Prechts Schlägerei & Branaghs Johnson

Die Gebrauchtwoche

TV

26. September – 2. Oktober

Das Wortspiel ist älter als der Barte des Propheten, aber immer, wenn irgendwas bei gleicher Zusammensetzung irgendwie umbenannt wird, sagt irgendwer garantiert, und Raider heiße jetzt Twix. Mehr Querverweise in die Zeit, als der deutsche Schokoriegel globalisiert wurde, gibt es allerdings nicht durch die Umbenennung von Starzplay ins weltweit bekannte Lionsgate+, das Unternehmen hinter der Videoplattform, die andernorts wiederum unter Starz bekannter ist, vor 27 Jahren in Kanada gegründet wurde und damit 13 Jahre jünger ist als zwei Kinder der Raider-Epoche, die grad 40. Geburtstag feiern.

Im Herbst 1982 feierten nämlich zwei Serien Fernsehpremiere, die unterschiedlicher kaum sein könnten und einander dennoch bedingt haben: Knight Rider und Pumuckl, bedingungsloser Technikglaube hier, fortschrittsmüde Nostalgie dort. Und dass letzterer gerade ein Remake erhält, während erster schon durch die Teilnahme David Hasselhoffs längst absurder ist als der drolligste Kobold, zeigt ein bisschen, wohin die Reise im Angesicht von Krieg und Klimawandel gesellschaftlich gerade geht.

Die Sehnsucht nach dem Gestern ist so stark am Bildschirm, dass viele Zuschauer*innen sich erschüttert abwenden von der Realität – allerdings nicht aus Gründen, die Richard David Precht mit Harald Welzer in seiner philosophischen Wirtshausschlägerei Die Macht der Massenmedien insinuiert, sondern weil die Wucht der Dauerkrisen für viele nur mit Eskapismus erträglich geworden ist. Talkshows wie die, in der Markus Lanz vorigen Mittwoch mit dem Verfasser kollidierte, sehen viele von denen schon lange nicht mehr.

Der Rest konnte am Mittwoch live erleben, wie sich Precht beim ähnlich wohlfrisierten Moderator bitterlich beklagte, dass Presse-Organe links vom rechten Rand seine populistisch anschlussfähige Medienschelte nicht ebenso abfeiern wie die AfD und vermutlich auch das Kampfblatt des Springer-Chefs, über den das hauseigene Wirtschaftsportal Business Insider Ulkiges veröffentlichte: Mails des deutschen Trumpeters Mathias Döpfner nämlich, in denen er Elon Musk schon Anfang des Jahres riet, Twitter zu kaufen.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

3. – 9. Oktober

Schöne neue Alphatierwelt, der ein ausgesprochen narzisstisches Exemplar abhandengekommen ist, aber nun als Biopic-Figur zurückkehrt: Boris Johnson. In der Sky-Serie This England spielt kein geringerer als Kenneth Branagh ab Donnerstag den frisch ersetzten Premierminister, und zwar als betriebsblinde Knalltüte, deren Zögern zu Beginn der Corona-Pandemie (nicht nur) aus Sicht von Showrunner Michael Winterbottom Tausende von Menschenleben und Abermilliarden Pfund gekostet haben könnte.

So bitter das reale Resultat war, so unterhaltsam ist das fiktive – und ähnelt damit Andrew Dominiks Biopic Blond mit der Spanierin Ana de Armas als Marilyn Monroe, seit kurzem bei Netflix. Auch sonst steht die Woche im Zeichen beeindruckender Frauen. In der deutsche-schwedischen Neo-Serie Lea – The Fighter zum Beispiel wird ab Freitag eine Boxerin skizziert. Im Sky-Remake Kung Fu wird der legendäre Siebzigerjahre-Shaolin David Carradine ab Sonntag durch eine Kämpferin ersetzt. Parallel dazu feiert Maria Furtwängler den 30 Tatort-Einsatz als Charlotte Lindholm in 20 Jahren.

Tags zuvor dominiert Liv Lisa Fries (mehr als ihr querdenkender Kollege VOLKer Bruch) an gleicher Stelle auch die vierte Staffel von Babylon Berlin der wilden Zwanziger bis Dreißigerjahre (in denen heute Abend auch der schale ARD-Zweiteiler Das weiße Haus am Rhein spielt). Im achtteiligen Mystery-Thriller Himmelstal geraten Zwillingsschwestern (Josefin Asplund) ab morgen auf One in ein psychiatrisches Experiment. Und selbst die 13. (angeblich letzte) Staffel Walking Death wird ab heute bei Disney+ eher weiblich als männlich dominiert.

Aus diesem Geschlechterschema fallen nur zwei Neustarts heraus: Die Anthology-Serie The Resort verhandelt ab Freitag bei Peacock/Sky auf mystische Art Eheprobleme im Ferienparadies. Parallel dazu startet der Grusel-Spezialist Mike Flanagan sein drittes Netflix-Format mit dem sagenhaft dämlich übersetzten Titel Gänsehaut um Mitternacht, eine Art Club der roten Bänder im Spukhaus.

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