Maurice Summen, Buben im Pelz, St. Vincent

Maurice Summen

Es ist Zeit, Maurice Summen Dankeschön zu sagen. Dankeschön für dein wunderbares Label Staatsakt, das progressiver Popmusik aus Deutschland seit langem ein traurig schönes Schaufenster bietet. Danke für deine Hausband Die Türen, deine Radioshow Die Sendung, all den Einsatz für hintersinnige Nischenkultur also, der du seit zwei Jahrzehnten Beine machst. Zugegeben, am Anfang einer Kritik so lobzuhudeln, klingt leicht ranschmeißerisch, muss aber sein. Denn für den Einstieg in dein neues Soloalbum gibt es nur zwei Worte: Fick dich!

Denn so hintersinnig Summens rockelektronischer Eklektizismus durch Paypalpop schimmert: wie er seine Kreativität hier immer und immer und immer wieder mit Autotune verkleistert, ist nicht originell, ist nicht interessant, ist schon ganz und gar nicht ironisch, sondern einfach nur Bullshit. Vor allem aber beraubt es der anderen Hälfte dieser vielfältigen Platte ihrer diskursiven Wucht und sorgt bei seiner eigenen Altersgruppe für etwas fast schon verwerfliches: sich greisenhaft zu fühlen. Trotzdem schönes Album. Trotzdem scheiße.

Maurice Summen – Paypalpop (Staatsakt)

Die Buben im Pelz

Was soll man machen – Prinzipien reiten? Korinthen kacken? Sich selbst verleugnen? Wer langsam mal die Goschen voll hat vom ewigen Zufluss österreichischer Popkulturerretter*innen, wer also auch mal scheiße finden will, was aus Wien, Graz, dem Burgenland unablässig über die Alpen nordwärts rauscht, fände bei den Buben im Pelz gute Angriffsflächen für ein wenig Austrophobie. Knarzige Schweinegitarren, gepaart mit Reval-ohne-Gesang und einem Bandnamen aus dem Hitparadeneck der NDW – alles objektiv eher Wolfgang Ambros als Bilderbuch. Aber genug gemeckert.

Denn das neue Album der sechsköpfigen Retrorockband vom Naschmarkt mag gelegentlich klingen wie besoffene Fußballfans im Bierzelt; dass Alexander Hacke ersichtlich an Geisterbahn mitgearbeitet hat, ist auch nicht ganz zu leugnen. Dank ihm stürzen ständig akustische Neubauten über den Krautflächen ein und bohren so vielgestaltig industrielle Löcher in den Wiener Schmäh, bis sich selbst das totgenudelte Bella Ciao anhört, als käme es aus dem Wutzentrum der Kapitalismuskritik.

Die Buben im Pelz – Geisterbahn (Noise Appeal Records)

Hype der Woche

St. Vincent

Wenn jemand klingt wie ein Hybrid aus Tori Amos und Lady Gaga, kann er, besser: sie nicht so viel verkehrt gemacht haben. Wobei: Dass Annie Clark alias St. Vincent überhaupt mal irgendwas falsch machen könnte, klingt ja ohnehin abwegig. Seit ihrem Debüt vor 14 Jahren hat sie Grammys verschiedenster Kategorien ergattert, bei Nirvana Kurt Cobain ersetzt, David Byrnes Horizont erweitert und vier weitere Platten aufgenommen, die Gefälligkeit struppig definieren wie kaum je ein Popstar zuvor. Jetzt also Daddy’s Home (Loma Vista). 14 Stücke, 14 Heimorgelreiseberichte. Das virile Pay Your Way in Pain fährt gleich zu Beginn nach Minneapolis, um dort mit Prince zu flirten. Das cremige Somebody Like Me klingt später wie ein Karibik-Urlaub in Detroit. Jeder Track tingelt sommerlich beschwingt durch die Orchestergräben, nimmt hier mal eine Marimba mit, dort einen Moog und vernäht alles zu melodramatisch-fröhlichen Netzwerken wie den funkig verschwitzten Titelsong, den St. Vincent zum schlechteren Verständnis scheinbar durch Quark gezogen hat. Wackelpuddingpop. Lecker.

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