Erdmöbel, Alex Izenberg, Drens

Erdmöbel

Männliche Boomer unterliegen einer Reihe von Vorurteilen, und nicht alle sind fair. Sie, so heißt es unter Spätgeborenen, seien selbstgefällig, selbstreferenziell, selbstgenügsam und noch so einiges mehr mit “selbst” davor. Wenn vier Fünfziger- bis Sechzigerjahrgänge mit dem morbiden Bandnamen “Erdmöbel” seit 1993 gemeinsam musizieren, müsste das Kreisen ums Ego also eigentlich toxische Form annehmen und irgendwie eklig werden. Wird es aber nicht. Im Gegenteil.

Auf ihrer 13. Platte Guten Morgen, Ragazzi reisen die vier Kölner selbstbewusst, aber bescheiden durch den nostalgischen Klangkosmos. Wenn Markus Berges mit Atari-Kopfstimme Nichts ist nur irgendwas singt und verschlafene Bläser dazu durch den Offbeat einer kleinen Popsinfonie schwirren, die sich nicht mal für ölige Gitarrensoli zu schade ist, lugt die Zukunft durchs Geschichtsbewusstsein. Keines der zehn Stücke klingt da nach kohortenypischer Angst vorm Privilegienverlust, sondern im Gegenteil: neugierig, aufgeschlossen, auf retrospektive Art futuristisch.

Erdmöbel – Guten Morgen, Ragazzi (jippie! industrie)

Alex Izenberg

Schwer zu sagen, welcher Jahrgangskohorte Alex Izenberg. entspringt. Angesichts seines Karrierestarts vor sechs Jahren aber dürfte es eine viel jüngere sein. Das ist bei der Bewertung seiner dritten Platte wichtig – scheint sie doch einer betagten, fast schon greisen Seele zu entspringen, gramgebeugt und kampfgeschunden. I’m Not Here heißt sie und wühlt mit melancholischer Sam-Genders-Stimme so genüsslich im Fundus tradierter Klänge wie Erdmöbel.

Das kann allerdings nur oberflächlich darüber hinwegtäuschen, wie viele Wunden sich der Solo-Künstler aus L.A. mithilfe seiner fröhlichen Melange leckt. Textlich die pure Schmerztherapie, ist der Zehnteiler musikalisch von fast schon orchestraler Verspieltheit. Midwest-Country spielt da hinein, Westcoast-Pop, Eastcoast-Cool, ein bisschen Southern Soul – Izenberg begibt sich auf eine tour d’america, die gleichsam Spaß und nachdenklich macht.

Alex Izenberg – I’m Not Here (Domino)

Drens

Und damit, als Abschluss zum Abklingen, etwas komplett anderes, das Melancholie, Schmerz und Drama kaum ferner sein könnte: Drens, vier Dortmunder, die sich der Bandlegende nach an einem der Ruhrpott-Büdchen versammelt haben, um den beginnenden Blues einer perspektivlosen Großstadtjugend in Grund und Boden zu stampfen. Surfpunk aus der Asphaltwüste – klappt auf dem Debütalbum Holy Demon schon mal ganz gut.

Mit hoch gepitchtem Fuzz-Geschrammel im Flanell der frühen Neunziger machen die weißen Ghettokids keine Kompromisse. Eins-zwei-drei-four to the floor. Viel Tempo, volle Möhre. Was Holy Demon originell macht, ist da ein komischer Wave-Groove im Garagensound, leicht verpeilte Bass-Läufe, ein paar Cramps-Avancen an dystopische Abseiten des Punkrock, Choräle ohne Parolengepöbel. Aufgerauter Gitarrenopop für Saufästheten.

Drens – Holy Demon (Glitterhouse)

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