ÄTNA, Warmduscher, Confidence Man

ÄTNA

Wäre M.I.A. nicht sehr lebendig, man könnte meinen: der lipstickfeministische Antistar ist zurück, dieser migrationshintergründige Sturm, der den Mainstream digitaler Tanzmusik mit triphoppigem Cockney-Trashpop verwirbelte. ÄTNA allerdings klingen zwar sehr wie die Londoner Stilikone, sind aber aus Dresden und werden von dort aus eher eskapistisch als sozialkritisch, aber maximal schweißtreibend den Dancefloor erobern, sobald er sich wieder füllen darf.

Inéz und Demian jedenfalls dürften die Sogwirkung dorthin noch verstärken. Was sie auf ihrer zweiten Platte produzieren, verleiht dem Titel schließlich Flügel: Push Life. Mehr noch als beim Debüt 2020 wühlt ihr ekklektischer Electroclash zwischen vulgär und debil im Discofundus, sprengt mit narzisstischer Verspieltheit die Grenzen des politisch Unkorrekten und liefert damit das perfekte Album für die Monate zwischen zwei Lockdowns. Darauf einen Hummer im Gucci-Fummel.

ÄTNAPush Life (Humming Records)

Warmduscher

Warmduscher klingt zunächst behaglich. Als der Begriff in postheroischer Zeit aufkam, bezeichnete er schließlich Menschen, die lieber kuscheln als eisbaden. Wenn eine Band Warmduscher heißt, kann das in postpostheroischer Zeit also nur ironisch sein – obwohl sie aus London kommt und womöglich gar nicht weiß, was Warmduscher eigentlich heißt. Dann aber sieht, vor allem: hört man das Sextett mit Namen wie Lightnin’ Jack Everett oder Mr. Salt Fingers Lovecraft und spürt, Ironie ist hier keine Kategorie.

Warmduscher sehen aus wie Gigolos im Trailerpark und machen eine Art Shoegazer-Darkwave, als hocke Peter Gabriel in einem Schrank verbrannter Karnevalskostüme. Wenn Warmduscher ihren Postpunk mit Garagenfunk mischen, klingt das entsprechend nach Bigband im Abflussrohr – wobei Strophen wie “Hot Shot, King of the streets / aint sleeping for days / Live wire, dripping with attitude / nothing to prove” nahelegen, dass es ihnen dort ziemlich gut geht. Und uns beim Hören damit sogar noch viel, viel besser.

Warmduscher – Live at the Hotspot (Bella Union)

Confidence Man

Wo wir grad beim Überwältigungspotenzial schrägen Glamours sind: Confidence Man ist zurück im Strobonebel, und wer nach dem präpandemischen Debütalbum von 2018 glaubte, four to the floor könne unmöglich voller auf die Zwölf hauen, sieht sich dank Tilt getäuscht: dem polytoxikoman metrosexuell teilverhülltem Discoquartett aus Brisbane ist abermals kein Stil zu heilig für ihren Mash-up aus allem, was schillert, scheppert, geschmacksverstärkerwürzt.

Und so klingen die zwölf neuen Stücke von Janet, Sugar, Reggie und Clarence abermals nach renoviertem Eurodance für die Generation Dauerkrise. Mit Busshittexten in Bullshitkostümen zu Bullshitchorälen über Bullshitrhythmen voller Bullshitsamples und Bullshitynths scheißen Confidence Man auf jedes Gejammer über die Verhältnisse und eröffnen den Dancefloor für vorbehaltloses Abgehen. Snap meets Kylie meets Lady Gaga meets Barbie Girl und alle zusammen so all the boys say all the girls say uhhh? Leider geil!

Confidence Man – Tilt (Heavenly Recordings!)

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