Rückblick 2: Das Fernsehjahr 2020

Best- & Worst-of Vintage TV 2

Serien, das ist die Erkenntnis des Fernsehjahrs 2020, waren nie wichtiger als im Seuchenjahr 2020. Mangels Alternative bestand die Unterhaltung nicht nur für Couch-Potatoes schließlich vorwiegend aus dem Angebot der Streaming-Portale und TV-Sender. Unter den prägendsten (wenn auch nicht unbedingt besten) Formaten finden sich daher natürlich auch horizontale Erzählungen. Bewegt haben aber auch Dokus, Filme, Reportagen, News. Manchmal sogar ein bisschen mehr als das neue Kino Serie. Zweiter Teil der Retrospektive.

Von Jan Freitag

7. Unorthodox, Netflix

Dass eine Jüdin nach, nicht aus Deutschland flieht, ist ja schon mal bemerkenswert. Weil der Netflix-Vierteiler Unorthodox die Flucht von Esthy Shapira, literarisches Pendant der real existierenden Bestseller-Autorin Deborah Feldman, aus dem Gefängnis ihrer chassidischen Gemeinschaft in New York so unbefangen schildert, dass alle Beteiligen darin Opfer ihrer Konventionen sind, erhielt Maria Schrader dafür fast zwangsläufig den Emmy.

8. Das Unwort, ZDF

Über Antisemitismus zu lachen, ist im Land der Shoah (völlig zu Recht) schwierig. Es sei denn, die israelaffine Iris Berben sorgt dafür in der hinreißenden, bitterblösen ZDF-Tragikomödie Das Unwort, wo sie eine Schulrätin im Streit um judenfeindliche Schüler, deren Opfer und die Eltern aller spielt. Toll war der Film aber auch, weil er nur einer von vier Spätwerken war, die das Fernsehen Iris Berben zum 70. Geburtstag schenkte.

9. Nuhr im Ersten, ARD

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, lautet ein rechtspopulistisches Mantra der Querdenkerstunde – also auch jenes von Dieter Nuhr. Kein Comedian, der – pardon – Mainstreammedien – schießt seine Pointen schließlich beherzter auf Grüne, Frauen, political correctness. Und keiner beklagt dabei kläglicher, dafür kritisiert zu werden. So wurde Nuhr im Ersten – ob gewollt oder nicht – zur satirischen ARD-Zweigstelle der AfD.

10. Fox News Sunday, Fox News

Klar, CNN und NBC sind seriösere Stimmen des US-Journalismus, während QANN oder Fox News in der Regel bloß Donald Trumps Speichel lecken. Aber wie das seriöse Fox-Feigenblatt Chris Wallace den US-Präsidenten beim Sommerinterview an einem heißen Julisonntag grillte, wie er nachhakte, bloßstellte, in aller Seelenruhe sperrfeuerte, war auch wegen der fanatischen Voreingenommenheit seines Senders das politische Streitgespräch des Jahres.  

11. Fritzi, ZDF

Was wahre Siege wert sind, hängt immer auch von der Startposition ab. Als das ZDF ausgerechnet Tanja Wedhorn zur krebskranken Hauptfigur der Dramaserie Fritzi machte, ging die chronisch unterforderte Telenovela-Prinzessin aus der für Feuilletonverhältnisse allerletzten Startreihe ins Rennen – und machte aus dem Familienmelodram dennoch ein leichtfüßiges Manifest der Beharrlichkeit, das nicht nur in der Publikumsgunst weit vorn lag.

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