Verschwörungsgeschwurbel & Investigation
Posted: January 25, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a comment
Die Gebrauchtwoche
18. – 24. Januar
Nein, man sollte die Namen der Feinde von Demokratie, Realität, Logik und allem, was soziales Miteinander sonst operabel macht, nicht ständig aussprechen. Da jede Art von Aufmerksamkeit Wasser auf die Mühlen ihrer Wahrheitsverachtung ist, sollte niemand über sie reden, schreiben, singen. Konsequentes Ignorieren all der Xaviers, Alices und Atillas hat demnach nichts mit Ignoranz, sondern gesundem Menschenverstand zu tun. Schon richtig.
Aber dass Ken Jebsen von YouTube gesperrt wurde, ist einfach zu schön, um unerwähnt zu bleiben. Allerdings muss die Frage erlaubt sein: Warum jetzt? Warum Jahre, nachdem der selbstverliebte Verschwörungsschwurbler massenhaft Leichtgläubige in die Fundamentalopposition gegen nahezu alles von Sinn und Verstand getrieben hat? Soziale Medien gleich welcher Art zeigen gerade, wie wenig ihnen an wahrer Liberalität gelegen ist und wie viel an Verwertungsketten…
Und die beherzigt kein reaktionäres Sprachrohr mehr als Fox News. Nach zehnwöchiger Besinnungsphase im Zuge der endgültigen Entlarvung ihres abgewählten Quotenbringers, entlässt es 20 Journalisten und ersetzt sie in der Primetime vor acht durch Meinungsrüpel der Marken Hanity bis Ingraham. Damit reagiert Rupert Murdochs Schlachtplatte auf die massive Zuschauerwanderung zu OANN und Newsmax, knickt also vorm Gezeter rechts der Republikaner ein.
Dem ebenso schrillen, aber unpolitischen Boulevard hat Günther Jauch derweil eins ausgewischt und seinen Prozess gegen Bauer gewonnen. Es ging um Clickbaiting mit Bildern des Moderators, die mit der Kampagne aber mal gar nichts zu tun hatten. Guter Nachrichten auch von ProSiebenSat1 Media SE. 2020 hat sie trotz (oder wegen) Corona bei einem Vorsteuergewinn von 700 Millionen Euro gut 4 Milliarden Umsatz erzielt – und das explizit wieder mit ihrem Kerngeschäft, dem Fernsehen.
Die Frischwoche
25. – 31. Januar
Darin sorgt allerdings nur der erste Sender im Portfolio für Qualität – etwa mit Joko Winterscheidts erfolgreichem Quizmaster-Casting Wer stiehlt mir die Show?, die morgen kein Geringerer als Thomas Gottschalk fortsetzt. Beim Privatkonkurrenten RTL ist währenddessen nur bemerkenswert, dass Simon Böer ab Freitag Hendrik Duryn als Der Lehrer ersetzt. Was ein bisschen schade ist, weil dessen Pädagoge Stefan Vollmer glaubhafter war als die meisten Fernsehkollegen zuvor. Seine Rückkehr feiert demgegenüber Wolfgang Stumph am Samstag als Stubbe. So sieht also die Zukunft des ZDF aus…
Und damit zu wirklich ernstgemeinter Programmplanung: Ab Donnerstag arbeitet TV Now den erstaunlichen Mord der schwedischen Journalistin Kim Wall auf dem U-Boot eines dänischen Tüftlers vor vier Jahren auf. Der Sechsteiler The Investigation schafft es nun, die Klärung dieser bestialischen Tat in einer sehenswerten Real-Crime-Fiktion ohne Täter, ohne Opfer, aber mit unbeirrbaren Polizisten und Angehörigen aufzuarbeiten.
Am Mittwoch setzt Netflix seine Reihe ästhetisch anspruchsvoller Serien wie Azizlar und Bir Başkadır aus der Türkei mit dem Thriller 50m2 fort, wo ein verwaister Auftragskiller seine Herkunft im Unterschlupf einer winzigen Istanbuler Wohnung herausfindet. Auf mehr Gefühl als schwarzen Humor und Bandengewalt setzt die ARD. Hier lädt der gesettelte ESC-Sänger Max Mutzke am Dienstag (22.55 Uhr) Promis zum musikalischen Zwiegespräch über ihre Lebenslieder.
Am Sonntag läuft dort zur ähnlich bigotten Sendezeit um 23.35 Uhr Stephen Frears federleichtes Beziehungsdrama State of the Union nach einem Buch von Nick Hornby. Der Mittwochsfilm Ruhe! Hier stirbt Lothar ist dann aber auch aus deutscher Produktion wieder auf unterhaltsame Art heiter – und schafft es, mit Jens Harzer als vermeintlicher Krebspatient, einen Hauptdarsteller jenseits der üblichen TV-Stars zu besetzen.