Neumanns Finale & Platonische Liebe

Die Gebrauchtwoche

TV

15. – 21. Mai

Manche Gerichtsentscheidungen sind von einer Bedeutung, die weit über den medialen Rummel darum hinausgeht. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Beispiel, das öffentliche Interesse an Tagebucheinträgen des furchtbaren Warburg-Bankers Christian Olearius in der Süddeutschen Zeitung zum Cum-Ex-Skandal sei größer als die Schutzwürdigkeit seiner Privatsphäre, stärkt Pressefreiheit und Pluralismus in einer Weise, die ihr gar nicht so heimlicher Feind Mathias Döpfner stinken dürfte.

Dessen Anwälte versuchen ja weiter, die Publizierung menschen- und demokratieverachtender Chats in der Zeit zu kriminalisieren, während seine Propagandamaschine gegen die Grünen heiß und heißer läuft. Am Sonntag prangerte Bild am Sonntag den zu langsamen Ausbau nachhaltiger Energiegewinnung als Wind-Wahnsinn an, während Springers Kampfblätter ansonsten blöken, er ginge zu schnell. Muss heiter zugehen, am Rudi-Dutschke-Platz.

Besonders, falls die Jagd auf alles links der Rechten funktioniert. Dass Robert Habeck seinen Staatssekretär Patrick Graichen (endlich) entlassen hat, zeigt schließlich, wie erfolgreich der FDP-hörige Kampagnenjournalismus ist. Nächstes Opfer in spe: Claudia Neumann, die das Finale der Champions League im ZDF kommentiert und den Hass der sehr alten, sehr weißen Männer im Bild-Hades so auf sich ziehen wird, dass Döpfners publizistische Pitbulls bereits die Zähne fletschen.

Ungeschoren bleibt dagegen eine Cashcow wie Heidi Klum, deren geplanter Auftritt beim Bergdoktor schon deshalb wohlwollende Aufmerksamkeit bei Bild/BamS/Glotze erlangen wird, weil sie das traditionelle Geschlechterbild männlicher Ausbeutung des weiblichen Körpers zu sehr viel Geld (und tollen Halbnacktbildern hypersexualisierter Teenies) machen kann.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

22. – 28. Mai

Was Medien dieser Stoßrichtung hingegen gar nicht verstehen: dass Mann und Frau auch einfach nur gute Kumpels auf Augenhöhe sein könnten. Ein Zustand, den die Apple-Serie Platonic mit Rose Byron und Seth Rogan am Schauplatz L.A. durchspielt. Zehn Teile lang versuchen ihre Großstadtcharaktere ab Mittwoch eine Freundschaft ohne Sex oder Liebe zu pflegen, was dank der beiden Hauptdarsteller:innen auf organische Art komisch ist und nebenbei die Prüderie der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft entlarvt.

Womit schlichte Gemüter eher was anfangen können, ist die Fantasy-Serie Der Greif. Das eingespielte Tatort-Duo Erol Yesilkaya (Buch) und Sebastian Marka (Regie) will seinem Kindheitsidol Wolfgang Hohlbein damit Freitag bei Prime Video ein Denkmal setzen. Dummerweise verliert es sich bei aller Bildgewalt und eigensinniger Schauspielriege allzu oft in einer Form nachlässiger Effekthascherei – die Genrefans allerdings herzlich egal sein dürfte.

Dass seine Protagonisten in ein Gewitter ohne Regen geraten oder Kostüme wichtiger werden als ihre Umgebung, passiert einem der ganz Großen des deutschen Film- und Fernsehens eher selten. Auch deshalb widmet Warner dem German Genius ab morgen eine Art dadaistischer Mockumentary, in der die sich Kida Ramadan als Kida Ramadan spielt, der über Toni Hamadis Schatten weg Produzent werden will und dabei das System dahinter entlarvt, dessen Stars von Volker Schlöndorff bis hin zu Ricky Gervais Cameos haben. Selten ist mittlerweile auch Arnold Schwarzenegger sehen, weshalb es durchaus erwähnenswert wirkt, wenn ihn die Netflix-Serie Fubar am Donnerstag als CIA-Agent aus der Rente holt.

Ob ein NS-Erbe-Splatter-Film an gleicher Stelle tags drauf sehenswert ist, muss sich noch zeigen. Dass Nazis bei der wilden Jagd nach Blood & Gold endlich mal nicht nur Ausnahmen im unschuldigen Tätervolk sind, darf man Autor Stefan Barth und Regisseur Peter Thorwart schon mal zugutehalten. Samstag folgt ein weiteres Prequel der voluminösen Paramount-Serie Yellowstone Kevin Costners Rancher-Dynastie Dutton achtmal ins Jahr 1923. Und RTL+ reist ein paar Jahre weniger zurück, um ab Mittwoch den Fall Uwe Barschel(s) – Untertitel: Der rätselhafte Tod eines Spitzenpolitikers – zu erkunden.

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