US-Putsch & DDR-Charité

Die Gebrauchtwoche

4. – 10. Januar

Unter den Bildern aus Washington, die seit Mittwoch alle Welt verstören, war eins besonders spektakulär, aber seltsam unterrepräsentiert: der Berg erbeuteter Kameras und Mikrofone, auf dem Donald Trumps Putschisten vorm Kapitol herumgetrampelt sind. Jene Patrioten also, die den 1. Verfassungszusatz (Meinungsfreiheit) im Pulverdampf des 2. (Waffenbesitz) vernichtet haben. Mit welcher Wut ringsum auch deutsche Reporter attackiert wurden, dürfte daher zum fatalsten Erbe dieser Präsidentschaft werden.

Dass Facebook dessen Account kurz– und Twitter langfristig sperren, dass Reddit, Snapchat, Discord, Twitch, selbst Spoftify nachziehen und dem dunklen Lord demnach bald nur noch das Darknet dient, ist angesichts der permanenten Aufrufe zum Umsturz seit zwei Monaten zwar folgerichtig, aber zu spät. Und weil er seine Fanatiker dort seither allenfalls vom Zusatz ergänzt, seine verlogenen Tweets würden diskutiert, bis zum Blutrausch manipulieren konnte, treibt sie der Wirrkopf im Weißen Haus am Ende auch nur radikaleren Meinungsfabriken wie OANN und Parlor zu. CNN dagegen konnte – anders als die ARD, der viele vorwerfen, fürs „Kapitolverbrechen“ (Süddeutsche) das Abendprogramm nicht unterbrochen zu haben – sein Profil als Notreserve journalistischer Anteilnahme weiter schärfen.

Dennoch ist die Pressefreiheit selbst in Demokratien längst so unter Beschuss, dass sich Despoten von Putin über Erdogan bis Xi Jinping genüsslich die blutigen Hände reiben. Dazu passt, dass ein englisches Gericht die Auslieferung von Julian Assange kurz vor der amerikanischen Katastrophe aus medizinischen, nicht juristischen Gründen abgelehnt hatte. Und das, wo ihm in den USA wegen seiner Arbeit als Journalist 150 Jahre Haft drohen. Es war also ein denkwürdiger Arbeitsauftakt von Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber, der am Montag mit Turner-Kreuz und Schwiegersohn-Lächeln in die Hauptnachrichten wechselte.

Das rückt einen etwas anderen Wechsel zu Recht in den Hintergrund: die unterhaltsame Collien Ulmen-Fernandes verkauft einen Teil ihrer Seele und checkt (ohne finanzielle Not) auf dem Traumschiff ein, während sich RTL nach einem wenig überraschenden Corona-KZ-Vergleich von Michael Wendler trennt, genauer: seinem Bild bei DSDS. Vorgedrehte Passagen mit ihm werden nun gepixelt. Und nur der Vollständigkeit halber: Ferdinand von Schirachs ARD-Experiment Feinde erzielte vor acht Tagen gut zehn Millionen Zuschauer auf elf Sendern.

Die Frischwoche

11. – 17. Januar

Nicht ganz so frisch, aber wegen der Freitagsmontagpause nachzureichen: Magenta TV macht den Mythos den Rom-Gründers Romulus zum Objekt einer altlateinischen Politthrillerserie. In der ZDF-Mediathek ist noch die Langzeit-Doku Höllental übers ungeklärte Verschwinden von Peggy Knobloch vor 20 Jahren zu empfehlen. Und auf SyFy läuft die 4. Staffel der wundervollen Cowboyzombiejägerin Wynonna Earp.

Irgendwie untot ist auch das Prinzip Charité. Wenn morgen die 3 Staffel startet, geht es wieder um ein medizinisches Fantasiemädchen im Kreis männlicher Realkoryphäen. Weil es diesmal von der wunderbaren Nina Gummich gespielt wird, übersehen wir mal die billigen Klischees über böse Kommunisten am Vorabend des Mauerbaus. Mit Emma Thompson als britische Populisten der digitalen Nahzukunftsvision Years and Years könnte die Neo-Serie ab Donnerstag toll sein; dummerweise wurde es von Deutschen synchronisiert. Und das ist fast so furchtbar wie der bescheuerte RTL-Einfall, das Dschungelcamp 2021 ab Freitag als Casting fürs Dschungelcamp 2022 downzugraden.

Anything else? Heute startet bei Prime Video die 3. Staffel des Superhelden-Coming-of-Age-Unsinns Young Gods und Mittwoch bei Disney+ Elizabeth Olsens Sitcom Wand Vision, während Cobra Kai auf Netflix in die 4. Staffel geht. Sonntag beginnt bei 13th Street der skandinavische Krimiachtteiler Verdacht/Mord, abends zuvor geht Kommissarin Heller im ZDF letztmals auf Mörderjagd. Und zum Schluss zwei Filmtipps: Mittwoch um 20.15 Uhr zeigt Arte das Nachkriegsdrama Die Unschuldigen um ein polnisches Kloster, in dem die rote Armee wütet. Und der norwegische Oscar-Kandidat Thelma über eine Frau mit Epilepsie wurde leider ins Spätprogramm (23.30 Uhr) des WDR am Donnerstag abgeschoben.

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