Randnotizen & Technohäuser
Posted: July 25, 2022 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwochen
4. – 24. Juli
Das Sommerloch, dieser wochenlange Daueraugenblick ereignisloser Langeweile, gehört bekanntlich – selbst Ressortleiterinnen und Chefredakteure meinen: leider – der Vergangenheit an. Aktuell sorgen Pandemie, Krieg, Inflation für jahreszeitenuntypische Aufregung, die Klimakatastrophe, Finanzkrisen, Rechtspopulismus schon länger befeuern. Umso schöner, wenn es auch Randnotizen noch in den Fokus einer überhitzten Medienlandschaft schaffen. Wobei Randnotizen da Auslegungssache sind.
Ob Elon Musks Rückzug vom Twitter-Kauf dereinst unter „war was?“ firmiert oder die Zeitläufte verändert, dürfte bald Heerscharen überbezahlter Wirtschaftsanwälte beschäftigen, hält den selbstvernarrten Mobilitätsmilliardär jedoch verlässlich im Fokus. Genau dorthin folglich, wo Dieter Bohlen zuhause ist, der deshalb (zweimalig) DSDS moderieren soll, bevor es (nicht er )in Rente geht – heim zu RTL also, das derweil eine lausige Kopie von Wetten, dass…? mit dem fürchterlichen Guido Cantz erst lanciert, dann kassiert hatte.
Saisonale Banalitäten halt, zu denen eigentlich auch der Tod von Dieter Wedel zählen sollte, wäre der frühere Großmogul des hiesigen Fernsehmehrteilers nicht im Zuge von #MeToo als sexueller Gewalttäter eines frauenfeindlichen Ausbeutungssystems enttarnt worden. Mitten ins Sommerloch gehört dagegen der Streit ums schlüpfrige Bierzeltgegröle Layla, mit dem Ikke Hüftgold den Nerv der Tugendwächter reizt und sich dafür sogar in der ZEIT rechtfertigen durfte.
Auf dem Titelblatt der liberalkonservativen NZZ war zugleich ein drollig verfremdetes Meme mit Wladolf Putin in Regenbogenfarben zu sehen, wofür ihr das russische Regime reflexhaft mit Konsequenzen drohte. Hunde die beißen, bellen halt, während Unterhaltungskonzerne die bellen, irgendwann auch streamen – wie sich nun auch am Beispiel Paramount zeigt, der sein Online-Angebot mit Plus dahinter im Dezember nach Deutschland holt, während Magenta TV ankündigt, keine Serien mehr zu produzieren. Schade eigentlich.
Die Frischwoche
25. – 31. Juli
So schade, wie den Sendestart folgender Formate urlaubsbedingt unterschlagen zu haben: Die Schüsse von München etwa, eine herausragende Sky-Aufarbeitung vom rechtsextremen Anschlag aufs OEZ in München, den CSU und Polizei fast sechs Jahre lang als unpolitische Einzeltätertat verharmlost haben. Empfehlenswert auch die achtteilige Horrorkomödie The Baby, seit Donnerstag ebenfalls auf Sky zu sehen, wo das achtteilige italienische Gefängnisdrama Il Re läuft.
Und damit zu ein paar Neuigkeiten der Woche, denen wir Eckart von Hirschhausens gesendete Apotheken Umschau Einfach besser leben! ab heute werktäglich im ARD-Nachmittagsprogramm eher chronistenpflichtig hinzufügen. Weniger geriatrisch wird es dagegen trotz historisierendem Ansatz ab Freitag in der ARD-Mediathek, wo der HR acht Teile lang das Techno House Deutschland erkundet, also Wurzeln, Wiege, Gegenwart der elektronischen Musik im Land der Stockhausens und Kraftwerke.
Parallel dazu bedient sich Apple TV+ des cineastischen Taschenspielertricks Amnesie, um seinen Psychothriller Surface schlüssig zu machen, derweil dort die kulleräugige Amber Brown als Scheidungskind zur Kinderserienfigur wird und Amazon Prime das beliebte Mystery-Comic Paper Girls in Serie adaptiert. Noch erwähnenswerter: der deutsche Sechsteiler Liberame mit Friedrich Mücke und Ina Weisse, die Flüchtlinge ab Samstag in der ZDF-Mediathek aus Seenot retten und dafür in die Mühlen einer rassistischen Justiz geraten.
Tags drauf startet dann noch die groß angekündigte Fortsetzung der einstmals revolutionären Serie Queer as Folk bei Starzplay, nachdem die noch viel größer angekündigte Agentensause The Gray Man mit Ryan Gosling ab Mittwoch bei Netflix eher was für männliche Menschen ist, die sich auch im postheroischen Zeitalter noch an ebenso unverwundbaren wie schlagfertigen Superhelden ohne Superkräfte ergötzen können.