Rückblick: Das Fernsehjahr 2020

Best- & worst-of Vintage TV

Serien, das ist die Erkenntnis des Fernsehjahrs 2020, waren nie wichtiger als im Seuchenjahr 2020. Mangels Alternative bestand die Unterhaltung nicht nur für Couch-Potatoes schließlich vorwiegend aus dem Angebot der Streaming-Portale und TV-Sender. Unter den prägendsten (wenn auch nicht unbedingt besten) Formaten finden sich daher natürlich auch horizontale Erzählungen. Bewegt haben aber auch Dokus, Filme, Reportagen, News. Manchmal sogar ein bisschen mehr als das neue Kino Serie.

Von Jan Freitag

1. ARZDF Extraspezial

Nachrichten sind ein alltägliches Geschäft, das selbst den Ausnahmefall versachlicht. Weil 2020 allerdings ein 365-tägiger Ausnahmefall war, hat die ARD im Anschluss der Tagesschau allein 73 Brennpunkte mit Corona-Fokus gebracht und das ZDF 60 Spezial genannte Sendungen. Bei aller Kritik an Verlautbarungsjournalismus, Redundanz und Panikmache: das war öffentlich-rechtliche Staatsvertragserfüllung in Bestform.

2. Tiger King, Netflix

Exzentrische Großkatzen-Halter mit bizarren Privatzoos, die Tierschützern Killer auf den Hals hetzen – wenn die Wirklichkeit auf Wahnsinn trifft und realistische True Crime am Rande des Denkbaren erschafft, war man 2020 garantiert bei der Netflix-Serie Tiger King. Acht Folgen lang hat sie Abermillionen Zuschauern in aller Welt dabei geholfen, den Lockdown besser zu ertragen und stand dafür wochenlang auf Platz 1.

3. Warten auf’n Bus, RBB

Entertainment setzt oft auf Spezialeffekte, Stars und Sensationen. Manchmal reicht aber auch ein offener Unterstand in der ostdeutschen Pampa, in dem herausragende Schauspieler wie Ronald Zehrfeld und Felix Kramer das Leben Langzeitarbeitsloser nach Oliver Bukowskis grandiosem Drehbuch zum Serienmanifest trotziger Beharrlichkeit adeln. Selten war so wenig so viel mehr als der aufgeblasene Rest.

4. Bridgerton, Netflix

Alle Sender aufgepasst: Historytainment mit Niveau ist möglich! Die Netflix-Serie Bridgerton handelt fast nur vom Heiraten in Londons Hochadel anno 1813 und überzuckert das saftige Kostümfest auch noch in dicken Pilcher-Farben. Süßstoff fürs Gemüt also. Da es Showrunner Chris van Dusen gelingt, den misogynen Snobismus nicht nur unterhaltsam, sondern sozialkritisch zu machen, aber auch fürs Gehirn.

5. Oktoberfest 1900, ARD

Dem Geschichtsschinken Oktoberfest 1900 dagegen sind Inhalte wie üblich im deutschen Reenactment völlig egal, solange die Kulisse glänzt. Das tut sie noch nicht mal, im pathetischen Kirmes-Krimi der ARD; schließlich geht es vor allem um Äußerlichkeiten. Aber die einen den opulenten Mehrteiler ja mit öffentlich-rechtlichem History-Mumpitz wie Unsere wunderbaren Jahre oder Club der singenden Metzger. Auweia.

6. Rechts.Deutsch.Radikal, ProSieben

Nein, Thilo Mischke ist beileibe nicht der beste Investigativ-Journalist im Fernsehland – dafür gibt sich der nette Pro7-Reporter schlicht zu naiv. Dass seine Doku Rechts.Deutsch.Radikal dennoch die wichtigste ihrer Art anno 2020 war, liegt daran, wie furchtlos, unvoreingenommen und doch haltungsstark sich der rehäugige Frontberichterstatter unter Demokratiefeinde von Querdenker bis Neonazis gemischt hat.

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