Neubauers Maaßen & Winslets Mare
Posted: May 17, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
10. – 16. Mai
Also nee, also wirklich, also ehrlich – für Armin Laschet, das wissen wir seit Luisa Neubauers Schnellfeuerattacke gegen sein innerparteiliches Problemkind Hans-Georg Maaßen bei Anne Will am Sonntag voriger Woche, ist es so weit okay, dass der rechtsradikale Exverfassungsschützer mit Hetzjagdexpertise zwar „rassistische, identitäre und wissenschaftsleugnerische Inhalte“ verbreiten half, aber antisemitisch – neinneinnein, das gehe nun aber wirklich noch weiter als die Kritik des Tagesspiegels an #allesdichtmachen, für das sich die Zeitung allen Ernstes entschuldigen musste.
Ungeachtet der Tatsache, dass Maaßens Agenda der AfD näher ist als seiner offiziell eigenen Partei, abgesehen auch vom Umstand, dass sich Neubauers Vorwürfe leicht erhärten lassen, und obendrein beiseitegelassen, dass Anne Will kurz darauf einen Tweet dazu löschen ließ, von dem niemand so recht weiß, was drinstand: die Mediendebatte war nicht nur drollig; während der frisch entflammte israelisch-palästinensische Konflikt aus 80 Millionen Bundestrainern 80 Millionen Nahost-Experten machte, erstickte sie auch den allgegenwärtigen Kuschelkurs mit Annalena Baerbock.
Die wird ja plötzlich sogar für Boris Palmers Kuschelkurs mit Hans-Georg Maaßen verantwortlich gemacht. Womöglich wäre der grünen Kanzlerkandidatin also nicht mal mehr bei ProSieben applaudiert worden, wo Linda Zervakis und Louis Klamroth drei Wochen nach der Plauderei von Katrin Bauerfeind und Tilo Mischke am Mittwoch den sozialdemokratischen, nicht lachen: Kanzlerkandidaten Olaf Scholz eingekeilt haben. So viel Journalismus beim Entertainmentkanal, der immer noch ein Wahrnehmungsproblem hat.
Sonst hätte die beispiellose #MeToo-Aktion Joko und Klaas LIVE – Männerwelten nicht den Grimme-Preis für Unterhaltung, sondern Information erhalten, wo sie hingehört. RTL übrigens ging bei der Verkündung wie so oft leer aus. Und dessen neueste Spielshow Murmel Mania, bei dem die Privatfernsehfossile Marijke Amado, Harry Wijnvoord und Ingolf Lück seit Dienstag Glaskugeln rollen wie 1955 auf dem Schulhof, dürfte daran 2022 nichts ändern. Topquoten gab es dafür trotzdem.
Die Frischwoche
17. – 23. Mai
Also das Gegenteil dessen, was die Free-TV-Premiere von Nora Fingscheidts Systemsprenger heute Abend im ZDF erzielen dürfte. Das öffentlich-rechtliche Kernpublikum 95+ schaut um 20.15 Uhr halt lieber drollige Tierdokus wie Der kleine Held vom Hamsterrad, parallel im Ersten, als Filme über ungehorsame Kinder. Richtig abgehen dürfte dagegen die Quote des Primetime-Ausflugs vom Großstadtrevier am Mittwoch und natürlich tags drauf der nächste Reiseinsatz deutscher Kommissare, diesmal im Masuren-Krimi mit Claudia Eisinger und Sebastian Hülk als Exil-Cops in Polen.
Ansonsten aber bleibt Belgien der heißeste Tatort. Am Freitag zeigt Neo alle acht Folgen der hochinteressanten Raubzug-Serie The Bank Hackers am Stück, Sonntag begrüßt das Erste dann die Nachwuchskommissarin Sophie Cross zur dreiteiligen Tätersuche. Und damit ist aber auch gut mit linearer Kriminalität. Die gestreamte ist nämlich hundertmal besser. Zumindest im Fall der Sky-Serie Mare of Easttown. Ab Freitag mag Kate Winslet als Vorstadt-Detective zwar sieben Teile lang Frauenmorde aufklären; das Gesellschaftsporträt dahinter jedoch stellt deutsche Krimis so in den Schatten, als herrschte hier dunkelste Nacht.
Der Rest daher in Kürze: morgen schon versinkt Staffel 2 des Politdramas City on a Hill mit Kevin Bacon noch tiefer im Sumpf von Boston. Mittwoch erklärt uns Apple+ 1971 – Das Jahr, in dem Musik alles veränderte, ab Freitag erleben wir P!NK im Konzertfilm All I Know, auf Amazon-Prime. Und wem das alles zu realistisch ist, könnte sich parallel dazu auf Netflix Army of the Dead ansehen, wo Zombies Bankräuber sind. Vermutlich realistischer als der Masuren-Krimi.