Robocop Kraus, Pearl & The Oysters, Silver Moth

The Robocop Kraus

Die Jahrtausendwende brachte 1999 zwar nicht das befürchtete Weltchaos, aber einen Wandel unerwarteter Art: Deutsche Musik wurde plötzlich alternative und damit cool. BeigeGT zum Beispiel brachten Funk in den Punk, Von Spar wiederum Punk in den Pop und Whirlpool Productions Pop in den House und alle fanden beim Hamburger Label L’Age D’Or ihre Formvollendung in einer Band aus der fränkischen Provinz, die schon dem Namen nach Hamburger Schule mit Weltgeltung verbindet: The Robocop Kraus.

Genau 20 Jahre nach ihrem Durchbruch und immerhin 16 seit der bislang letzten Platte kehren Sänger Thomas Lang und Gitarrist Matthias Wendl nun zurück, und was soll man sagen – auch in neuer Besetzung liefern sie ein Album, von dem sich Jüngere gern ein paar Sinfonien wie Young Man abschneiden dürften. Abermals Überwältigungspop à la Franz Ferdinand, klingt der orchestrale Sound nach folkloristischer Frischzellenkur für New Wave und Postpunk, im Uptempo durch die Vergangenheit der Zukunft entgegen. Toll.

The Robocop Kraus – Smile (Tapete Records)

Pearl & The Oysters

Die Vergangenheit in der Gegenwart des französischen Duos Pearl & The Oysters zu erkennen, ist dagegen sogar noch ein wenig einfacher, ohne auf der Hand zu liegen. Juliette Pearl Davis und Joachim Polack, privat wie musikalisch seit Studienzeiten in Paris ein Paar, machen jazzigen Space-Pop voller Avancen an die technicolorbunten Sixties, klingen dabei allerdings meist wie beim heutigen Clubbing in ihrer Wahlheimat L.A., wo ihnen eine Extraladung Electroclash ins Werk geflattert ist.

Unterstützt von Lætitia Sadier (Stereolab), Riley Geare (Unknown Mortal Orchestra) oder Alan Palomo (Neon Indian), ist ihr zweites Album Coast 2 Coast eine Collage antiquierter und modernisierter Lounge-Rhythmen, dass der Verdacht käsiger Coolness im Raum stünde – wären Polacks polyinstrumentellen Keyboad-Kaskaden über Davis Flattergesang nicht auf so chaotische Art harmonisch und schön. So schön durcheinander, dass es die reine Freude ist, mit Pearl & The Oysters zurück in die Zukunft zu reisen.

Pearl & The Oysters – Coast 2 Coast (Stones Throw Records)

Silver Moth

Weil bei aller Wertschätzung am Ende wenig langweiliger ist als Harmonie um ihrer selbst Willen, müssen wir hier noch mal kurz eine Lanze für deren Aufbruch brechen, den Versuch, Wohlklang mit den eigenen Mitteln zu schlagen, das also, was die Unknown Superband Silver Moth auf ihrem Debütalbum betreibt. Kombiniert aus Indie-Gruppen wie Mogwai, Abrasive Trees oder Burning House, scheppert sich das Septett sechs Stücke lang durchs psychedelische Flächen von gebirgshoher Wucht.

Wichtiger noch: es schreddert sie in einer Art Emo-Noise, der trotz esoterischer Folk-Sequenzen gar nicht so abgehoben klingt wie Elisabeth Elektras feenhaft verwehender Gesang. Mit einer wallofsoundbreiten Prise Pink Floyd mäandert Black Bay durch die Siebzigerjahre, macht ein paarmal bei Kraut- und Progressive Rock Halt, dickt es mit elegischer Spoken-Words-Poesie an, verheddert sich dabei allerdings nie im Drogenrausch melodramatischer Querflöten, sondern bleibt auf Kurs einer Platte, die tiefer dringen will als jede Harmonielehre.

Silver Moth – Black Bay (Bella Union)

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