Franziska van Almsick: Boulevard & Porträt

Ich bin bis heute keine Rampensau

Rund um die Jahrhundertwende war sie Liebling, aber auch Prellbock der jungen Aufmerksamkeitsökonomie. Die ARD-Doku Being Franziska van Almsick zeigt, wie die Weltklasseschwimmerin durchs mediale Fegefeuer gegangen ist. Ein Interview mit der 47-Jährigen über Versöhnung, Realismus und die Gnade einer frühen Geburt.

Von Jan Freitag

Frau van Almsick, ich bin ein Journalist und Sie sprechen trotzdem mit mir. Was sagt das über Sie als Person des öffentlichen Lebens aus?

Franziska van Almsick: (lacht) Na, dass ich kein Problem damit habe, mit Journalisten zu sprechen. Das hatte ich auch noch nie. Ich finde es schön, wenn sich Menschen für das, was ich tue, interessieren, mit oder ohne Presseausweis. Oder was meinen Sie denn?

Dass Ihre Erfahrungen mit der Presse in den Neunzigerjahren so negativ waren, dass Sie sie seither meiden…

Ach, das ist jetzt 30 Jahre her und mir geht’s wirklich gut, glauben Sie mir. Daher freue mich doch eher darüber, dass Sie sich für mich und diese Dokumentation interessieren. Ich bin mit der Zeit von damals wirklich versöhnt.

Also nicht nur mit damit, kein olympisches Gold gewonnen zu haben, wie Sie Ende der dritten Folge einräumen?

Nein, auch mit der Presse. Und wir hatten ja nicht nur schlechte Zeiten miteinander, sondern auch gute. Dort, wo ich heute stehe, mit diesem Bekanntheitsgrad, würde ich ohne sie ja nicht stehen, und könnte entsprechend keine Charity-Projekte mit meinem Namen unterstützen, die mir wichtig sind. In der Medienbranche herrscht immer ein Geben und Nehmen. Da habe ich anfangs vielleicht ein bisschen viel eingesteckt.

Insbesondere von der Boulevardpresse wie Bild oder B.Z., die Ihnen regelmäßig bis tief unter die Gürtellinie eingeschenkt haben. Stichwort „Franzi van Speck“. Sogar mit denen sind Sie im Reinen?

Das, was passiert ist, lässt sich nicht ungeschehen machen. Ich habe aus all dem aber gelernt. Heute findet mein mir wichtiges Privatleben außerhalb der Öffentlichkeit statt.

Hat diese Gelassenheit auch mit Ihrer Persönlichkeitsstruktur zu tun?

Ich bin jedenfalls kein nachtragender Mensch. Eher ein realistischer. Und ich kann gut reflektieren und schaue auch bei negativen Berichten: was könnte daran wohl stimmen? Vielleicht sind deshalb ja eher die positiven Aspekte der Berichterstattung bei mir hängengeblieben. Damals war eben einfach eine andere Zeit. Und wir hatten auch viel Spaß miteinander. Ich war ja schon damals ein etwas anderer Typ als viele andere im Rampenlicht.

Inwiefern?

Ich bin in der DDR aufgewachsen, da zählte nur der sportliche Erfolg, nicht Geld oder Ruhm Alles, was darüber hinaus passiert ist, ist einfach passiert. Natürlich gab es dafür irgendwann ein Management, Werbeverträge und alles. Aber ich habe lieber meine Ruhe und bin bis heute keine Rampensau.

So gesehen hatten Sie ja geradezu Glück, in der analogen Medienwelt großgeworden zu sein. Für Facebook und TikTok wären Sie förmlich ein Schlachtopfer gewesen!

Absolut. Ich bin auch deshalb heute nur dann in den sozialen Medien unterwegs, wenn es um meine Projekte geht. Der Umgang dort ist oft schnelllebig, laut und wenig nachhaltig, das war nie meine Welt. Umso schöner ist es, wenn man mich heute in einem Atemzug mit Sportgrößen wie Boris Becker, Steffi Graf, Jan Ulrich oder Michael Schumacher nennt.

Wobei die Öffentlichkeit eher über diese Stars redet als mit ihnen. Holen Sie sich mit dieser Dokumentation auch ein Stück weit Kontrolle übers eigene Narrativ zurück?

Das war jedenfalls nicht meine Motivation, denn wer mit meinem Namen noch was anfangen kann, hat ohnehin meist eine feste Einstellung zu mir. Die ARD ist mit der Doku übrigens auf mich zugekommen, nicht umgekehrt. Das Ergebnis gefällt mir aber ausgesprochen gut. Und es ist nicht nur ein Porträt von mir, sondern eines der damaligen Zeit. Die war zwar in vielerlei Hinsicht völlig anders als heute, bringt aber dieselben Lehren hervor.

Welche wären das?

Das Leben ist für die Wenigsten ein Zuckerschlecken. Und hinfallen ist völlig okay, solange man wieder aufsteht. Niederlagen gehören gerade im Sport unwiderruflich dazu. Wer wirklich Erfolg haben will, muss deshalb weitermachen. Immer weitermachen.

Lernen wir darüber hinaus etwas in der Serie über Sie, was die Öffentlichkeit bis dato nicht wusste?

Das müssten sie mir sagen. Ich glaube aber, wer mich über all die Jahre begleitet hat, wird keine großen Überraschungen erleben.

Haben Sie denn selber etwas Neues über sich erfahren?

Am ehesten vielleicht, wie reflektiert und am Ende auch entspannt ich schon als Teenager oft war und wie viel ich damals verkraften konnte. Vielleicht bin ich auch deshalb so versöhnt mit mir und meiner Karriere.

Was würden Sie Neulingen beim Umgang mit Medien heutzutage denn mit auf den Weg ins Rampenlicht geben?

Authentisch zu bleiben, auch wenn das Mut erfordert. Wie sagte meine Mutter so schön: Wer mit den Medien rauffährt, fährt auch wieder runter. Sich und anderen dabei nichts vorzuspielen, ist natürlich ein Risiko, weil es angreifbarer macht. Trotzdem ist Authentizität mit einer gesunden Portion Vorsicht besser, als in der Öffentlichkeit Masken zu tragen. Das merkt man nämlich ganz genau.

Being Franziska van Almsick, 3×30 Minuten, ARD-Mediathek


Förderprogramme & Margot Friedländer

Die Gebrauchtwoche

TV

30. Oktober – 5. November

Die Entscheidung der ARD ist gefallen: Weil der FC Bayern am Mittwoch in einem denkbar öden Pokalkick kurz vor Schluss ausgeschieden ist, überträgt sie am 5. und 6. Dezember keine der Achtelfinal-Partien. Wie Sportschau-Chef Karl Valks mitteilt, wolle man ausschließlich Münchner Spiele zeigen, selbst wenn sie ereignislos und langweilig seien, „sonst kriegen wir Ärger mit Uli Hoeneß“.

Okay, das Zitat ist erfunden oder könnte einer KI entstammen, die fünf Jahrzehnte Fußball-Übertragungen ausgewertet und dabei das gebührenfinanzierte Förderprogramm für den Serienmeister herausgefunden hat, demzufolge natürlich auch das – bis zur 96 Minute völlig einseitige – Match in Saarbrücken gezeigt wurde, während sportlich originellere wie Dortmund – Hoffenheim oder St. Pauli Schalke keine Extra-Kohle aus Köln wert waren.

Und damit zur Politik, die mit Fußball meist nur zu tun hat, wenn die Fifa mal wieder ihre gierigen Finger ausstreckt. Der Rest? Ist Schweigen. Ein Schweigen, dass Deniz Yücel zu Recht für alle einfordert, die nicht bereit sind, sich öffentlich zu äußern, womit der PEN-Vize auf die Hamas-Attacken am 7. Oktober anspielt. Was er nicht sagt: wie laut das (auch und grad linke) Schweigen über den islamistischen Terror verglichen mit dem globalen Protest gegen Israels Selbstverteidigung ist.

Ein Brüllen, dass zum Glück mehrere US-Film- und Fernsehgewerkschaften anprangern. Was nochmals verdeutlicht, wie leise Deutschlands Kreative diesbezüglich bleiben. Die einzig gute Nachricht daher zum Schluss: Seit Elon Musks Übernahme hat sich der Wert von Twitter aka X auf weniger als 19 Milliarden Euro praktisch halbiert, was immer noch 18,99 Milliarden zu viel sind, aber immerhin.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

6. – 12. November

Immerhin Hoffnung auf bessere Zeiten macht Margot Friedländer, der das ZDF am Dienstag sein beeindruckendes Dokudrama Ich bin! zum 102. Geburtstag schenkt – und damit uns allen. Das realfiktionale Leben der Holocaust-Überlebenden eignet sich geradezu perfekt als filmisches Monument, wie man dem Bösen trotzt, ohne jemals wütend zu werden. Herzlichen Glückwunsch!

Den wir hier ausdrücklich nicht die ARD aussprechen. Denn wo Showrunnern Michaela Taschek die ausgezeichnete Brigitte Hobmeier da ab Donnerstag zunächst in der Arte-Mediathek reinquatschen konnte, das ist mit Theaterdonner noch naturalistisch umschrieben. Im Mystery-Thriller Schnee spielt sie eine Wiener Ärztin, die in düstere Vergangenheitsbewältigungen eines Tiroler Skigebiets mit Umweltschutz-Ärger gerät. Das strotzt sechs zähe Folgen so düster vor Effekthascherei, dass man sich zum Retreat in eine 100-Watt-Birne wünscht.

