Takeshi’s Cashew, Deerhoof, A Certain Ratio

Takeshi’s Cashew

Wer in Erdkunde auch nur ein ab und zu mal zugehört hat, dürfte sich erinnern, dass Japan kein Bundesstaat Mexicos ist, Ostafrika nicht an der Küste Südamerikas liegt und Halle kein Stadtteil Wiens oder umgekehrt. Wer jetzt allerdings beim zweiten Album der österreich-deutschen Band Takeshi’s Cashew zuhört, könnte dies alles auch in Frage stellen. Das Instrumental-Sextett reist nämlich in jedem der elf Stücke von Asien über Arizona Richtung Fernost, sammelt dabei ergebnisoffen Sounds ein und verrührt sie zu einer Süßspeise von betörender Vielfalt.

Enter J’s Chamber heißt dieses Dessert, das aus dem Menü Hunderter Neuveröffentlichungen pro Woche heraussticht, ohne dafür das Rad des Pop neu zu erfinden. Auf filigrane Art beschwingt wie ihr Name, mischen Takeshi’s Cashew dafür Electrobeats jeder möglichen Herkunft mit Sitar, Flöten, Funkgitarre, kippen noch etwas psychedelischen Krautrock unter Dutzende von Percussions – fertig ist die retrofuturistische Partyzone einer Bühne am Rand großer Festivals, vor der sich alle Versprengten, Verirrten, Verlorenen zur Ekstase treffen. Versprochen!

Takeshi’s Cashew – Enter J’s Chamber (Laut & Luise)

Deerhoof

Dass der kalifornische Indierock von Deerhoof nach drei Jahrzehnten noch immer genau da zu finden ist, also abseits der großen Floors, Kanäle, Wahrnehmungsgrenzen, ist zwar eine Frechheit von epischem Ausmaß, hat aber natürlich auch ein bisschen damit zu tun, wie das Trio aus San Franzisko um den Schlagzeuger und Keyboarder Greg Saunier, nun ja: musiziert. Auf ihrem 19. Album Miracle-Level schreddern sie ihre International Pop Conspiracy schließlich abermals so brutal zum Noise, dass ein Tinnitus verglichen damit nach Belcanto klingt.

Weil Satomi Matsukakis japanisch-amerikanischer Gesang das jazzig verspielte Durcheinander mit luzider Schönheit überzuckert, vor allem aber, weil die verschobenen Riffs und Synths am Ende doch immer irgendwie zueinander finden, ist Deerhoof mit jeder neuen Platte ein frischerer Luftzug im Alternative-Rock. Und obwohl sich Vergleiche angesichts des Bandalters schlicht verbieten: Wenn sich Sonic Youth beim Hate-Sex auf Mescalin mit Madonna vermehren – so hinreißend durchgeknallt könnte das Baby brüllen.

Deerhoof – Miracle-Level (Cargo Records)

A Certain Ratio

Und damit zu einer Band, die sogar so lange existiert, dass der Titel ihres 13. Albums fünf Jahre jünger ist, zum Relikt der echten, also buchstäblichen Postpunk-Ära also, die seit 1977 ein Stück unterm Radar der Popkultur fliegen, aber Einflüsse versprüht haben wie andere Gruppen Titel mit “Love”. Davon finden sich im epischen Werk von A Certain Ratio gewiss auch ein paar. Zentraler ist aber ihr Anspruch, nahezu jeden feuilletonistisch pfiffigen Sound aufzulesen und einzuweben in ihr eklektisches Breitband-Œuvre.

Auf 1982 sind es folglich zu viele, um auch nur einige zu benennen. Mit kollaborativer Hilfe exquisiter Gäste wie Tony Quigley oder Ellen Beth Abdi haben Jez Kerr, Martin Moscrop und Donald Johnson ihren Avantgarde-Rock aus Manchester jedoch erneut so virtuos mit Funk, Jazz. Soul bis hin zu HipHop angereichert, dass die Veteranen jünger wirken als viele ihre Epigonen. Waiting on a Train zum Beispiel – als würde The Jam mit Sade und Kendrick Lamar rappen. Old goes young goes timeless goes immortal. Bitte hört niemals auf!

A Certain Radio – 1982 (PIAS)

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2 Comments on “Takeshi’s Cashew, Deerhoof, A Certain Ratio”

  1. Fyi – die Band ist ein Sextett & heisst Takeshi´s Cashew & nicht Takeshis Castle 😉


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