Lauterbachs Auftritte & Vernes Comeback
Posted: December 20, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
13. – 19. Dezember
Rechte Propaganda hat’s auch nicht leicht. Kaum, dass Russia Today am Donnerstag erstmals live aus der Scholz- aka Merkel-Diktatur lü…, sorry: berichten konnte, hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg ein Verfahren gegen RT angeordnet, weil Putins publizistische Pitbulls ohne Lizenz auf Sendung waren. In den USA ist der rechten Propaganda parallel dazu der allerletzte Journalist abhandengekommen. Nach 18 Jahren im Dienst Rupert Murdochs wechselt Chris Wallace von Fox zu CNN und komplettiert damit den ethischen Aderlass bei Trumps größter Fanbase. Zuvor wurde schon dem Politikredakteur Chris Stirewalt wegen unbotmäßiger Wahrheitsliebe gekündigt, nachdem Donna Brazile und Juan Williams vom reaktionären Kurs entnervt 2019 noch freiwillig abgedankt hatten.
Gefährlicher fürs plurale Miteinander ist aber ohnehin nicht mehr das lineare Fernsehen, sondern disruptive Messengerdienste wie Telegram, wo gerade zum Mord an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer aufrufen konnte – offen, ungestraft, bis das ZDF die Arbeit der Geheimdienste übernahm und aufklärte, wie der als querdenkende Impfgegner getarnte Mob die Demokratie sprengen will. Kein Wunder, dass er seriöse Medien verachtet und einen Großteil seiner Tätigen gern dort sähe, wo sich laut Reporter ohne Grenzen weltweit 488 Kolleg*innen befinden: im Knast.
In der Talkshow, sorry für die taktlose Überleitung, saß bis zum Amtseid dagegen ständig der neue Gesundheitsminister. Anne Will, Frank Plasberg und Maybrit Illner hatten 2021 nach Meedia-Berechnungen in 108 Sendungen exakt 373 Gäste. Mit 29 Auftritten aber war Karl Lauterbach schon deshalb spitze, weil es in 63 Sitzungen um Corona ging, aber nur viermal ums Klima. Da Lauterbauch obendrein elfmal bei Lanz saß, summiert sich die Zahl seiner Besuche übrigens auf 40. Würde die European Alliance aus ZDF, RAI und France Télévisions ein Biopic über den SPD-Politiker machen, es könnte also In 80 Tagen durch die Talkshows heißen.
Die Frischwoche
20. – 26. Dezember
Vorerst aber hat die Produktionsgemeinschaft In 80 Tagen um die Welt erneuert, wobei „erneuert“ bedeutet, dass Jules Vernes Abenteuerstoff nostalgisch nach 19. Jahrhundert aussieht, aber ein Personal im Stil des laufenden hat. An der Seite des snobistischen Globetrotters Phileas Fogg (David Tennant) befinden sich nämlich ein Schwarzer Passepartout und die Deutschen Leonie Benesch als Reporterin. Nicht nur darum kann sich die Serie ab morgen im Zweiten sehenlassen.
Zum Weglaufen wird ab Donnerstag Sex Zimmer, Küche, Bad – und zwar nicht nur, weil der Titel so beschert ist, sondern absolut alles am achtteiligen Young-Adult-Müll um fünf Münchner Millennials auf der Suche nach einer Mitbewohnerin. Ein Young-Adult-Format mit WG-Fokus von einer billigen Berechenbarkeit, als sollten die Macher einen Werbespot für Intimpiercings machen. Unterhaltsamer scheint da eine Katastrophenkomödie zu sein, die Netflix Heiligabend zeigt. In Don’t Look Up ruft Leo DiCaprio vergeblich in die Wüste, dass ein Meteorit naht.
Vorm norwegischen Remake des tschechischen Klassikers Drei Haselnüsse für Aschenbrödel mit mehr Tricks als Magie sollte man ab heute auf Amazon dagegen eher Angst als Vorfreude haben, während ein anderes Remake Hoffnung macht: die saumselige Sixties-Fiktion Wunderbare Jahre erlebt ab Mittwoch bei Disney+ ein diverses Comeback mit Schwarzer statt Weißer Familie. Auf dem Traumschiff dagegen sind Schwarze seit 40 Jahren nur servile Accessoires arischer Südseeurlauber. Zum Jubiläumstörn am Sonntag wünschen wir dennoch gute Fahrt, empfehlen aber doch das heutige Kontrastprogramm Glitzer und Staub, ein kleines Fernsehspiel über amerikanische Rodeo-Reiterinnen.