Dann doch lieber die günstiger produzierte ARD-Online-Serie Wer wir sind mit Lea Drinda als Umweltaktivistin, die Freitag in einen Strudel aus politischer Radikalisierung und Racial Profiling gerät. Das ist nicht nur schauspielerisch, sondern auch thematisch intelligenter als (wenngleich nicht halb so opulent kostümiert wie) die Apple-Serie The Buccaneers um heiratswütige Damen in der englischen Upper-Class des 19. Jahrhunderts, die ab Mittwoch sehr offensichtlich an Bridgerton erinnert.

Was sonst noch bemerkenswert werden könnte: Der großartige Michael Fassbender als Titelfigur im Netflix-Thriller The Killer ab Freitag. Parallel bei Neo das achtteilige belgische Medical-Drama Sense of Tumor aus Belgien, das also ebenso wie Mit Herz und Holly am ZDF-Sonntag im medizinischen Fiktionsfach spielt. Oder Nadja Uhl als Die Jägerin ähnlich Krimineller tags drauf in der ZDF-Mediathek.

Bereits Mittwoch startet ein vierteiliges Netflix-Porträt von Robbie Williams. Und irgendwie bisschen außer Konkurrenz sachlich bewertbarer Formate: Good Luck Guys, eine Art 7 vs. Wild für Reality-Weltstars wie Aurelia Lamprecht, Dominik Brcic oder Zoe Saip, die bei joyn in karibische Container ziehen, also Big Brother vermutlich näher sind als echter Herausforderung.


Prechts Juden & Daums Skandale

Die Gebrauchtwoche

TV

16. – 22. Oktober

Niemand erwartet, dass alles Leben abrupt einfriert im Moment entfesselter Gewalt. Dass die Welt auf Dauer in den Modus kollektiver Anteilnahme schaltet, wenn der Terror mal wieder neue Dimensionen erreicht. Auch nach 9/11 haben die Menschen ferngesehen, und nicht nur Nachrichten. Aber ob die ARD nach einem Brennpunkt über den Angriff der Hamas auf Israel wirklich Verstehen Sie Spaß? senden musste?

Schwer zu sagen, entscheiden, beurteilen im Angesicht einer barbarischen Horde, die an vormoderne Zeiten erinnert, als das Brandschatzen, Vergewaltigen, Entvölkern eroberter Landstriche weithin anerkannte Kriegspraxis war. Was hingegen leichter zu sagen ist: nicht jeder selbstgerechte Bullshit, den telegene Philosophen gelegentlich von sich geben, ist schon antisemitisch, nur weil er antisemitische Klischees verwendet.

Trotzdem war es – wie die vorschnelle Einordnung der offenbar fehlgeleiteten Hamas-Rakete auf ein palästinensisches Krankenhaus als „israelischer Beschuss“ – nicht bloß fahrlässig, was Richard David Precht im Podcast mit Markus Lanz über die Berufswahl orthodoxer Juden (irgendwas mit Geld und Diamanten) unverdaut ausgeschieden hat; seine alterstoxische Logorrhöe zeugt vom Beharrungswillen tradierter Vorurteile, die eine seriöse Berichterstattung ebenso reflektieren sollte wie, sagen wir, misogyne Stereotypen.

Warum nur, fragt sich im aufgeklärten Jahr 2023 b.c., wird die Opferartigkeit der zivilen Opfer bei Krieg und Terror noch immer durch Frauen, Alte und Kinder gekennzeichnet? Weil erstere so wehrlos sind wie letztere? Seriously? Selbst die fraglos emanzipierte Zeit kann sich diesen Dreiklang aus vormoderner Zeit brandschatzender Horden nicht verkneifen. Wie soll man das da von der Bild erwarten?

Erst recht, wenn sie Redakteure wie angekündigt durch elegant Large Language Model genannte KI ersetzt, deren Algorithmus Springer-Populismus wiederkäuen, Gleichberechtigung also für Gedöns halten dürfte. Ob die Bild ihre Führung der kombinierten Print- und Online-Reichweite, wie sie die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse gerade ermittelt hat, so halten kann? Leider ja.

Gut zwölf Millionen User täglich, mehr als die Plätze 3-20 (Rang 2: Welt) zusammen: Hass und Hetze, Lügen und Blödsinn mit oder ohne PR rechnen sich halt noch immer bestens. Stefan Raab hat indes nur mit letzterem total TV-Geschichte geschrieben. Stets im Rücken: die Produktionsfirma Brainpool. Jetzt verkauft er nach 25 Jahren seine Anteile und beendet damit eine Fernsehära, die neben allerlei Unsinn Großes bewirkte.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

23. – 29. Oktober

Wenngleich nichts auch nur annähernd so überdimensional Gewaltiges wie Everything Now. Die Netflix-Mischung aus Euphoria und Sex Education mit Spuren von My Name is Al erzählt von der anorektischen Mia, die nach monatelanger Therapie an ihre Londoner Schule zurückkehrt und in Windeseile zwei Jahre Jugend aufholt. Ein sensationelles Panoptikum der Pubertät, dieser bizarren Lebensphase, in der alles anziehend und abstoßend, schön und schrecklich, zu groß, zu klein, zu alles ist.

Und Sophie Wilde spielt sie mit einem fragilen Trotz, der Zuschauende acht Teile lang zwischen Aberwitz und Wahrhaftigkeit, Lachen oder Weinen hin und her schleudert. Da können aktuelle Neustarts naturgemäß kaum mithalten. Zumal es abgesehen von der Krimi-Serie Polar Park vom kältesten Ort Frankreichs fiktionale nur wenig zu berichten gibt – in diesem Fall vor allem der denkbar dusselig deutsche Titel „Eiskalte Morde“, ab Mittwoch in der Arte-Mediathek.

Das Onlineportal der ARD startet zwei Tage später die bayrische Katholiken-Comedy Himmel, Herrgott, Sakra, während das ZDF seiner Milieu-Studie Doppelhaushälfte parallel ein Zombie-Special verpasst. Fragt sich, ob der wahre Halloween-Horror nicht zwei Tage zuvor bei Paramount+ läuft, das dem popkulturellen Schulterpolster-Fakeduo Milli Vanilli eine Doku beschert. Aus ähnlicher Epoche im selben Land stammt hingegen einer, der fast 20 Jahre den Boulevard zweier Nationen gefüllt hat: Christoph Daum.

Das Sky-Porträt Triumphe & Skandale skizziert die Achterbahnfahrt des Fußballtrainers durch ein Gebirge aus Titeln, Koks, Affären und Krebs ab Freitag in einer Intensität, die zu wirr um wahr zu sein ist. Während Ulrike Krieners Kommissarin Lucas am Samstag nach 20 Jahren ZDF Abschied nimmt, leitet uns die wunderbare 3sat-Doku Deutschlandlieder derweil durch die Musik zugewanderter Türkinnen und Türken – die der Rapper Eko Fresh und sein Vater zu einem unfassbaren Konzert versammeln.


Agitproppresseclubs & Schinkenstraßen

Die Gebrauchtwoche

TV

2. – 8. Oktober

Über politische Auswirkungen sozialer Medien wird seit Jahren vorerst ergebnisoffen diskutiert, aber ein Tweet von Elon Musk auf seiner Plattform namens whatever hat nun gezeigt, dass der unermesslich reichste Internet-Troll direkt in deutsches Regierungshandeln intervenieren kann. Kurz nachdem er deutsche Staatsgelder für Seenotrettungsorganisationen angeprangert hat, fühlte sich Bundeskanzler Scholz bemüßigt, diese Praxis beenden zu wollen.

Dass mediale Kampagnen sogar für politische Erdbeben verantwortlich sind, zeigen derweil beide Landtagswahlen. Ohne die Bild, Twitter-, RTL-, aber auch SZ-befeuerte Pauschalkritik an der rotgelbgrünen Regierungspolitik, kulminierend im Furor gegen alles Fremde, vulgo: Ausländer, wäre die AfD gestern in Bayern und Hessen kaum so erfolgreich zu werden. Umso drolliger, wie wendig der Agitproppresseclub von Axel Springer wird, wenn sein Gesinnungswechsel Profite generiert.

Ohne rot zu werden wirbt dessen Frontblatt deshalb jetzt, kein Scherz, für die Volks-Wärmepumpe. Nach mehrmonatiger Heiz-Hammer-Dresche für den grünen Erzfeind ist das selbst für Bild-Verhältnisse dreist und erschwert die Solidarität mit einem Team der Welt ungemein, das bei einer Straßenumfrage zum Terrorangriff auf Israel in Berlin bedroht wurde. Ein Glück für Caren Miosga, dass sie sich damit seit ihrem Abschied am Donnerstag nicht mehr täglich in den Tagesthemen befassen muss.

Pech hingegen, dass populistische Windfähnchenhalter der Aufmerksamkeitsindustrie ihr als Nachfolgerin von Anne Will demnächst in Deutschlands wichtigste Talkshow folgen. Die zweiälteste hinter 3 nach 9 dagegen feiert derweil gewaltiges Jubiläum mit noch gewaltigerer Gästeliste. Am Freitag läuft die 1000. NDR Talk Show, die Promis von Günther Jauch über Carolin Kebekus und Ina Müller bis Mario Barth zwar weniger staatstragend machen wie sonntags nach dem Tatort, aber auf unterhaltsame Art bedeutsam.

