CVC, Unknown Mortal Orchestra, Assistent

CVC

Nostalgie ist ein Wadenwickel. Sie wärmt uns in der Kälte dieser frostigen Zeit und weckt dabei wenigstens den Anschein, Heilung zu bringen. Meistens ist das pure Autosuggestion, wirkt aber besonders dann wahre Wunder, wenn man sie als Vertonung angeblich besserer Zeiten anlegt. Das walisische Church Village Collective, kurz CVC, hat demnach fast therapeutische Wirkung, wenn es Sixties und Crooner mit etwas Britpop und Progressive Rock zu einer zukunftsweisend rückwärtsgewandten Symphonie verdickt.

Alles eigentlich bisschen zu altbacken, alles eigentlich bisschen sämig, alles eigentlich bisschen maskulin für einen Boomer-Sound mit GenZ-Potenzial. Aber wie Sänger Francesco Orsi, Bassist Ben Thorne, Schlagzeuger Tom Fry, Keyboarder Naniel Jones mit den zwei Gitarristen David Bassey und Elliott Bradfield auf ihrem Debütalbum Get Real bei den Beatles oder Supertramp wildern, um Oasis im Kakao von We Are Scientists zu verrühren – das ist einfach ganz große, ja fast schon berauschende Retro-Kunst.

CVC – Get Real (Cargo Records)

Unknown Mortal Orchestra

Ungefähr im selben Referenzspektrum bedient sich seit zwölf Jahren auch das Unknown Mortal Orchestra im Fundus antiquierter Klänge, um sie gegenwartstauglich zu amalgamieren. Wobei Orchestra – das klingt wuchtig nach XL-Proberaum und rappelvoller Bühne, was rein arithmetisch Quatsch ist. Der Neuseeländer Ruban Nielson allerdings schafft es in der Tat, sein Trio zum Dutzend aufzublähen und das Repertoire von CVC nochmals zu erweitern. Um eine Prise seiner hawaiianischen Ursprünge etwa.

So gerät das 6. Album mit dem drolligen Titel V zur nostalgischen Klangkollage, die noch nicht mal allzu aufwändig aktualisiert wurde, weil es Nielsen darum gar nicht geht. Der gitarrensoloversessene Small-Big-Band-Leader schafft es einfach abermals, amerikanische Westcoast mit ozeanischer Eastcoast so zu vereinen, dass selbst Folklore urban klingt und Kreuzfahrtschiff-Piano clubtauglich. Kleines Orchester, großer Anspruch, gewaltiger Spaß, wie immer halt beim UMO

Unknown Mortal Orchestra – V (Jagjaguwar)

Der Assistent

Und damit zu jemandem, dessen Retrostyle schon als Sänger der Hamburger Avantgardepopper Fotos einer Seele zu entspringen schien, die offenbar bereits im Grundschulalter Ü-40 war und auf Solo-Pfaden entsprechend überreif daherkommt. Der Assistent, so nennt sich Tom Hessler jetzt ohne Band, sediert das Werk seiner früheren Tage so virtuos mit analogem Lo-Fi und einer Prise Laid Back, bis es fast schon Wienerische Wattebäuschigkeit vermittelt, also ein bisschen an Bilderbuch erinnert.

Allerdings, ohne sich anzubiedern. Dafür ist sein selbstbetiteltes Debütalbum einfach auf zu lässige Art elegant und schön. Vom ersten der acht karibisch angehauchten Tracks an sendet er wie im Opener Signale “eine Botschaft, die Trost schafft” nach der anderen, gefolgt von je einer “Nachricht, der Nachsicht”, was nur oberflächlich nach Wortspielerei klingt. Tatsächlich entspringt die Platte einer inneren Überzeugung vom heilsamen Drang der Reduktion, dass man darin versinken will – und glücklicherweise auch kann.

Der Assistent – Der Assistent (Papercup Records)

Advertisement


Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.