Heino Ferch: Grader Rücken & ganzer Kerl

Es ist ein Klischee!

Kaum ein Schauspieler in Deutschland ist so festgelegt auf einen bestimmten Rollentypus wie Heino Ferch. Dennoch hat es der Charakterdarsteller mit einsamen Wölfen und/oder kernigen Stoikern zu einem der erfolgreichsten Schauspieler im Land geschafft. Was er am besten kann, zeigt der Norddeutsche auch in seiner Rolle als Kriminalpsychologe Brock in der losen ZDF-Reihe Spuren des Bösen (Freitag, 22.35 Uhr, 3sat). Ein Interview über falsche Vorurteile. Und ein paar korrekte.

Von Jan Freitag

Herr Ferch, man muss im deutschen Fernsehen höllisch aufpassen: Ehe man bis drei zählt, ist man auch schon Serienkommissar.

Heino Ferch: Entschuldigung, Sie haben doch den Film gesehen, hoffe ich – Richard Brock ist doch kein Ermittler, er ist Polizeipsychologe!

Als solcher aber immerhin ermittelnd tätig.

Aber nur Fragen zu stellen macht einen Menschen doch noch lange nicht zum Ermittler! Nein, Brock ist Universitätsprofessor, der an der Uni Wien lehrt und – was kurz angerissen wird – eine Vergangenheit als Psychologe in einer Klinik hat, aber nicht mehr praktizieren darf. In diesen Fall hier rutscht er durch Zufall hinein, wird unfreiwillig involviert und erst wegen des merkwürdigen Desinteresses der Polizei auch selber tätig.

Was genau taugt an diesem Sujet denn so sehr zur Fortsetzung?

Das große Feld der Psychologie, das Lesen zwischen den Zeilen, das analytische Element. In Österreich kann man im Verdachtsfall nicht nur einen Anwalt anrufen, sondern eine Vertrauensperson; das wird zum Beispiel im dritten Film der Fall sein, den wir gerade abgedreht haben. Das Spielfeld ist die unendliche Weite seelischer Krankheiten und Anomalien, besonders in Wien, wo ja immer noch so ein Hauch von Freuds Psychoanalyse durch die Gassen weht. Wichtig ist auch die Reibung des deutschen Monolithen Brock im österreichischen Umfeld; dieser Mikrokosmos hat viel Potenzial.

War dieses Serienpotenzial von Anfang an klar?

Spuren des Bösen – Racheengel ist in gewisser Weise die Fortsetzung des ersten Films Spuren des Bösen – Das Verhör, der für sich eigentlich abgeschlossen war. Ich hatte zwar damals gesagt, wir sollten erst mal schauen, wie sich das Ganze entwickelt, aber Spuren des Bösen war schon von Anfang an für einen längeren Zeitraum angedacht. Und spätestens nach dem neuen Teil sind sich alle einig, dass wir bei diesen exzellenten Drehbüchern weitermachen müssen, wahrscheinlich einmal im Jahr, als lose Reihe. Das hat mit einem Serienkommissar wie gesagt nichts zu tun. Auch wenn er wie die meisten von denen ein einsamer Wolf ist.

Dieser aufrechter Streiter, der gegen alle Widerstände seinen Weg geht, scheint schon Ihre Paraderolle zu sein oder?

Ja, vielleicht ist das so. Solche Figuren interessieren mich in der Tat und werden mir auch viel angeboten. Und ich habe mich auch öfter für Bücher entschieden, wo Männer mit Druck von außen konfrontiert werden, unter dem sie den Weg ins Licht suchen.

Sind das dann im klassischen Sinne Helden?

Nach der Definition, der Held ist der Held, weil er die Geschichte zusammenhält, ist das vielleicht so. Aber nicht als strahlende Lichtgestalten. Mehr emotionale Leitfiguren also, durchaus gebrochene, auch schwache Charaktere. Antihelden.

Stört Sie das Klischee, Deutschlands Heldendarsteller schlechthin zu sein?

Ach, überhaupt nicht. Wenn mich andere so sehen, ist das ja auch Geschmackssache und somit total in Ordnung. Ich sehe es allerdings etwas differenzierter, und wie Sie richtig bemerkt haben: Es ist ein Klischee. Ich gehe nun mal mit meiner Arbeit stark in die Öffentlichkeit, da muss man damit leben, von ihr platziert zu werden. Ich halte es so, dass man die Vorurteile mit künftigen Überraschungen aus den Köpfen kriegt, nicht mit rückwirkender Aufklärung.

Dabei ist es gar nicht so, dass ihre Filme so viel Anlass zur Klischeebildung liefern, sondern eher Ihre Art, Sie zu füllen: Einerseits das Beherrschte, Schmallippige, andererseits Ihre Haltung, der grade Rücken.