Die Frischwoche

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9. – 15. Oktober

Das teilt sie mit einer Serie, die es spielend auf alle Best-of-Listen 2023 schaff: Nackt über Berlin. Axel Ranisch verfilmt darin den eigenen Bestseller um zwei Außenseiter, die ihren Schuldirektor (Thorsten Merten) in dessen Smart Home kidnappen und damit, so scheint es, die Chance auf Rache und Selbstermächtigung ergreifen. Anfangs Coming-of-Age, entwickelt der Sechsteiler mit jeder Folge mehr soziokulturellen Sprengstoff und wird ab Donnerstag bei Arte zur Seriensensation.

Das wollte definitiv auch Last Exit Schinkenstraße sein, neuester Streich vom Milieustudienberserker Heinz Strunk.  Wie in Fleisch ist mein Gemüse flieht er darin als gescheiterter Kirmessaxofonist vor der Realität, diesmal nach Malle. Dummerweise verliert Strunk als Ballermann-Barde von RTL+ den warmherzigen Respekt für Unterprivilegierte und verliert sich in – zugegeben oft lustigen, musikalisch brillant untermalten – Kalauern.

Die hagelt es ab Freitag bei Paramount+ auch im Reboot der Neunziger-Serie um den Radio-Psychiater Frasier. Ansonsten jedoch startet die Woche ernster. Heute (23.05 Uhr) mit dem vierteiligen ARD-Porträt des kriminellen Cops Lubi. Morgen mit der Mediathek-Reihe Legendäre Experimente, zum Auftakt: das machtmissbräuchliche im Stanford Prison. Und Mittwoch zur besten Sendezeit im 2. Teil von Bjarne Mädel als Sörensen fängt Feuer.

Zwischendurch beleuchtet Arte ab Dienstag online das unselige Zusammenspiel Die USA und der Holocaust, bevor das ZDF auf seinem Digitalportal Füxe skizziert, das dubiose System deutscher Burschenschaften. Und damit zum Fiktionalen. Seit Freitag schon bei Netflix: vier Geschichten von Roald Dahl, die der unvergleichliche Wes Anderson zum unvergleichlichen Kurzfilmvierteiler Ich sehe was, was du nicht siehst und Der Rattenfänger, dazu Gift und Der Schwan macht.

Freitag bringt uns Mike Flanagan dann an gleicher Stelle zum Gruseln, wenn er den Untergang des Hauses Usher zum Niedergang einer US-Pharmadynastie aktualisiert, dabei allerdings diverse Gruselstücke von Edgar Alan Poe verarbeitet. Zeitgleich dockt AppleTV+ beim Damengambit an. Eine Frage der Chemie zeichnet acht Teile die Karriere von Elizabeth Zott, die in den frauenfeindlichen Fünfzigern versucht, als Wissenschaftlerin Fuß zu fassen – was in seiner inszenatorischen Zurückhaltung einfach großartig ist.


Schmidts PoCs & Partners in Drift

Die Gebrauchtwoche

TV

21. – 27. August

Es war, Padautz, ein echter Paukenschlag fürs öffentlich-rechtliche Programm: Die Gremienaufsicht fordert vom Ersten mehr Talkshow-Vielfalt. Nun muss der ARD nur noch jemand sagen, dass damit nicht mehr Sendungen gemeint sind, sonst schaffen Christine Strobl und Kai Gniffke in Windeseile vier neue mit fünf Stars am Mikro – schon, weil sieben der neun Rundfunkanstalten bereits mit den Proporzhufen scharren.

Dem Vernehmen nach nicht in der engeren Auswahl: Harald Schmidt, dessen Komödienstadl Schmidteinander nun ebenfalls vom WDR mit einem Warnhinweis versehen wird, weil es darin Anfang der hedonistischen Neunziger selten sonderlich woke zuging. Was der sehr alte, sehr weiße, sehr jämmerliche, aber immer noch sehr selbstsichere Ex-Comedian damit kommentierte, er nenne den Schwarzweiß-Karnevalisten Ernst Neger nun Ernst Person of Colour oder so ähnlich.

Darüber lachen dann immerhin noch Schmidts Kamerrrrraden vom neurechten Rand wie Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek. Oder Julian Reichelt und Mathias Döpfner, die sich gerade außergerichtlich zur Entlassung des früheren Bild-Chefs geeinigt haben. Alles Typen, die mit Sicherheit auf Seiten jener streitlustigen Querdenkerin stehen, die wegen „mangelnder Programmvielfalt“ von ARD und ZDF gegen den Rundfunkbeitrag geklagt hatte.

Weil Missfallen kein Zahlungskriterium sei, hat das bayerische Oberverwaltungsgericht die Klage nun abgewiesen. Ob sie mit dem Vorwurf auch Tina Hassel meinte, ist nicht überliefert, aber gestern konnte sie Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview nichts Anrüchiges über die AfD entlocken, also keine versteckten Koalitionsangebote. Schon, da sie sich offenbar kritisches Nachhaken untersagt hatte. Am Ende wehte deshalb der unwidersprochene Verdacht durch Berlins Regierungsviertelluft, Merz‘ CDU habe seit 60 Jahren gar nicht mitregiert…

Die Frischwoche

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28. August – 3. Dezember

Irgendwie fiktional, was Parteien wie diese da nachrichtlich verbreiten – und damit auch irgendwie empfehlenswerter als hauptamtliche Fiktionen, die irgendwie immer noch tief im Sommerloch stecken. Wirklich bemerkenswert sind bis zum Wochenende daher aktuell nur vier Formate: Die 30639. Staffel der Höhle der Löwen, ab heute bei Vox, ohne die statusbewusste Judith Williams, dafür mit der statusbewussteren Tjena Onaran.

Dazu die zweite Staffel der deutsche Sky-Serie Partners in Drift, einer Streaming-Mischung aus The Fast and the Furious und Alarm für Cobra 11, die sich allerdings spürbar (und manchmal sogar erfolgreich) um Tiefgang bemüht. Außerdem Siehst du mich?, ein neunzigminütiges Porträt von vier deutschen Influencer*innen unterschiedlicher Erfolgsstufen, das der linear-digitalen ARD-Mediathek zeitgleich ab Freitag wirklich gut zu Gesichte steht.

Und dann feiern wie hiermit offiziell und voll aufrichtiger Vorfreude die Fortsetzung der Neo-Serie Loving her um eine Schar junger, meist lesbischer Menschen, die in der deutschen LGBTQ+-Szene nach Liebe, Sex und Zärtlichkeit suchen, gelegentlich sogar finden und dabei ab Sonntag bei ZDFneo ebenso anrührend wie unterhaltsam sind.


Rammsteins Härte & Titanics Six

Die Gebrauchtwoche

TV

5. – 11. Juni

Rezo ist wieder da. Wie lange er weg war, lässt sich in der Schnelllebigkeit unserer digitalen Epoche nur mutmaßen, aber gut zwei Jahre seit seinem Video zur Covid-Politik sind nach Internet-Maßstäben episch und jetzt wurde es eben Zeit für den blauhaarigsten Kommentator bundesdeutscher Befindlichkeiten. Denn #MeToo hat eine neue deutsche Dimension, die viel mit neuer deutscher Härte zu tun hat.

Rezo hat sich über die Missbrauchsvorwürfe gegen den vergewaltigungslyrischen Brachialpennäler Till Lindemann zu Wort gemeldet, und zwar wie so oft sprachgewaltig. Das tut auch bitter not. Nachdem nämlich immer mehr Frauen den strukturellen Machtmissbrauch des Rammstein-Führers beschreiben, dreht das asoziale Netz den Spieß um und bläst unter Hashtags wie #istandwithrammstein zum Gegenangriff, den Lindemanns Anwälte mit Informationsblockaden plus Täter-Opfer-Umkehr flankieren.

Damit nicht genug, verschweigt die Staatsanwaltschaft Berlin Anzahl und Art der Anzeigen, da kein presserechtlicher Auskunftsanspruch bestehe. Interessant, angesichts des öffentlichen Interesses, aber gut: wir sind in einer Phase, wo der misogyne Mainstream nicht nur schon lange vor Claudia Neumanns ziemlich solidem Kommentar des CL-Finales ganz genau wusste, wie sie es vermasselt, und der populistische Merz-Mainstream mit Bild, RTL, AfD jubelt, dass Linksextreme doch schlimmer sind als Rechtsextreme. Na bitte.

Bayerns volkszornige Regierungskabarettistin Monika Gruber hat derweil am Samstag bei ihrer Demo gegen das Heizungsgesetz nicht nur massig Querdenkende angelockt, sondern die rechtspopulistisch anschlussfähigen Regierungslenker Markus Söder und Hubert Aiwanger gleich auch noch als Redner geladen. Besaß das Kabarett nicht mal eine Distanz zur herrschenden Macht? Dorthin also, wo Katrin Vernau dann doch nur kurz verweilte?

Bei der Wahl zur neuen RBB-Chefin jedenfalls wurde die Übergangsleiterin gar nicht erst nominiert. Was noch anzumerken wäre: Servus, TV-Spielzeug des toten Brausemilliardärs Dietrich Matteschitz, stellt 2024 den linearen Betrieb in Deutschland ein. Und Matti Geschonneks Wannseekonferenz ist in gut 2000 chinesischen Kinos gestartet, was im zensurfreudigen Reich der vermeintlichen Mitte ja eigentlich nichts Gutes zu bedeuten hat.

