege Wöller womöglich sogar so richtig gut.

Täten beide nicht im gesitteten Mitteleuropa Dienst an der Politik, sie würden sich wie ihr Geistesbruder wohl härterer Indoktrination zuwenden. Dem Wahnsinnspräsident im Weißen Haus jedenfalls ist der getreue Haus- und Hofhund Fox News ja längst zu journalistisch, also sozialistisch, weshalb er seine Tweets nun bei OANN und Newsmax füttert. Was ungefähr so ist, als würde Alice Weidel das neofaschistische Magazin Compact als Primärquelle durch altfaschistische Ausgaben des Stürmers aus Opas Keller ersetzen.

Wie zuletzt vor 30 Jahren ist Informationspolitik also wieder Kriegspolitik und umgekehrt. Dazu passt, zugegeben auf einer niedrigen Eskalationsstufe, auch die des ultrapopulistischen Profifußballdespoten Karl-Heinz Rummenigge, der unter Ausschluss von Presse und Öffentlichkeit 14 der 18 Erstligisten zum Geheimtreffen nach Frankfurt bat, um die Verteilung der TV-Gelder auszuhandelnd, wobei – Padautz – ausgerechnet jene vier Clubs außen vor blieben, die zart gegen Bayerns Tyrannei aufbegehren.

Na, vielleicht landen die Live-Spiele demnächst ja auch bei solventeren Partnern wie Netflix, das Anfang des Monats zurück in die Zukunft reiste: Während klassische Fernsehsender mehr und mehr zu Mediatheken werden, geht der Streamingdienst in Frankreich testweise linear auf Sendung.

Die Frischwoche

16. – 22. November

Ob dort ein Reality-Format wie Feuer in der Stimme läuft, bei dem der Popstar Pharrell Williams ab Freitag einen Gospelchor in seiner Heimatstadt castet, ist allerdings nicht belegt. Ansonsten aber halten sich die Portale mit Bemerkenswertem zurzeit seltsam zurück. Heute geht TV Now mit Stefan Raabs neuer, aber nicht von ihm, sondern Olaf Schubert und Ralf Möller moderierter Late Night Frisch geröstet online, weshalb es schon zu den Highlights zählt, dass Disney+ Die wahren Helden der Nation ab Freitag zum Spielfilm macht. In der Krimireihe Jeff Jackson, geht es tags zuvor auf 13thStreet schließlich um einen Ermittler in Küstennähe, der – chzepühhh…

Immerhin bietet die Online-Flaute Gelegenheit, mal das analoge Programm zu durchsuchen. Ab Mittwoch etwa leistet Cristina do Rego als Berlinerin Lucie der Vox-Serie Läuft doch! Sozialstunden in Brandenburg ab und entdeckt dort sehr unterhaltsam ihre Selbstlosigkeit. Auf konventionellere, also öffentlich-rechtliche Art kreativ ist zeitgleich der ARD-Film Ökozid, in dem Andres Veiel Deutschlands Versagen im Klimaschutz zu einem schmerzhaft guten Courtroom-Drama verdichtet, bei dem 31 Staaten die Bundesrepublik im Jahr 2034 für ihren Untergang verklagen.

Wie es dazu gekommen sein könnte, zeigt heute Abend ARD-Regisseur Philipp Grieß, der sich auf dem Forschungsschiff Polarstern monatelang auf Expedition Arktis begeben hat. Resultat ist ein bildgewaltiger, niederschmetternder Film über die Verletzlichkeit unseres Planeten. Da wäre das polnisch-französische Nachkriegsmelodram Cold War, parallel bei Arte, fast schon ein entspanntes Ersatzangebot, vergleichbar mit den Wiederholungen der Woche wie Fatih Akins Einwanderer-Psychogramm Solino (Donnerstag, 20.15 Uhr, RBB) von 2002. Und richtiggehend heiter ist der elf Jahre jüngere Tatort: Die Fette Hoppe (Mittwoch, 22.10 Uhr, MDR), dem Debüt von Tschirner/Ulmen als Dorn/Lessing.

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