Bruchs Feixen & Denzels Sohn
Posted: August 9, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
2. – 8. August
Am Freitag ist es offenbar so weit: Dann schluckt der drollige Unterhaltungssender RTL ganz offiziell den honorigen Presseverlag Gruner + Jahr. Komische Vorstellung. Als würde ein Kind seine Eltern adoptieren oder Hunde ihr Herrchen aus dem Tierheim holen. Weil die Fusion Synergie-Hoffnungen renditeorientierter Medienmanager folgt, fürchten Brancheninsider kaum zu Unrecht massiven Personalabbau auf beiden Seiten.
Bertelsmann-CEO Rabe mit dem urdeutschen Vorstandsstandardvornamen Thomas nennt das Fusionsergebnis zwar ein „journalistisches Powerhouse mit der Inhalte-Kompetenz von mehr als 1500 Journalistinnen und Journalisten“. Deren Seriosität allerdings dürfte schon deshalb gehörig leiden, weil künftig der Ballermann-Kanal und seine rotzfrechen Töchter die Tonlage vorgeben – um den Streamingdiensten Paroli zu bieten, aber auch der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz, die endlich mal positive Nachrichten und dann auch noch in eigener Sache verkünden durfte.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Erhöhung der Rundfunkgebühr um lausige 86 Cent nicht nur für rechtens, sondern zwingend geboten erklärt, und die Blockadehaltung der sachsen-anhaltinischen, also maximal rechtspopulistischen CDU im gleichen Atemzug für illegal. Zeit also, das Einstimmigkeitsprinzip der Bundesländer zu überarbeiten, damit Landesregierungen künftig nicht wieder Wahlkampf zu Lasten der Pressefreiheit betreiben.
Umso mehr sollte sich die Milliarden-Empfängerin ARD vielleicht mal dazu durchringen, sich offen von Volker Bruch zu distanzieren. Gut drei Monate nach seiner Schmutzkampagne #allesdichtmachen hat der Verschwörungsmystiker, im Nebenberuf Schauspieler, nämlich längst alle Distanz zum rechten Rand abgelegt und zeigte sich feixend mit dem Querdenker Anselm Lenz und dessen demokratiefeindlicher Propagandapostille Demokratischer Widerstand. Zeit also, die Sky-Serie Babylon Berlin, an der Bruch gerade arbeitet, zu boykottieren.
Zuschauerboykotte standen auch angesichts der Olympischen Spiele im Raum, die das IOC gegen jede (epidemiologische, nicht kapitalistische) Vernunft in Tokio durchboxte. Am Ende waren es aber auch ohne Publikum inspirierende 17 Tage – deren Übertragung bei ARD und ZDF der Rechteinhaber Discovery angesichts der miserablen Einschaltquoten bei Eurosport 2024 womöglich nochmals überdenken könnte…
Die Frischwoche
9. – 15. August
Nun also, nach zwei Wochen sportlicher Druckbetankung, wieder zurück zum televisionären Normalbetrieb. Wobei Normalbetrieb einerseits bedeutet, dass die 1. Bundesliga am Freitag bei der Neuauflage von ran Sat1 Fußball mit dem Klassiker Gladbach-Bayern auf den Bildschirm zurückkehrt. Andererseits gibt es nur vergleichsweise wenig neue Streamingformate von Belang. Die Familienserie Heels jedenfalls, die ab Sonntag bei Starzplay im amerikanischen Wrestler-Milieu spielt, ist jedenfalls eher Durchschnitt.
Originellere Unterhaltung liefert hingegen das paranoide Action-Drama Beckett. Denzel Washingtons Sohn John David einen Griechenland-Touristen zeigt, der in ein politisches Komplott verwickelt, das ihn im Laufe von anderthalb Stunden ab Freitag zu einer Art Bruce Willis im Hostel-Modus für Hitchcock-Fans bluten lässt, also von Verfolgungsjagd zu Verfolgungsjagd ein bisschen mehr versehrt.
RTL zeigt uns zeitgleich mit der dümmlichen Tiershow Top Dog Germany oder drei Tage zuvor in Gestalt der zynischen Kuppel-Sause Schwiegertochter gesucht, worüber die G+J-Zeitschriften von Brigitte bis Stern bald positiv zu berichten genötigt sein könnten. Da kann man eine Rom-Com wie Mich hat keiner gefragt (Donnerstag, 20.15 Uhr, ZDF) in der Maike Droste die feministische Mutter einer konservativen Tochter spielt, fast schon wieder loben.