Die Frischwoche

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12. – 18. Juni

Eher so Mittelmäßiges zu bieten hat die neue Fernsehwoche – was schon dadurch ersichtlich wird, dass zu ihrem Auftakt Die Haustierprofis am bemerkenswertesten sind, ein fünfzehnteiliges Nachmittagsformat, in dem Moderator Ralph Morgenstern werktäglich ab 14.10 Uhr im Ersten Dienstleistungsinfotainment der wohlfeilsten Art anbietet, also garantiert kein kritisches Wort über Sinn und Unsinn eingesperrter Kuscheltiere verliert.

An Kritik nicht sparen dürfte dagegen an gleicher Stelle wie so oft abseits der Familienbespaßung zur Primetime: Eckart von Hirschhausen. Seine Doku Was von Corona übrigblieb hätte allerdings weit mehr als 45 Minuten vor hart, aber fair verdient, wo Louis Klamroth im Anschluss mal wieder über Putins Angriffskrieg diskutiert. Ebenfalls sachorientiert ist der interventionistische Doku-Thriller The Six, in dem Arthur Jones mit dem Hobby-Sinologen Steven Schwankert Außergewöhnliches zutage fördert.

Sechs Chinesen nämlich, die als Passagiere auf der Titanic gereist waren, ihren Untergang am 14. April 1912 überlebt hatten und dann verschwunden sind. Produziert von James Cameron, dessen Blockbuster bei jeder Gelegenheit in die Jagd nach Hinterbliebenen montiert wird, gleicht die Spurensuche ab heute beim History Channel einer Schatzsuche, die abseits der Geschichte viel über den euroamerikanischen Rassismus von damals und heute erzählt.

Frei von soziokulturellem Ballast sind demgegenüber drei Fiktionen der Woche: die zweite Staffel des Star-Trek-Spin-Offs Strange New Worlds, ab Donnerstag, Paramount+. Die depperte Söldner-Arie Tyler Rake: Extraction 2 tags drauf bei Netflix. Und parallel dazu die vierteilige Action-Romance Bonnie & Clyde (Freitag, 20.15 Uhr Neo), diesmal in holländischer Interpretation.


Spiegels Hähne & Obamas Arbeit

Die Gebrauchtwoche

TV

22. – 28. Mai

Es ist ja im Grunde gut, wenn alte Medien nochmals die neuen erhitzen. Der Spiegel, den es – Ältere erinnern sich – noch immer in nennenswerter Zahl auf Papier gibt, trennt sich vom Chefredakteur, und selbst online wird auch deshalb darüber berichtet, weil Steffen Klusmann das frühere Flaggschiff der Demokratie gewinnbringend durch den populistischen Sturm unserer Tage gesteuert hatte.

Abseits der Ursachen, die viel mit Machtkämpfen und wenig mit Führungsstärke zu tun haben, bleibt also zweierlei vom geplanten Überraschungsflug übrig: In Dirk Kurbjuweit wird das Blatt erstens wieder von einem maximal analogen Print-Fossil geleitet, das zweitens kein weiblich gelesener Journalist ist. Und so bleibt es bei 17 Männern seit 1947 – auch wenn die vierköpfige Chefredaktion des 61-Jährigen mit Melanie Amann eine Frau enthält.

In der ARD hingegen denkt man da ein wenig zeitgemäßer und ersetzt die scheidende Talk-Moderatorin Anne Will durch ihre Kollegin Caren Miosga, was der Fernsehstreitkultur definitiv besser tut als Markus Lanz. Seine Idee, zur Debatte über den Klimaschutz den energiepolitischen AfD-Sprecher Steffen Kotré einzuladen, war ja durchaus mutig, artete aber in einem völlig willkürlichen Redezeitmanagement aus, das der fachlich inkompetente, aber dramaturgisch besonnene Rechtsextremist zu seinem Vorteil nutzen konnte.

Das wäre womöglich auch Ron DeSantis gelungen – hätte er seinen Wahlkampfauftakt nicht ausgerechnet bei Twitter gestartet. Bis zu Elon Musks Übernahme ein funktionsfähiger Mikroblogging-Dienst, hat ihn sein Besitzer in kürzester Zeit so heruntergewirtschaftet, dass der rechtsextreme Präsidentschaftsbewerber kaum zu hören war, sofern die Übertragung denn überhaupt mal funktionierte.

Und so durfte Donald Trump dabei zusehen, wie sich sein Mitbewerber fast 60 Jahre nach dem Mord an John F. Kennedy quasi selbst erledigte. Genau 60 Jahre wird Samstag das aktuelle sportstudio im ZDF. Und es ist zwar nur noch für jene interessant, die schon bei der Erstausgabe schulpflichtig waren, aber immerhin fußballbegeisterter als der Streamingdienst Sky, der Borussia Dortmund ein Public Viewing vorm Stadion untersagte, um mehr Zugriffe beim irrwitzigen Bundesliga-Finale zu erzielen.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

22. – 28. Mai

Am Samstag nun wird auf gleichem Kanal das DFB-Pokalfinale übertragen, was allerdings außerhalb Leipzigs und Hessen kaum jemanden interessiert. Und damit zum Rest eines Fernseh- oder Streaming-Angebots, das leicht unterm Radar des Massengeschmacks funkt, weshalb es kaum Fiktionales anzupreisen gibt. Am – buchstäblich – bemerkenswertesten wäre da noch die Netflix-Doku Arbeit: Was wir den ganzen Tag machen.

Als Doku über Werktätige in den USA gedacht, bietet sie vor allem dem Gastgeber ein Podium zur Selbstdarstellung. Offiziell steigt Barack Obama drei Teile in ökonomische Maschinenräume. Am Ende aber geht es nur um den Ex-Präsidenten und seinen Kontostand, den Netflix weiter hebt. Dafür porträtiert die Arte-Mediathek morgen einen Mann, den vermutlich fast niemand kennt: Adolf Kanter.

Was für ein scheußlicher Name, dessen Story (Buch & Regie: Claus Räfle) als Teil einer deutsch-deutschen Spionagestory im Licht der Flick-Affäre aber hochinteressant ist. Zwei Tage später zeigt die ARD-Mediathek den Vierteiler Frontman, der Rockopas wie Ozzy Osbourne oder David Lee Roth je 90 Minuten widmet. Ungleich jünger sind die Protagonist:innen der dreiteiligen Doku Dirty Little Secrets, in denen der BR an gleicher Stelle das turbokapitalistische Ausbeutungssystem Spotify analysiert.

Mittig zwischen Sach- und Spielfilm befinden sich das Arte-Dokudrama Die rote Fini mit Adele Neuhauser als Wiener Polit-Ikone (Donnerstag, Mediathek) und das Browser Ballett (Mittwoch, ZDF-Mediathek) auf längerer Strecke. Am Ende daher drei Fiktionen: Die japanische Endzeitserie The Days (Donnerstag, Netflix), die österreichische Mysterykrimi-Serie Der Schatten (Freitag) und die sechsteilige Dating-Persiflage Einsame Herzen mit dem Youtuber Freshtorge (Sonntag, beides ZDF-Mediathek).


Funkes Schumi & Krens Kobold

Die Gebrauchtwoche

TV

17. – 23. April

Was am Boulevard so absolut irre ist, sind gar nicht so sehr die Lügen, Rufmorde oder Kampagnen. Wirklich verrückt, also im Sinne von wahnsinnig, ist ihr Versuch, all dies sporadisch mit Seriosität zu verkleistern. Das absurdeste Manöver vollzog nur Tage nach Mathias Döpfners öliger Schubumkehr in Sachen Ossi-Hass und FDP-Liebe die Funke Mediengruppe. Am Samstag feuerte der Essener Konzern Anne Hoffmann, weil sie als Chefredakteurin der aktuelle ein KI-Interview mit Michael Schumacher aufs Titelblatt gehoben hatte.

Schon drollig: da verkaufen die Lügenbarone von Bauer– bis Jahreszeiten-Verlag ihrer leichtgläubigen Kundschaft wochein, wochaus ausnahmslos lieblos halluzinierten Unfug über Promis wie den verunglückten Rennfahrer. Und wenn sie den Betrug endlich mal kenntlich machen, fliegt die Verantwortliche raus? Das wäre fast, als hätte die Bild ihr neues Führungsduo Robert Schneider und Marion Horn für erste Schlagzeilen wie diese entlassen:

„Bundesgartenschau: Auftrittsverbot für Rentner mit Mexikaner-Hut“

„Naddel: Wieder Sozialhilfe“

Wie immer ist an keiner davon auch nur das geringste Fünkchen Wahrheit, aber es knallt halt, wie es bei der Bild zu knallen hat. Dass Mathias Döpfners geistig-ideologischer Zwilling Rupert Murdoch für Fake-News über den Wahlmaschinen-Hersteller Dominion 779 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen muss, fand hingegen – so unter Krähen – leider keinem Platz im Blatt. Auch das Desaster um kostenpflichtige Twitter-Haken von Döpfners Guru Elon Musk blieb offenbar unerwähnt.

Dafür gab es das übliche Bashing öffentlich-rechtlicher Medien auf der Titelseite, die ARD wolle „328 Millionen mehr Zwangsgebühr für Digital-Projekte“, womit die Redaktion aber mal alles durcheinanderbringt, was daran richtig sein könnte, aber egal: Boulevardjournalismus ist kein Bällebad, weshalb wir auf der Suche nach dem bildaffinsten Fernsehformat dieser Woche unwillkürlich bei Amazon Prime landen.