Gut, ich bin Heino Ferch mit meiner Biografie und meinem Körper und solange ich nicht Quasimodo spiele, wird meine Haltung eine mir eigene sein. Auch wenn ich versuche, sie von Rolle zu Rolle zu variieren. Aber es ist immer noch dieser Schauspieler, der mit seinen Mitteln versucht, anderen Persönlichkeiten Gestalt zu geben.

Eine, die immer sehr reduziert wirkt und frei von extremer Gefühlsregung.

Das mag sein. Es gibt auch von mir Rollen mit größeren Emotionen, aber die extremen Ausraster sind doch eher bei anderen zuhause. Andererseits: geben Sie mir einen Wallenstein und es gibt auch von mir was zu sehen.

Wobei die Bühne derzeit nicht Ihr Revier ist.

Das stimmt. In den letzten Jahren sind vor der Kamera einfach die interessanteren Sachen auf mich zugekommen. Aber nochmals – ich bin auf beiden Ebenen nicht nur ein Mann der leisen Zwischentöne.

Wie wichtig ist Ihnen das Körperliche am Spiel?

Als Leistungssportler, der ich jahrelang recht erfolgreich gewesen bin, natürlich enorm. Sport ist nach wie vor ein wichtiger Teil meines Lebens, das bringt automatisch eine gewisse Körperlichkeit mit sich, das Wohlfühlen in einem fitten Körper bedeutet mir viel.

Stoßen Sie da mit zunehmendem Alter an Ihre Grenzen?

Sagen wir’s mal so: ich fühle mich eigentlich wie 33, mache aber nicht mehr die gleichen Dinge wie in dem Alter. Meine turnerische Vergangenheit hab ich zuletzt vor fünf, sechs Jahren bei Stars in der Manege erprobt, da konnte ich mit etwas Vorbereitung schon noch ein paar Flic Flacs schlagen, ohne mir was durchzureißen. Aber damit höre ich dann doch lieber auf.

Hand aufs Herz: bereitet es Ihnen Ihr 50. Geburtstag da Sorge?

[lacht] Ich versuche, keine zu haben; und ich kann’s ja auch nicht ändern. Klar, die Manschetten vor dieser Zahl kommen früher oder später bei jedem, mal sehen, ob und wann das bei mir der Fall ist. Aber ich bin gesund, habe zwei wohl geratene Kinder, eine liebevolle Familie, ein glückliches Leben – es gibt nichts, das ich zu beklagen hätte. Selbst, dass ich seit einem Jahr eine Lesebrille brauche, hab ich auch gut verkraftet. Ich bin zuversichtlich.

Diese neuralgischen runden Geburtstage…

… da mache ich dann jeweils einen Strich drunter und schaue, was ich von dem erreicht habe, was ich erreichen wollte.

Und Ihre Bilanz?

Ganz gut. Beruflich kann ich tolle Rollen spielen, die Leute wollen mich sehen, alles in Ordnung.

Welche realistischen Träume der nächsten, sagen wir: 50 Jahre, sind denn so realistisch, dass Sie sie veröffentlichen können?

Noch mal 50 Jahre, mein Gott! Glauben Sie, ich werde 100 [lacht]? Ich nicht. Also Träume…

Vielleicht mehr Komödien?

Oh ja, ich hätte Lust, aber die Bananenschale interessiert mich jedenfalls ebenso wenig wie Comedy; ich bin eher der Billy-Wilder-Typ, der das Drama in der Komödie sucht. Ich liebe das Furchtbare in der Komik wie einst bei Lemmon/Matthau. Hierzulande ist dagegen die Romantic Comedy verbreitet; sehr erfolgreich, aber nicht mein Gebiet. Meine Anfragen sind da überschaubar.

Was fast jedem arrivierten Schauspieler droht, ist eine als Tatort-Kommissar.

Hatte ich auch schon, aber bislang wollte ich keiner unter 23 anderen sein. Und ehrlich: mir liegt Spuren des Bösen einfach mehr, wo ich niemanden fragen muss, was er denn gestern zwischen acht und neun gemacht hat.

Andererseits wird Sabine Postel nicht ewig Inga Lürsen in Ihrer Bremer Heimat sein…

Da hätte ich einen Bezug zu, aber für einen Kommissar reicht die Heimatliebe nicht.

Die aber noch besteht.

Klar, ich habe wichtige Jahre meines Lebens an der Nordsee gelebt, bin dort aufgewachsen – das sind natürlich heimatliche Gefühle. Aber jetzt bin ich in Oberbayern zuhause, und das zählt. Ich fühle mich da wohl, wo ich bin.

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