Weidels Lindner & Yardims SaFahri
Posted: September 6, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
30. August – 5. September
Vor der Fernsehdebatte ist nach der Fernsehdebatte ist in der Fernsehdebatte ist drei Wochen vor der Bundestagswahl Fernsehdauerdebatte. Nachdem es beim RTL-Triell nur einen Sieger, besser: eine Siegerin gab, nämlich die sehr souveräne Pinar Atalay, wandert der Fernsehdebattenzirkus weiter zur ARD-Wahlarena, heute mit Annalena Baerbock, Dienstag mit Olaf Scholz, am 15. dann – also weit näher am Stichtag – mit Armin Laschet, der dafür am Donnerstag parallel zur Sat1-Schulimitationsgaudi Kannste Kanzleramt im ZDF Klartext reden soll und dabei von allerlei Talkshows zum selben Thema umrahmt werden.
Dieses politische Sperrfeuer kann durchaus hochinteressant werden wie Christian Sievers’ Sechserdebatte im ZDF, bei der sich die Spitzenkräfte aller prozentuell aussichtsreichen Parteien zuletzt deutlich lebendiger gezankt hatten als ihre Kanzlerkandidat*innen zuvor. Wobei auffiel, wie oft Christian Lindner und Alice Weidel einer Meinung waren. Einer Meinung war offenbar auch der Bertelsmann-Vorstand und Leitung von CEO Thomas Rabe, der grad Verblüffendes verkündete: die künftige RTL-Führung nämlich besteht aus Stephan Schäfer und Matthias Dang aus dem Hause des neuen Lovers Gruner + Jahr.
Das allein ist wenig überraschend; beide haben die Verlagshierarchien von Grund auf durchlaufen. Interessanter ist da schon ihr mutierter Chromosomensatz. „Der Kahlschlag beim Führungspersonal“, klagt ein offener Brief von ProQute Medien angesichts der neuen, alten Männermacht on top, „betraf bei RTL vor allem Frauen“. Es sei absurd, „dass Medien diverser gemacht werden müssen“, führen die Kritikerinnen fort, und hier „passiert im wahrscheinlich bald größten journalistischen Unternehmen Deutschlands das Gegenteil“. Da drängt sich also der Verdacht auf, die geplanten 100 Millionen Euro Einsparungen nach der Zusammenlegung ab 1. Januar könnte mehrheitlich Frauen betreffen.
Manchmal und wirklich nur in Momenten zynischer Entgleisung klänge es fast schon wünschenswert, die Erde wäre ein Raumschiff, das auf der Rückreise von Exoplaneten versehentlich außerirdische Monster transportiert, die nach und nach das männliche Personal dezimieren, bis ihm die letzte Frau an Bord den Garaus macht. Klingt schwer nach Alien, ist also Science-Fiction, verdient ab Freitag aber neue Beachtung.
Die Frischwoche
6. – 12. September
Dann nämlich zeigt Sky seine Eigenproduktion Memory, in der die bemerkenswerte Entstehungsgeschichte des für viele vielleicht besten Zukunft-Thrillers aller Zeiten dokumentiert. Nie zuvor und selten danach wurde futuristische Klaustrophobie erschreckender inszeniert als 1977 von Ridley Scott. Neueren Datums und daher mit mehr Digitaleffekten als Kulissenschieberei funktioniert das Spin-off der American Horror Story im Plural, also Stories, ab Mittwoch bei Disney+.
Irritierend realistisch und doch artifiziell ist SaFahri. Rätselfüchse erkennen womöglich schon am Titel, wen Sky da ab Donnerstag auf eine Expedition zu den vier Elementen im Zeichen von Umweltzerstörung und Klimawandels schickt. Na? Genau: Fahri Yardim. Weil der nun mal eher Ulknudel als Forscher ist, aber sehr schlagfertig staunen kann, ist der Vierteiler zwar eher drollig als lehrreich. Aber vielleicht werden so ja ein paar Querdenker auf die Abbiegespur von Verstand und Fakten umgeleitet. Vielleicht glotzen sie aber doch auch bloß Giovanni Zarella in seiner gleichnamigen Volksschlagersause, Premiere Samstag im ZDF, wer weiß.
Für vernunftbegabtere Zuschauer ohne Geschmack läuft dort Montag und Dienstag das Mafia-Drama Im Netz der Camorra mit Tobias Moretti. Leider badet Regisseur Andreas Prochaska den Zweiteiler so pathetisch in Konventionen, dass selbst in Actionszenen die Füße einschlafen. Ganz anders ein Achtteiler für vernunftbegabtere Zuschauer mit Geschmack beim Ableger Neo: In Trigonometry vermischt die BBC eine maximal diverse Dreier-WG zur Menage à Trois, die allerhand über unsere Gesellschaft erzählt.
Weil Netflix die Pressefreiheit eher weniger wertschätzt und Fernsehkritiker*innen nach Gutsherrenart, also sehr willkürlich, mit Ansichtsmaterial füttert, sollte man dessen Formate eigentlich ignorieren, aber der deutsche Actionthriller PREY mit David Kross und Hanno Koffler ab Freitag ist eh nicht weiter der Rede wert.