Die Frischwoche

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24. – 30. April

Dort startet am Freitag eine Actionserie namens Citadel. Und an der ist wirklich alles testosterongesteuerter Bullshit, also passgenau für Döpfners springerhochhausgroße Prostata. Im sechsteiligen Spionage-Thriller erwachen zwei Unterwäschemodels nach acht Jahren aus einer Amnesie, retten gemeinsam die Welt, werden dutzendfach rückstandslos vermöbelt, sehen aber stets spitze aus und erreichen fiktional somit das intellektuelle Niveau Oliver Pochers, also immer noch doppelte Höhe vom Boulevard-Publikum.

Citadel ist also ungefähr so realistisch wie die Fantasy-Serie Sweet Tooth um fabelhafte Mischwesen einer postapokalyptischen Zukunft, bekennt sich anders als in der zweiten Staffel bei Netflix allerdings nicht dazu, surreal zu sein. Hyperreal ist hingegen die Miniserie Sam – Ein Sachse. In der deutsch-deutschen Mini-Serie erzählt Disney+ ab Mittwoch die spektakuläre Story von Samuel Njankouo Meffire nach, einst der erster Polizist dunkler Hautfarbe in Ostdeutschland und damit eine Art Kronzeuge von Döpfners wilder Rassisten- oder Kommunisten-These.

Parallel dazu startet die ARD-Mediathek das nächste kleine Meisterwerk von Marvin Kren, der anders als in 4 Blocks oder Freud auch mal humoristisch auf die Kacke hauen darf. Handlung? Ebenso schwer zu erklären wie ihr Titel Der weiße Kobold, aber irgendwas mit Drogen, Österreich, Ganoven und einem Frederick Lau in Bestform, also ähnlich sehenswert wie Poker Face, wenngleich auf ganz andere Art.

In der mystischen Sky-Serie kann die hinreißende Natasha Lyonne – Fans von Orange is the New Black als drogensüchtige Nicky Nichols bestens bekannt – unterbewusst Lügen erspüren, was sie einerseits fünf Folgen lang zur Hobbydetektivin eines ziemlich liebenswerten Crime-Formats macht. Anderseits wären derart telepathische Fähigkeiten ja vielleicht auch für den Springer-Konzern verwertbar, just so…


Hebestreit: Scholz-Sprecher & Krisenerklärer

Steffen Hebestreit for DJV Journalist

There’s no glory in prevention

Normalerweise kriegen neue Regierungen eine Schonfrist, 100 Tage zumeist. Die von Olaf Scholz jedoch steckt vom Start weg im Krisenmodus, den sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit (49, Foto: Marzena Skubatz) erklären muss. Als Chef des Bundespresseamts steht der frühere Journalist vor der Frage: Wie kann man in Kriegszeiten transparent und glaubwürdig kommunizieren? freitagsmedien dokumentiert das journalist-Interview vom Monatsanfang in voller Länge.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Herr Hebestreit, normalerweise wird neuen Regierungen und damit auch ihren Kommunikationsabteilungen eine Schonfrist von 100 Tagen eingeräumt, in denen beide ein wenig unter Welpenschutz stehen. Wie lang war Ihre Schonfrist – 100 Minuten?

Steffen Hebestreit: Wenn überhaupt… Aber diese 100 Tage sind schon immer mehr ein hehrer Wunsch gewesen als die Wirklichkeit, seit Franklin D. Roosevelt bei seinem Amtsantritt gesagt hatte: Give me a hundred days. Ich habe jedenfalls nach 28 Tagen den ersten Leitartikel gelesen, der sagte, eigentlich habe eine Regierung ja 100 Tage Schonzeit, aber schon jetzt müsse man sagen: alles Mist.

Also 27 Tage Schonfrist?

Wieso sollte es überhaupt eine Schonzeit geben, das habe ich nie verstanden. Eine neue Regierung, ein neuer Kanzler, neue Politik, das ist doch wahnsinnig spannend. Ich kann schon verstehen, dass Journalisten und Opposition das vom ersten Tag an kritisch begleiten wollen.

Zumal in einer hochtourigen Zeit, in der sich Menschheitskrisen nicht bloß abwechseln, sondern überlappen.

Mir hat gut gefallen, dass es zwischen alter und neuer Regierung einen so reibungslosen und vertrauensvollen Übergang gegeben hat. Hier an dem Tisch, an dem wir gerade sitzen, saß ich seinerzeit mit Steffen Seibert und wir haben uns ausgiebig darüber ausgetauscht, was auf mich als Regierungssprecher zukommen wird. Das war bei früheren Regierungswechseln nicht üblich. Da Olaf Scholz als Vizekanzler der scheidenden Regierung schon angehörte, mag es leichter gewesen sein, uns frühzeitig einzubinden. Bei den Bund-Länder-Runden zur Pandemie waren wir ohnehin immer zugeschaltet. Ab Mitte November saßen Scholz und ich dann im Kanzleramt mit in diesen Runden. Die neue Bundesregierung wurde am 8. Dezember vereidigt, einen Tag später leitete der neue Kanzler dann erstmals diese Runde.

Ansonsten werden Regierungssprecher – das -innen kann man sich mangels Frauen seit 1949 leicht sparen – hier im Bundespresseamt also nicht förmlich eingearbeitet?

Nein, das ist eigentlich nirgends üblich. Normalerweise gibt es eine kurze Tasse Kaffee, ein paar freundliche Worte und Hinweise, hier wäre dann die Toilette, dort das Vorzimmer. Fertig. Ich habe mich sehr gefreut, dass mein Vorgänger sich da mehr Zeit genommen hat. Dadurch, dass wir uns schon gut kannten seit meiner Zeit als Korrespondent und wir in der letzten Regierung ja auch einiges miteinander zu tun hatten, war das sehr kollegial, offen und vertrauensvoll.

Was war denn üblich?

Nun, als ich seinerzeit am allerersten Tag mit dem frisch vereidigten Bundesminister der Finanzen ins Ministerium ankam, wurde mir ein freies Zimmer zugeteilt. Jemand, den ich nicht kannte, legte mir kurze Zeit später einen Stapel Akten auf den Tisch. Ich fragte: „Was mache ich damit?“ Er: „Verfügen!“ Ich: „An wen?“ Er: „Ans Haus“. Das war’s.

Immerhin wussten Sie, was „verfügen“ heißt

Immerhin. Beim Wechsel ins Bundespresseamt war das einfacher, weil ich wusste, was auf mich zukommt. Als früherer Korrespondent, Ex-Vorstand der BPK, Leiter der Hamburger Landesvertretung und zuletzt als Sprecher des Finanzministeriums hatte ich auch immer wieder mit dem Bundespresseamt zu tun.

Wenn Sie Ihren Start als Hauptstadtjournalist mit dem jetzigen als deren Informationsversorger vergleichen – wären Sie lieber damals, als Regierungen noch Krisen bewältigt haben, Sprecher geworden, oder ist heute, wo Krisen Regierungen überwältigen, besser?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Natürlich ist die gegenwärtige Situation mit dem schrecklichen Krieg in der Ukraine eine außergewöhnliche Herausforderung, die uns alle sehr besorgt. Aber auch früher mangelte es nicht an Megathemen: 2008 die Finanzkrise, 2011 Fukushima, 2015 Flüchtlingssituation, seit 2020 die Pandemie…

Zwischendurch Klimawandel in beschleunigter Dauerschleife…

…wie gesagt, jede Regierung hat ihre Herausforderungen.

Das Besondere an den genannten Megathemen ist allerdings, dass sie sich einst nacheinander ereignet haben, während sie sich heute parallel auftürmen und nicht mehr den Eindruck erwecken, noch beherrschbar zu sein. Drohen Regierungssprecher da bei aller Spannung nicht eher an Krisen zu scheitern, deren Lösbarkeit sie eigentlich vermitteln sollen?

Ich bin nicht sicher, ob die damals Beteiligten das Gefühl hatten, alles ginge schön geordnet nacheinander vonstatten. Die Aufgabe des Regierungssprechers ist es, das Handeln der Regierung zu erklären und zu vermitteln, was sie tut. Natürlich stellt der erste Angriffskrieg in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine Zäsur da. Ich bin aber überzeugt, dass die Bundesregierung in dieser schweren Krise das Richtige tut und richtig handelt.

Das sollten Sie auch, als deren Sprecher.

Unsere Aufgabe ist es zu erklären, wie die Regierung handelt und welche Politik sie verfolgt.

Gabe es in den vier Monaten Momente, wo das aus Ihrer Sicht mal geklappt hat?

Natürlich, immer wieder. In der Corona-Pandemie waren wir vor Weihnachten in einer sehr heiklen Phase, die Delta-Welle war noch nicht abgeebbt und Omikron tauchte auf. Es gab Rufe nach einem abermaligen Lockdown, die Sorge davor, dass unser Gesundheitssystem zusammenbrechen könnte und die kritische Infrastruktur. Die neue Bundesregierung hat daraufhin strikte Maßnahmen erlassen wie Maskenpflicht, 3G, 2G, aber keinen Lockdown verfügt – und gleichzeitig eine Impfkampagne aufgesetzt. Innerhalb von sechs Wochen haben sich 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger ein drittes Mal impfen lassen, das hatte uns vorher niemand zugetraut. Das war ein wichtiger Schritt, damit wir einigermaßen durch diesen Winter gekommen sind. Aber: There’s no glory in prevention! Solche Erfolge sind kurzlebig. Die Pandemie ist nirgends in der Welt wirklich überwunden. Umso wichtiger ist es, das Erreichte ins Verhältnis zum Möglichen zu setzen.

