Funkes Schumi & Krens Kobold
Posted: April 24, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen, Uncategorized |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
17. – 23. April
Was am Boulevard so absolut irre ist, sind gar nicht so sehr die Lügen, Rufmorde oder Kampagnen. Wirklich verrückt, also im Sinne von wahnsinnig, ist ihr Versuch, all dies sporadisch mit Seriosität zu verkleistern. Das absurdeste Manöver vollzog nur Tage nach Mathias Döpfners öliger Schubumkehr in Sachen Ossi-Hass und FDP-Liebe die Funke Mediengruppe. Am Samstag feuerte der Essener Konzern Anne Hoffmann, weil sie als Chefredakteurin der aktuelle ein KI-Interview mit Michael Schumacher aufs Titelblatt gehoben hatte.
Schon drollig: da verkaufen die Lügenbarone von Bauer– bis Jahreszeiten-Verlag ihrer leichtgläubigen Kundschaft wochein, wochaus ausnahmslos lieblos halluzinierten Unfug über Promis wie den verunglückten Rennfahrer. Und wenn sie den Betrug endlich mal kenntlich machen, fliegt die Verantwortliche raus? Das wäre fast, als hätte die Bild ihr neues Führungsduo Robert Schneider und Marion Horn für erste Schlagzeilen wie diese entlassen:
„Bundesgartenschau: Auftrittsverbot für Rentner mit Mexikaner-Hut“
„Naddel: Wieder Sozialhilfe“
Wie immer ist an keiner davon auch nur das geringste Fünkchen Wahrheit, aber es knallt halt, wie es bei der Bild zu knallen hat. Dass Mathias Döpfners geistig-ideologischer Zwilling Rupert Murdoch für Fake-News über den Wahlmaschinen-Hersteller Dominion 779 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen muss, fand hingegen – so unter Krähen – leider keinem Platz im Blatt. Auch das Desaster um kostenpflichtige Twitter-Haken von Döpfners Guru Elon Musk blieb offenbar unerwähnt.
Dafür gab es das übliche Bashing öffentlich-rechtlicher Medien auf der Titelseite, die ARD wolle „328 Millionen mehr Zwangsgebühr für Digital-Projekte“, womit die Redaktion aber mal alles durcheinanderbringt, was daran richtig sein könnte, aber egal: Boulevardjournalismus ist kein Bällebad, weshalb wir auf der Suche nach dem bildaffinsten Fernsehformat dieser Woche unwillkürlich bei Amazon Prime landen.
Die Frischwoche
24. – 30. April
Dort startet am Freitag eine Actionserie namens Citadel. Und an der ist wirklich alles testosterongesteuerter Bullshit, also passgenau für Döpfners springerhochhausgroße Prostata. Im sechsteiligen Spionage-Thriller erwachen zwei Unterwäschemodels nach acht Jahren aus einer Amnesie, retten gemeinsam die Welt, werden dutzendfach rückstandslos vermöbelt, sehen aber stets spitze aus und erreichen fiktional somit das intellektuelle Niveau Oliver Pochers, also immer noch doppelte Höhe vom Boulevard-Publikum.
Citadel ist also ungefähr so realistisch wie die Fantasy-Serie Sweet Tooth um fabelhafte Mischwesen einer postapokalyptischen Zukunft, bekennt sich anders als in der zweiten Staffel bei Netflix allerdings nicht dazu, surreal zu sein. Hyperreal ist hingegen die Miniserie Sam – Ein Sachse. In der deutsch-deutschen Mini-Serie erzählt Disney+ ab Mittwoch die spektakuläre Story von Samuel Njankouo Meffire nach, einst der erster Polizist dunkler Hautfarbe in Ostdeutschland und damit eine Art Kronzeuge von Döpfners wilder Rassisten- oder Kommunisten-These.
Parallel dazu startet die ARD-Mediathek das nächste kleine Meisterwerk von Marvin Kren, der anders als in 4 Blocks oder Freud auch mal humoristisch auf die Kacke hauen darf. Handlung? Ebenso schwer zu erklären wie ihr Titel Der weiße Kobold, aber irgendwas mit Drogen, Österreich, Ganoven und einem Frederick Lau in Bestform, also ähnlich sehenswert wie Poker Face, wenngleich auf ganz andere Art.
In der mystischen Sky-Serie kann die hinreißende Natasha Lyonne – Fans von Orange is the New Black als drogensüchtige Nicky Nichols bestens bekannt – unterbewusst Lügen erspüren, was sie einerseits fünf Folgen lang zur Hobbydetektivin eines ziemlich liebenswerten Crime-Formats macht. Anderseits wären derart telepathische Fähigkeiten ja vielleicht auch für den Springer-Konzern verwertbar, just so…