Dieters Eckhart & Rabbit Holes

Die Gebrauchtwoche

TV

20. – 26. März

Juden? Bruhahhaahh. Von der linksgrünversifften Wokeness-Brigade lässt sich die salonantisemitische Comedyhaubitze Lisa Eckhart doch nicht vom rechten Rand verdrängen, soweit kommt’s noch. Was sie der AfD allerdings am Freitag ins braune Poesiealbum gepöbelt hat, können wir leider nur erahnen. Da hieß Lisa Eckhart Milli Probst und durfte die Grenze des Sagbaren mal nicht bei Nuhr im Ersten sprengen, sondern ganz woanders und gleichsam ums Eck: bei Nuhr im Zweiten.

In seiner baugleichen Parodie nämlich hetzte – wer sonst – Jan Böhmermanns ZDF Magazin Royale fünf Klone von Dieter Nuhrs nationalliberaler Spaßbrigade auf Volksverrat von Feminismus übers Gendern bis hin zum Radfahren, und alle waren auf brutalstmögliche Art so authentisch, dass die schlimmste aller Pointen gar keiner bedurfte. „Wissen Sie, was ein Jude ist?“, fragt Milli aka Lisa also ins geifernde Publikum geistesgreise kostümierter Bild-Fans und nach einem Schnitt, der jede Interpretation offen lässt, lacht es Tränen.

Nach Robert Habecks lautstärktegedimmten Wutausbruch wider die eigene Koalition in den Tagesthemen zwei Tage zuvor, war es das Highlight der Fernsehwoche und damit sogar noch bemerkenswerter als, sagen wir: der angekündigte Rücktritt von Peter Urban als ewiger ESC-Moderator. Oder die Ankündigung des neuen Sportsenders Dyn, in vier Monaten das Fernsehen zu revolutionieren. Oder TikTok vorm Repräsentantenhaus.

Dort nämlich musste sich dessen Chef Shou Zi Chew gegen Vorwürfe à la Spionage, Phishing, Totalitarismus und Verbrechen wider die Jugend erwehren, und es zeigte sich auch jenseits der Tatsache, dass alle vier auf praktisch jedes soziale Netzwerk anwendbar sind: solche Shows bühnenreifer Hybris liefert nur die US-Politik. Da kann ab Samstag seit genau 60 Jahren selbst der deutsche Unterhaltungssender schlechthin nicht mithalten. Happy Birthday ZDF.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

27. März – 2. April

Das Programm des marktführenden Jubilars, passend zum 1. April: Die Show der Shows, ein (je nach Perspektive) Best- oder Worst-of von Dalli Dalli über 1, 2 oder 3 bis Wetten, dass…? und was halt so am Lagerfeuer der alten BRD zündelte. Der heutige Primetime-Film hingegen brennt im anderen Stammgehege, wenngleich Unbestechlich dort etwas beinahe Neues wagt: interne Ermittlungen, also innerhalb der Polizei, was in der Realität praktisch niemals Konsequenzen hat, als Krimi allerdings durchaus gehaltvoll ist.

Noch interessanter, weil gesellschaftlich relevanter scheint aber die Neo-Serie I Don’t Work here sein, ab Freitag vorab in der ZDF-Mediathek. Es geht darin um eine Patchwork-Familie im bundesdeutschen Vorstadtinferno, allerdings ohne erhobenen Zeigefinger, sondern Humor, der weder Schwarz noch Weiß ungeschoren lässt und dennoch Liebe für alle Beteiligten übrig hat. Hass gibt es demgegenüber in einer norwegischen Serie, in der es nur oberflächlich um Wölfe geht.

Bei Magenta machen die Bewohner eines Küstendorfes nämlich das scheue Waldtier fürs Verschwinden eines Jugendlichen verantwortlich. Dass die Wahrheit deutlich tiefer liegt, am Abgrund sozialer Konflikte aller Menschen vor Ort nämlich, macht Fenris ab heute sechs Teile lang bei Magenta TV extrem vielschichtig und spannend. Beides gilt zeitgleich noch ein bisschen mehr für die Paramount-Serie Rabbit Hole.

In dem nämlich steckt der New Yorker Wirtschaftsspion John Weir (Kiefger Sutherland), seit ihn die eigene Kindheit anfällig für Verschwörungsideologien gemacht hat. Nun scheinen sich viele davon zu bewahrheiten. Oder ist doch alles Realität? Wahn und Wahrheit virtuos miteinander ringen zu lassen – damit machen die Showrunner John Requa und Glenn Ficarra ihren Achtteiler zum aktuell überraschendsten Streamingformat 2023.

Das feministische SciFi-Experiment Die Gabe, ab Freitag bei Prime Video, oder der Fantasy-Horror Mayfair Witches, parallel bei Sky, haben’s da schwer, dieses Niveau zu halten, schaffen es aber einigermaßen. Umso mehr verweisen wir auf ein Stück Fernsehhistorie (heute, 22 Uhr, Arte) aus längst vergangener, sehr haltbarer Zeit: Wolfgang Petersens Die Konsequenz. Der BR hat sich 1977 aus der schwulen Erzählung geklinkt. Dieter Nuhr täte es heute wohl genauso oder würde AfD-kompatible Zoten darüber machen.

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