Trumps Gezwitscher & Davids Network

Die Gebrauchtwoche

TV

24. – 30. Oktober

So, nach Lage der Dinge gehört Twitter seit Freitag dem reichsten Mann des Universums und wird in Echtzeit zur Plattform für narzisstische Demokratieverächter wie Donald Trump, denen der narzisstische Demokratieverächter Elon Musk die Schranken zur Hölle öffnet. Noch ist @realdonaldtrump zwar gesperrt, aber der Account des Chief Twit dürfte bald die Öffnung ankündigen und als Beitrag zur Debattenkultur verkaufen. Einige Populist*innen hartrechts der Mitte durften ihre gesperrten Twitter-Konten jedenfalls schon wieder voll pesten.

Jan Böhmermanns investigatives ZDF Magazin Royal hat fast zeitgleich als geheim eingestufte Ermittlungsakten zum NSU-Prozess, die das hessische Innenministerium für mindestens 30 (anfangs gar 120) Jahre unter Verschluss halten wollte, abgetippt und unter bundesverfassungsschutzschutz veröffentlicht. Der Inhalt scheint zwar alles andere als aufregend zu sein; die Tatsache allein allerdings könnte für neue Diskussionen um Wohl und Wehe geleakter Geheimnisse sorgen, die zuletzt ja auch das öffentlich-rechtliche Selbstbedienungssystem ins Wanken gebracht haben.

Nachdem Sabine Rossbach von der Antikorruptionsbeauftragten ihres – äh – eigenen Hauses vom Vorwurf der Begünstigung freigesprochen wurde, darf sich die Landesfunkhausdirektorin des NDR Hamburg auf einen Ruhestand in Saus und Braus einstellen. Frisch publizierte Zahlen nämlich zeigen, mit welch grotesken Summen staatsvertraglich garantierte Fernsehanstalten ihr Spitzenpersonal selbst dann versorgen, falls sie nur einen Tag in leitender Position waren. Erschaffen wurde hierzu ein System namens Ruhegeld, das bis zur Rente läuft.

Für Susann Lange, Juristische Direktorin des neofeudalistischen RBB, wären da satte 195.000 Euro jährlich plus 8,3 Prozent „variabler Vergütung“ drin gewesen, und zwar ungeachtet ihrer Bezüge aus anderer Tätigkeit. So fürstlich haben übrigens sämtliche Funkhäuser bis auf den klitzekleinen SR ihre Führungskräfte versorgt – auch wenn riesengroße wie der SWR oder BR diese Praxis gerade auslaufen lassen. Es lebt sich gut, im Unruhestand gebührenfinanzierter Altenteile.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

31. Oktober – 6. November

Angesichts dieser Selbstbereicherungsnetzwerke könnte man glatt denken, Ze Network wäre bereits eine Echtzeitverfilmung des ARD-Skandals. In der Agententhriller-Persiflage bastelt sich RTL+ hingegen ab Dienstag ein postkaltes Kriegsgeflecht, in dem David Hasselhoff als David Hasselhoff landet, um mit Henry Hübchen als Henry Hübchen selbstironischen Radau zu machen. Das wäre sogar ganz drollig gewesen, hätte Christian Alvert – dessen Tatort-Attrappen dank Til Schweiger eher unfreiwillig komisch sind – seinen US-Star nicht synchronisiert.

Dass er Deutsch spricht, nimmt der Serie jeden, wirklich jeden Anflug von Esprit und lenkt alle Aufmerksamkeit dieser Woche auf andere Erstausstrahlungen. Helsinki-Syndrome zum Beispiel. Im finnischen Achtteiler nimmt Vikings-Star Peter Franzén eine Zeitungsredaktion als Geiseln, um die wahren Hintergründe der Finanzspekulationskrise vor 30 Jahren herauszufinden. Und das räumt nicht nur mit diversen Klischees übers polare Land auf, sondern ist ab Donnerstag bei Arte auf fesselnde Art tiefgründig.

Beides gilt mit ein paar Abstrichen für Musik und Effekthascherei auch für den Real-Crime-Dreiteiler Das Mädchen in der Kiste, womit Sky parallel dazu einen der spektakulärsten deutschen Kriminalfälle nachzeichnet: die Entführung und Ermordung von Ursula Herrmann 1981. Der ARD-Mittwochsfilm Kalt lässt zuvor einen Kita-Ausflug virtuos eskalieren, während die großartige Friederike Becht am Samstag (ZDF-Mediathek) im #MeToo-Drama So laut du kannst brilliert und Jennifer Lawrence ab Freitag in Causeway bei Apple+ eine posttraumatische Belastungsstörung verarbeitet.

Interessant klingt auch der Ansatz von Starzplay/Lionsgate, das opulente Neunzigerjahre-Kostümfest Gefährliche Liebschaften ab Sonntag in Serienform zu gießen. Und eher chronistenpflichtig: zugleich startet die ARD-Themenwoche 2022, diesmal zum Thema WIR, also das pflegliche Miteinander in Zeiten des wütenden Gegeneinanders. Richtig los geht der Schwerpunkt aber erst am Montag drauf.

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