Wie sieht ihre Bilanz mit Blick auf den Krieg in der Ukraine aus? Die Bundesregierung steht gerade unter gehörigem Druck…

Einmal vorweg: Dieser Krieg ist furchtbar und das Leid ist unermesslich – für uns alle ist das doch alles kaum zu ertragen. Emotional verstehe ich daher den Wunsch, es möge den einen Knopf geben, den man nur schnell drücken müsse, und der Horror wäre vorüber. Anfangs schien es, man müsse nur Nordstream 2 aufgeben, und alles werde gut. Nächster Knopf: Sanktionen gegen Moskau erlassen. Dritter Knopf: Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abkoppeln. Als nächstes: Auch Deutschland müsse Waffen liefern. Dann: Immer stärkere und tiefgreifende Sanktionen. Und jetzt also die Frage nach der Lieferung schwerer Waffen. All diese Schritte ist Deutschland nach gründlicher Abwägung, in enger Abstimmung mit unseren internationalen Verbündeten diesseits und jenseits des Atlantiks gegangen – und doch konnte und kann es einigen nicht schnell genug gehen.

Bislang sehr offensichtlich nicht nur ein politisches, sondern kommunikatives Desaster!

Nein. Im Krieg gibt es keine einfachen Lösungen – und wer einfache Lösungen verspricht, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Und wie gesagt: Abschaltknöpfe gibt es nicht…

Klingt die Knopf-Metapher nicht ein bisschen fatalistisch nach dem Sprecher einer Regierung, deren Schritte grundsätzlich ein Stück zu kurz sind für die Realität?

Falsch. Nach dem Sprecher einer Regierung, die ihre Entscheidungen wohl abwägt und von klaren Prinzipien leiten lässt: Erstens: Deutschland will der Ukraine so gut es irgend geht im Kampf gegen den Aggressor Putin helfen. Zweitens: Die Nato und Deutschland wollen eine direkte Konfrontation mit der Atommacht Russland vermeiden, die in eine unvorstellbare Katastrophe weit über die Ukraine hinausführen würde. Und drittens prescht Deutschland nirgends voran, sondern bewegt sich immer in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten. Im Bewusstsein, dass sich die Lage ständig verändert und wir auch darauf reagieren müssen. Deshalb können nicht alle Forderungen, die an Deutschland gerichtet werden, sofort erfüllt werden. Das sind oft schwierige Abwägungsentscheidungen, aber so funktioniert verantwortungsvolle Politik.

Ist die Kritik an der aktuellen Politik also vor allem ein kommunikatives Problem der akzeptanzfördernden Vermittlung dieser Sachentscheidungen?

Im Augenblick dominieren die Stimmen in der Öffentlichkeit, die mit Blick auf den furchtbaren Krieg ein Vorpreschen Deutschlands verlangen. Die Bundesregierung folgt der oben beschriebenen abwägenden Linie in enger Absprache mit unseren Verbündeten. Und der Bundeskanzler ist ein sehr erfahrener Politiker, der öffentlichen Druck gewohnt ist und sich nicht kirre machen lässt. Dafür ist er gewählt worden. Als Regierungssprecher ist es meine Aufgabe, diese Position deutlich zu machen und zu erklären, auch wenn manche eine andere Politik wollen.

Aber macht das den Regierungssprecher nicht zum Regierungskrisensprecher?

Tja, das gehört zur Stellenbeschreibung. Fragen Sie mal meine Vorgänger, wie oft sie das Gefühl hatten, Zuspruch fürs Handeln ihrer Regierungen zu kriegen. Alles eine Frage der Erwartungshaltung. Nur wer nichts tut, macht auch nichts falsch – und selbst das kann ein Fehler sein. Wenn ich von journalistischer Seite Lob bekäme, würde ich vermutlich einiges falsch machen. Was aber nicht heißt, dass ich meine Arbeit dann am besten mache, wenn es viel Kritik gibt.

Olaf Scholz hat in Bezug auf den russischen Angriffskrieg den Begriff der politischen Zeitenwende verwendet. Gibt es auch eine Zeitenwende der politischen Kommunikation, die damit einhergeht?

Die politische Zeitenwende muss kommunikativ begleitet werden. Allerdings befinden wir uns, wie Sie es anfangs ausgedrückt haben, vom ersten Tag an im Krisenbewältigungsmodus, insofern gibt es dafür kein vorgefertigtes Kommunikationskonzept. Mit meinen Stellvertretern habe ich aber vereinbart, dass wir noch transparenter, erklärender und umfassender kommunizieren wollen.

Von welcher Seite aus gesehen?

Regierungsseitig wollen wir nicht nur senden. Deshalb geht der Bundeskanzler anders als seine Vorgängerin häufiger in Formate wie heute-journal, Bericht aus Berlin, RTL-aktuell oder in Talkshows wie Illner und Anne Will, um sich befragen und hinterfragen zu lassen. Das gilt mindestens so stark für Regierungsmitglieder wie Robert Habeck, Christian Lindner, Annalena Baerbock oder Nancy Faeser – alle erläutern öffentlich, wofür diese Regierung steht.

Gibt es eine Art Handwerkskasten, der Ihnen zur Hand gegeben wurde, um Stresssituation zu meistern?

Schön wär’s, aber da hat wohl jeder und jede eigene Strategien.

Werden bewegte Zeiten grundlegend anders kommuniziert als ruhigere?

(überlegt lange) Da hat jede Sprecherin, jeder Sprecher vermutlich individuelle Herangehensweisen, aber ich versuche zusammen mit den beiden stellvertretenden Regierungssprechern in der Bundespressekonferenz…

Wo Sie nur zu Gast sind.

…dort versuchen wir jede Frage, ob über ruhigere oder bewegendere Themen, mit der angemessenen Klarheit zu beantworten. Das mag nicht immer gelingen, aber wir streben es an. Manchmal geht es auch gar nicht darum, nichts sagen zu wollen, sondern nichts sagen zu können. Ich sage manchmal ketzerisch: Der Bundeskanzler folgt mitunter dem Ricola-Prinzip der Kommunikation.

Sie meinen das Schweizer Kräuterbonbon?

Genau. Deren Slogan lautete: „Wer hat’s erfunden? Die Schweizer.“ Während viele Politiker oft und gerne vollmundig ankündigen, was sie vorhaben, bereitet Scholz erst abseits der Öffentlichkeit seine Entscheidungen gründlich vor und verweist im Anschluss öffentlich auf das, was geschafft worden ist.

Aber wird ihm nicht genau das gerade massiv zum Nachteil ausgelegt?

Das mag vorkommen, aber insgesamt ist er mit diesem Prinzip in den letzten Jahren doch recht erfolgreich gewesen – unlängst hat er eine Bundestagswahl gewonnen. Aber natürlich ist das kein Rezept für jede Lebenslage. Manchmal ist es nötig, konkrete Zielvorgaben zu verkünden, damit die nötige politische Dynamik entsteht. Im vorigen November kündigte Scholz an, bis Ende Dezember 30 Millionen Impfungen durchgeführt haben zu wollen. Daran gab es viel Kritik, weil es angeblich nicht zu schaffen wäre. Noch vor Heiligabend allerdings war das Ziel erfüllt. Ein toller Erfolg. Daraufhin hat der Kanzler die Parole ausgegeben, die nächsten 30 Millionen bis Ende Januar erreichen zu wollen – was bekanntlich nicht ganz hingehauen hat.

Und das Bundespresseamt in Schockstarre versetzt?

Ach nein, dafür sind die meisten der 500 Frauen und Männer hier im Haus zu erfahren und bleiben selbst dann gelassen, wenn der neue Regierungssprecher mal etwas frei von der Leber weg redet. Jetzt aber die Preisfrage: Hätte der Kanzler das Ziel lieber nicht formulieren sollen, weil es die Gefahr gab, dass es nicht erreicht wird? Oder müssen Führungskräfte ab und an Zielmarken setzen – und sei es nur, um sich ihnen anzunähern? Der Bundeskanzler neigt relativ selten dazu, da fällt es umso mehr auf, wenn er es doch mal tut.

Genau deshalb wird ihm vorgeworfen, er eiert rum.

(nickt)

Bleibt im Ungefähren.

(nickt)

Liefert also nicht jene Führung, die er im Wahlkampf versprochen hatte.

Na ja…

Ist das ein Problem von Olaf Scholz oder seinem Kommunikationsteam?

Grundsätzlich ist immer die Kommunikation schuld (lacht). Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Anspruch, wie politische Kommunikation angeblich zu funktionieren habe, selten dem Praxistest standhält. Jedenfalls wenn ich mich im Land umblicke oder in den Vorgänger-Regierungen. Jeder und jede hat einen eigenen Stil und bleibt diesem Stil einigermaßen treu. Die wenigsten folgen den vielen klugen Ratschlägen, die sie Tag für Tag in den Zeitungen lesen. Alles andere würden die Bürgerinnen und Bürger auch als unauthentisch empfinden. 

Was bedeutet das für die aktuelle Debatte über den Ukraine-Krieg?

Trotz aller Emotionen muss die Regierung einen kühlen Kopf bewahren und stets das große Ganze im Blick behalten. Alle, wirklich alle wollen diesen Krieg schnellstmöglich beendet sehen.

Aber?

Unsere Möglichkeiten, das aus eigener Kraft zu bewirken, sind begrenzt. Da wären wir wieder beim ersehnten Knopf, den es nicht gibt. Beispiel: Ein sofortiger Energie-Boykott, um Putin in die Knie zu zwingen. Man könne doch einen warmen Pulli anziehen und die Heizung herunterdrehen oder das Auto öfter stehenlassen, wird argumentiert. Dass es dabei um ganze Industriezweige geht mit Abertausenden von Arbeitsplätzen, die von einem solchen Boykott massiv betroffen wären, gilt oft als lästiges Detail. So etwas muss verantwortungsvolles Regierungshandeln aber berücksichtigen. Das ist, wie der Wirtschaftsminister sagt, reine Physik. Ein Chemiepark, der 30 Prozent weniger Gas zur Verfügung hat, produziert nicht 70 Prozent, sondern null.

