Baerbocks Winnetou & Tschirners Antwort
Posted: August 30, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
23. – 29. August
Was in diesem Fall aber nicht an den Moderatoren lag. Gut, Pinar Atalay und Peter Kloeppel haben der Grundhaltung ihres Arbeitgebers gemäß Olaf Scholz Sonntagabend über 109 Minuten hinweg dreimal so oft unterbrochen wie Armin Laschet und den Unionskandidaten auch sonst öfter ungeschoren gelassen (was sie allerdings mit ARD-Chefredakteur Oliver Köhr gemeinsam hatten, der seinen Sommergast Markus Söder kurz zuvor mit jeder Sozialismus-Polemik davonkommen ließ). Ansonsten war ihr Auftritt maximal souverän.
Damit haben sie sich minimal von der Anschlussanalyse unter Leitung von, kein Witz: Regenbogen-Reporterin Frauke Ludowig, unterschieden. Während die Schwarze Tanz-Jurorin Motsi Mabuse voll auf Seiten Baerbocks war, schlug sich der weiße Millionär Günther Jauch noch viel voller auf die von Armin Laschet, derweil beide mit Micky Beisenherz (Moderator), Louisa Dellert (Influencerin), Nikolaus Blome (Salon-Zyniker) beherzt auf Scholz eindroschen. Überhaupt – Blome: einst neoliberalkonservative Kampfsau der Bild, bei RTL durchaus präsidial im Ton.
Das passt perfekt zur Seriositätsoffensive der Privatsender. Nach einer Woche verblüffend gehaltvoller Interviews mit klarer Kante gegen alles links der FDP, fiel die Kritik an Bild TV nach einer Sendewoche da eher durchwachsen aus. Was ProSiebenSat1 mit abgekauftem ARZDF-Personal auf die Beine stellt, steht indes noch aus. RTL extra dagegen scheitert bislang furios am eigenen Anspruch, dem zurückgebliebenen ARZDF-Personal auch nur im Abspann Konkurrenz zu machen. Mit Pensionären wie Jan Hofer…
Apropos: während Schauspieler*innen wie Benedict Cumberbatch oder Suzanne von Borsody den Gender Pay Gap kritisieren, kritisiert Dieter Hallervorden lieber das Gendern. Damit befindet er sich in Gesellschaft grauer Alpharüden wie Heiner Lauterbach, die mit der Moderne ja grundsätzlich fremdeln – und das übrigens auch dürfen. Schließlich ist es ein Privileg des Alters, an der Vergangenheit zu hängen.
Die Frischwoche
30. August – 5. September
Das Privileg Todgeweihter hingegen ist es, der Welt alle Sympathie zu entziehen. Kida Khodr Ramadans Krebs-im-Endstadium-Patient Nabil murrt sich Dienstagabend deshalb sehr glaubhaft durch die erste Viertelstunde des ARD-Dramas In Berlin wächst kein Orangenbaum, bevor sein Regiedebüt den Tonfall wechselt. Denn zurück in Freiheit lernt der Polizistenmörder seine 17-jährige Tochter kennen und mit ihr die Lebensfreude. Das ist zwar nicht frei von Klischees, aber sehr real anrührend.
Zum Glück gilt das nicht für The Handmaid’s Tale, die am Donnerstag bei Magenta TV in die 4. Staffel geht. Zu absurd ist die misogyne Dystopie, zu verstörend, aber eben auch unverdrossen brillant. Das sagen Krimi-Fans ebenfalls über den britischen Vierteiler Guilt um einen innerfamiliären Todesfall mit Folgen, zeitgleich (22 Uhr) bei Arte. Für Comedy-Fans empfehlenswert ist zwei Tage zuvor Only Murders in the Building auf Disney+ von und mit dem unverwüstlichen Steve Martin um drei New Yorker True-Crime-Fans, die zehn Folgen lang plötzlich Real-Crime erleben.
Am Sonnabend sucht Nora Tschirner im Arte-Infotainment Die Antwort auf fast alles von Wissenschaft über Kultur bis Tralala, seit Douglas Adams bekanntlich die 42. Und am Abend zuvor startet der sehr sympathische Ralf Schmitz bei Sat1 sogenannte Paar Wars, die ein bisschen an Linda de Mol bei der 100.000-Mark-Show erinnern. Neo zeigt dienstags ab 23.45 Uhr die queere Comedy The Drag on Us, Starzplay sonntags die RomComSerie Live Life. Und dann steuern wir fast schon aufs nächste Triell zu, also Entertainment, das wir mit Armin Laschets Bitte beenden, er wolle von Olaf Scholz nur drei Worte hören: „Nicht mit der Linken.“