Ein gern gewähltes Beispiel: die Glasherstellung.

Wenn da der Kessel einmal auskühlt, können Sie ihn wegschmeißen. Und wenn der Spiegel, die Zeit oder auch Ihr journalist innerhalb weniger Wochen nicht mehr erscheinen kann wegen Papiermangels, ist womöglich ganz Schluss, weil Sie nichts mehr verdienen. All dies gilt es zu bedenken und Entscheidungen zu treffen, die durchzuhalten sind.

Und Ihr Job als Regierungssprecher ist es also, sich dabei schützend vor den Kanzler zu stellen und die Kommunikation so zu gestalten, dass von solchen Entscheidungen nichts an seinem Amt hängenbleibt?

Nein, mein Job ist es, in Gesprächen, Interviews und Pressekonferenzen die Politik und die Komplexität zu erläutern. Transparenz herzustellen! Die zweite Hauptaufgabe besteht darin, zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung innerhalb der Berliner Politblase zu moderieren, in der es häufig ein bisschen aufgeregter zugeht als außerhalb. Ich habe in meinem Politologie-Studium ausgiebig qualitative und quantitative Sozialforschung betrieben. Es kommt schon darauf an, wie ich eine Frage formuliere: Wenn ich frage, ob Deutschland die Ukraine mit schweren Waffen unterstützen sollte, um weitere russische Kriegsverbrechen zu verhindern, werden 90 Prozent zustimmen. Wenn ich frage, ob man für die Lieferung schwerer Waffen einen Dritten Weltkrieg riskieren sollte, sieht das ganz anders aus…

Womit was bewiesen wäre?

Dass es nicht nur um Meinungsbilder geht, sondern auch um Machbarkeiten. Erfahrene Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker bringen ein gutes Gefühl dafür mit, beides zu berücksichtigen. Meine Aufgabe ist es, diese Zusammenhänge darzustellen.

Wir befinden uns allerdings nicht nur im Krieg Russlands gegen die Ukraine, sondern auch im Krieg rechter Populisten gegen Demokratie und Pressefreiheit oder im Krieg der Menschheit gegen den eigenen Planeten – sind Kriege nicht Zeiten der Geheimhaltung, nicht der Transparenz?

Gerade in diesen Tagen sollten wir den Begriff Krieg nicht zu inflationär verwenden. Aber den beschriebenen Spagat müssen wir in der Tat aushalten. Es braucht Geheimhaltung, insbesondere im Bereich von militärischer Sicherheit. Andererseits ist das Informationsbedürfnis verständlicherweise riesig – und es wird gerne unterstellt, dass Fakten aus niederträchtigen Motiven verheimlicht würden, am Ende also, dass die Wahrheit bewusst verheimlicht werden solle.

Wobei Sie nicht dafür da sind, Wahrheiten zu kommunizieren, sondern Regierungshandeln.

Ein demokratisch legitimiertes Handeln auf Grundlage des Grundgesetzes. Aber für jeden Regierungssprecher, jede Regierungssprecherin gilt: Du darfst nicht lügen.

Aber ungeliebte Wahrheiten wie jene, dass der Klimawandel nur aufzuhalten ist, wenn wir unseren Wohlstand zumindest materiell massiv einschränken, müssen Sie verschweigen?

Das ist, glaube ich, auch eine Frage des sprachlichen Geschmacks, der im Blick behalten muss, dass die einen Tacheles hören wollen, während andere irgendwann komplett abblocken, wenn die Aussichten fortwährend als katastrophal dargestellt werden. Der Wirtschaftsminister spricht von „Zumutungen“, der Bundeskanzler formuliert lösungsorientierter, dass er dafür sorgen möchte, dass wir mit der Situation „gut zurechtkommen“.

Christian Lindners Sprachgeschmack wiederum ginge in Richtung „dornige Chancen“. Was ist denn ihrer als Sprecher?

Mein Geschmack spielt da keine große Rolle. Wenn man wie ich seit 2015 für den gleichen Chef tätig ist, nähern sich die Geschmäcker sowieso ein bisschen an. Manchmal ertappe ich mich dabei, privat Dinge zu sagen, die von ihm stammen könnten; ich weiß nicht, ob es ihm umgekehrt auch mal so geht. Wenn ich ständig etwas anderes denken würde als der, für den ich arbeite, sollte ich mir einen anderen Job suchen. Kennen Sie The WestWing?

Eine Politserie der späten Neunzigerjahre, die vor allem im Weißen Haus spielt?

Genau. Meine Lieblingsfigur ist US-Präsident Josiah Bartlet. An einer Stelle überlegt sein Team, wie der Präsident medial zu platzieren sei. Ob er nicht so sein müsse oder dies anders tun solle. Und dabei fällt ein für mich entscheidender Satz der politischen Kommunikation: „Let Bartlet be Bartlet.“ Man kann und soll Menschen in politischer Verantwortung kommunikativ nicht neu erfinden, sondern abbilden – davon bin ich fest überzeugt.

Geht es um Authentizität oder Glaubwürdigkeit, wenn Sie Scholz Scholz sein lassen?

Beides – wenn eins von beiden fehlt, spüren die Bürgerinnen und Bürger das sehr genau. Deshalb wägt er seine Worte und Taten so genau. Wenn man versuchen würde, aus dem Kanzler kommunikativ einen Barack Obama zu machen, ginge das definitiv nach hinten los.

Sind Sie trotz Ihrer Aufgabe, sich schützend und erklärend vor die  Bundesregierung zu stellen, auch jener Bote, der wie einst in der Antike stellvertretend für die Botschaften gegrillt wird?

Wer würde in diesem Szenario jetzt wen bestrafen?

Die Öffentlichkeit den Überbringer schlechter oder unerwünschter Informationen, also Sie.

Diese Frage kommt in meinem Fall vielleicht etwas früh. Außerhalb der engeren Berliner Szene hat bislang doch kaum jemand eine Wahrnehmung von mir. Das war bei meinem Vorgänger vielleicht etwas anders, weil er als ZDF-Moderator schon vor Amtsantritt sehr bekannt war. Wenn Sie jetzt eine Umfrage machen, wer Uwe-Carsten Heye, Béla Anda oder Ulrich Wilhelm waren…

Drei Ihrer Vorgänger.

… wüssten das vermutlich die wenigsten. Regierungssprecher sind nicht gewählte Repräsentanten, sondern das Sprachrohr ihrer Chefinnen und Chefs.

Kriegen Sie im Zeitalter der kommunikativen Verrohung trotzdem Teile der digitalen Shitstorms ab, die der der Regierung gelten?

Ein bisschen was. Ich nehme das, was auf Plattformen wie Twitter so abläuft, aber auch nicht allzu ernst.

Darüber hinaus haben Sie als Chef des Bundespresseamtes auch eine Schutzfunktion für ihre 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie sorgen Sie dort für kommunikative Hygiene?

Ich setze mich für einen offenen Kommunikationsstil im Haus ein. Das Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist groß und Probleme gilt es offen anzusprechen. Ich denke auch, dass ich recht zugänglich bin. Und wie gesagt: Die meisten Kolleginnen und Kollegen hier sind lange dabei, krisenerprobt und können einiges ab. Die Kanzlermappe, also den täglichen Pressespiegel über die Regierungspolitik, kann ich an manchen Tagen nur den Hartgesotteneren empfehlen (lacht); da wird uns ja nur im Ausnahmefall mal die eigene Grandiosität bescheinigt. Ansonsten heißt es gerade bei Leuten, die hauptberuflich kommunizieren: kommuniziert auch untereinander.

Und wie ist es, wenn Hatespeech und anderes Geschwurbel nicht anonym im Internet auf Sie und Ihre Leute einprasselt, sondern in Gestalt des Querdenker-Journalisten Boris Reitschuster Auge in Auge bei der Bundespressekonferenz?

Das ist Ihre Einordnung. Grundsätzlich bin ich mir darüber bewusst, dass es manchen weniger um Informationen geht als um ihr journalistisches Erlösmodell.

Gibt es noch andere Journalistinnen und Journalisten mit Erlösmodell statt Informationsbedarf?

Die Regierungs-PK empfinde ich meist als ziemlich sachorientiert. Es mag ein paar Orchideen-Themen geben, die einzelne mehr interessieren als den Rest. Die Frage nach einem generellen Tempolimit fällt regelmäßig, obwohl sich jeder und jede die Antwort im Grunde längst selber geben kann.

Nicht mit den Deutschen!

Natürlich ist es völlig legitim, die jeweiligen Vertreterinnen des Verkehrs- oder Wirtschaftsministeriums mit dieser Frage ein wenig zu zwiebeln, aber am Ende bleibt es doch mehr Unterhaltung- als Informationsbedürfnis. Das gilt es sportlich zu nehmen.

Wie sportlich sollte das publizistische Berlin da vermeintliche Kollegen wie Boris Reitschuster nehmen, dem es ersichtlich um Polemik statt Politik geht. Anders gefragt: Hätten Sie ihn als Vorstandsmitglied der BPK 2015 auch ausgeschlossen?

Als Regierungssprecher habe ich schon gelernt, auf hypothetische Fragen nicht zu antworten. Ich kenne auch die Details des Falles nicht. Die Berufsbezeichnung Journalist ist nicht geschützt in Deutschland, deshalb war die Abgrenzung für die BPK schon früher nicht immer einfach. Zu meiner Zeit lautete die Definition der Bundespressekonferenz, glaube ich, in etwa: Jeder, der in Berlin hauptberuflich für ein deutsches Medium schreibt und davon leben kann, kann Mitglied werden…

Gerade für Freelancer schwierig, in wirtschaftlich komplizierter Zeit…

Eben. Die Printkrise brachte es mit sich, dass gestandene Journalistinnen und Journalisten noch nebenbei einen Brot-und-Butter-Job annehmen mussten, um ihre Miete bezahlen zu können. Die BPK ist eine wirklich spannende und weltweit einmalige Einrichtung, die es seit 1949 gibt. Damals fragten sich die Bonner Korrespondenten, wie sie am besten an Informationen gelangen können. Und was macht der Deutsche, wenn er nicht weiter weiß?

Er gründet einen Verein?

Und in diesem Fall einen, für den die Bonner Hauptstadtjournalisten anfangs noch alle paar Wochen Ministeriumsvertreter eingeladen haben, später bürgerten sich die Regierungspressekonferenzen dreimal die Woche ein. Und der Clou ist, dass die Journalistinnen und Journalisten die Moderation übernehmen und die Fragen aufrufen – damit ist sichergestellt, dass jeder und jede Fragen stellen kann. Auf Regierungsseite erfordert das einen erheblichen Aufwand, weil natürlich alle Ressorts und die Regierungssprecher sich auf mögliche Themen vorbereiten müssen. Das bedeutet an drei Tagen der Woche manchmal mehrere Stunden intensiver Vorbereitung für die jeweiligen Ressorts – ohne dass sie wissen, ob sie am Ende überhaupt was gefragt werden.

Arbeiten im Bundespresseamt eigentlich überwiegend frühere Kollegen wie Sie oder was ist das gängige Berufsprofil?

Nein, es gibt bei uns die verschiedensten Berufsprofile. Da ist schließlich auch reichlich Quellenstudium dabei, klassische Verwaltungsaufgaben, viel Organisation, Medienbetreuung, Reisevorbereitung, all sowas. Dass mit mir, Christiane Hoffmann und Wolfgang Büchner…

Letztere zwei vom Spiegel übrigens.

… drei Journalisten an der Spitze stehen, heißt nicht, dass es im Bundespresseamt nur so von früheren Journalistinnen und Journalisten wimmelt.

Qualifiziert unser Beruf denn grundlegend dazu, für andere zu sprechen?

Es hilft jedenfalls ungemein, wenn man weiß, was die journalistische Seite braucht.

Oder vielleicht besser nicht wissen wollte…

Als Regierungssprecher fühle ich mich aufgrund meiner verschiedenen früheren Tätigkeiten jedenfalls gut gewappnet. Neben dem journalistischen Handwerk sind die Kenntnisse von Verwaltungsabläufen und Regierungsmechanismen sehr hilfreich für mich – wie gesagt, es geht darum, Politik zu erklären.

Ist Ihnen der Weg zurück in den Journalismus als Pressesprecher verschlossen?

Ob ich mir das persönlich vorstellen könnte, weiß ich jetzt gar nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Branche schwer zu vermitteln wäre. Als ich den Journalismus vor acht Jahren in Richtung Kommunikation verlassen habe, sagte ich selbstironisch: Ich wechsle von der hellen auf die dunkle Seite der Macht. So ist das Gefühl.

Nur Ihres?

Ganz allgemein in der Branche, denke ich. Anfangs wurde ich öfter gefragt, wie man sein Berufsethos so verraten könne. Ich sehe es anders: Wenn man seine Aufgabe gut macht, leistet man auf beiden Seiten einen wichtigen Beitrag für unser Gemeinwesen. Im Übrigen wäre ich heute, mit den Erfahrungen und Kenntnissen, die ich als Sprecher gesammelt habe, ein besserer Journalist als früher. Jemand wie Steffen Seibert wäre doch, mit etwas Abstand zur Regierungszeit Merkel, ein Gewinn für jede Talkshow, weil er Erfahrungen von beiden Seiten beisteuern könnte. Trotzdem ist das bei uns schwer vorstellbar – insofern: Es gibt wohl keinen Weg zurück.

Und was machen Sie da, wenn die Ampelkoalition irgendwann mal abgewählt wird?

Urlaub.


Bastis Rücktritt & Schüttes Kranitz

Die Gebrauchtwoche

TV

4 – 10. Oktober

Es ist zwar ein bisschen wohlfeil, auf Facebook rumzuhacken, aber die Gründe dafür werden halt Tag für Tag triftiger. Amoralisch und geldgeil, niederträchtig und korrupt, würdelos und dann auch noch zusehends irrelevant: die Gründe, sich über den sechsstündigen Blackout diverser Messenger-Dienste, Milliardenverlust inklusive, sind so mannigfaltig, dass selbst die Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen vorm US-Kongress kaum überraschen – daran kann auch die Sperrung der russischen Propaganda-Plattform RT Deutsch nichts mehr ändern.

Was allerdings viel ändern könnte, ist der Rücktritt von Sebastian Kurz. Perfider als sein rechtsradikaler Ex-Spezl Heinz-Christian Strache, hat der rechtspopulistischen Bundeskanzler versucht, die Pressefreiheit auszuhöhlen – für diese Erkenntnis muss ihm niemand Bestechlichkeit nachweisen, das ist Teil seiner neoliberal-völkischen Agenda, die er mit oder ohne Nazis als Vizekanzler verfolgt. Ach, wäre Volker Bruch doch Österreicher, er würde den Basti und seinen Geistesbruder HC gewiss wählen.

So aber muss der schauspielerisch begabte, menschlich talentfreie Querdenken-Superstar mit Geistesbrüdern wie Wotan Wilke Möhring eben hierzulande Demokratie und Rechtstaat mit verschwörungstheoretischem Bullshit wie #allesaufdentisch destabilisieren. Frage an die staatsvertraglich organisierte, immerhin gebührenfinanzierte ARD: wieso schmeißt ihr den QAnon Fan Xaver Naidoo eigentlich beim ESC raus, lasst seine Buddies Bruch und Möhring aber fröhlich Tatort oder Babylon Berlin für euch drehen?

Würde die schauspielerisch limitierte, menschlich qualifizierte Maria Furtwängler männliche Menschenverachtung ebenso hingebungsvoll anprangern wie weibliche Benachteiligung – öffentlich-rechtlich gäbe es für beide weit weniger zu verdienen. Dennoch war die neue Studie der Malisa-Stiftung zur Benachteiligung von Frauen im Fernsehen bedeutsam. Und bietet Anlass, die aktuellen TV-Tipps unterm Aspekt der Frauenpräsenz zu betrachten.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

11. – 17. Oktober

In der deutschen Netflix-Serie The Billion Dollar Code um zwei realexistierende Hacker, die Anfang der 90er Jahre den Algorithmus des späteren Milliardenprogramms Google Earth programmiert haben, hat zum Beispiel gleich sieben Hauptdarsteller, während mit ihrer Film-Anwältin (Lavinia Wilson) nur ein Charakter doppelte X-Chromosomen trägt. Im etwas langen, aber famosen ARD-Porträt Kevin Kühnert und die SPD dagegen ist der Protagonist naturgemäß genetisch mutiert.

Wenn sich Daniel Cohn-Bendit ab heute (23.35 Uhr) in der Doku Wir sind alle deutsche Juden an gleicher Stelle in Frankreich und Israel auf die Suche nach Glaubensgenossen begibt, herrscht auch fast unvermeidlich Frauenmangel. Weniger unvermeidlich war es hingegen, dass der fesselnde Thriller Blackout ab Mittwoch Moritz Bleibtreu sechs Teile lang auf die Jagd nach den Ursachen eines europaweiten Stromausfalls bei Joyn+ schickt.

Der Rest ist abgesehen der neuen Sat1-Show Halbpension Schmitz ab Donnerstag allerdings paritätisch, was der deutsche Netflix-Partnertauschfilm Du, Sie, Er & Wir tags drauf sogar im Titel trägt. Gehen wir mal durch: das achtteilige Mädchenhandelsdrama Box 21 aus Schweden? Männer sind Schweine, Frauen wehrhaft. Die Influencerinnen-Nabelschau The D’Amelio Show ab Mittwoch bei Disney+? Sexistisch, aber immerhin von weiblicher Seite. Die dortige Coming-of-Age-Serie Reservation Dogs um fiktive native americans beim Großwerden? Nicht sexistisch, beiderseits.

Der Dänemark Krimi parallel im Ersten? Konventionell, aber gemischt. Die Sky-Mockumentary Wellington Paranormal ab morgen? Unkonventionell. Punkt. Die Neo-Milieustudie Wir um ein halbes Dutzend sinnsuchender Mitglieder der Generation Y im Berliner Speckgürtel? Aufdringlich, aber angenehm beiläufig divers. Der neue Geniestreich von und mit Jan Georg Schütte als Paartherapeut Kranitz, Donnerstag in der ARD-Mediathek? Sechsmal höchste Improvisationskunst für alle. Zu guter Letzt die britische Dramaserie The Drowning um eine Mutter, die neun Jahre nach dessen Verschwinden (Freitag, 13th Street) glaubt, ihren Sohn zu sehen und ihn zu stalken beginnt? Mutter, Sohn, Liebe – noch Fragen?