Ulrike Folkerts: Odenthal & Komödienträume
Posted: October 23, 2014 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a commentPrivat bin ich das Sensibelchen
Ulrike Folkerts in einem Hamburger Hotel mit Hafenflair. Sie sieht fantastisch aus, nicht nur für ihre bald 50 Jahre, ein rauer Typ, leicht hemdsärmlig, Turnschuhe, Jeans, dunkles Hemd, nicht so selbstsicher wie zu vermuten wäre, aber vielleicht gerade deshalb ungemein sympathisch. Dass sie über ihr Liebesleben nicht mehr reden mag, macht sie mit einem Lächeln klar. Über alles andere von Humor bis Emanzipation und natürlich Lena Odenthal redet die hauptamtliche Tatort-Kommissarin nur zu gern. Zu ihrem 25-jährigen Dienstjubiläum am kommenden Sonntag dokumentieren freitagsmedien ein ungemein entspanntes Interview mit Deutschlands dienstältester Ermittlerin.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Ulrike Folkerts, über Ihr Liebesleben braucht man nicht mehr mit Ihnen zu reden, oder?
Ulrike Folkerts: Nicht, wenn ich das Gespräch nicht selber darauf bringe.
Dann schon lieber über Humor.
Sehr gern, freut mich.
Haben Frauen davon weniger als Männer?
Das frage ich mich auch gerade. Vor kurzem gab es ja einen langen Artikel darüber im Magazin der Süddeutschen Zeitung und der hat mich ein wenig erschreckt, auch – oder vielleicht weil – darin scheinbar viele Wahrheiten steckten. Ich dachte, das ist ja ein Hammer, aber so viel wie da belegt war, was die Präsenz von Frauen bei deutschen Humorformaten im Fernsehen oder in Zeitschriften betrifft, denkt man nach kurzem Nachdenken, da ist scheinbar doch was dran. Obwohl ich wirklich viel lache und glaube, ausreichend Humor zu besitzen. Allerdings gibt man mir zu selten die Gelegenheit, das auch zu zeigen.
In der Tat. Warum?
Tja. Komödie ist nach wie vor das Schwerste, was man verfassen kann und in der Umsetzung entsprechend selten gelungen. Das Letzte was ich tatsächlich urkomisch fand, war Alles auf Zucker mit Henry Hübchen. Da hab ich mich köstlich amüsiert. Ansonsten müsste ich lange überlegen, um etwas Erheiterndes zu finden, worüber ich im Fernsehen wirklich herzlich gelacht habe.
Es wäre vermutlich nicht über Comedy, sondern adaptierte Kinoformate.
Wovon man ausgehen kann. Oder warten Sie… Nein, ansonsten fällt mir tatsächlich nur jemand längst Vergangenes ein wie Liesl Karlstadt von Karl Valentin, die war sehr komisch. Oder Katharina Thalbach, wie sie bei der Filmpreisverleihung, der Lola, als Laudatorin zusammen mit Detlef Buck ihr komödiantisches Talent gezeigt hat, das war schon beeindruckend, eher kauziger Humor, aber guter. Es bleibt die Frage: muss man sich ein wenig zum Horst machen für gute Komik und wie wirkt sich die Kombination schön und komisch aus?
Gerade für Frauen im Filmbereich mit seinen geschlechterspezifischen Anforderungen.
Ganz genau. Schräg und komisch geht sofort. Ein interessantes Phänomen. Ich würde also behaupten, ein komödiantisches Talent zu besitzen, das nur noch nicht zum Zuge kam. Ich finde schon, dass Männer eher über zotige Witze lachen und das kann ich eigentlich überhaupt nicht, gerade wenn es auf Kosten von Frauen geht und da stellt sich schon die Frage, ob man sich im umgekehrten Fall über Männer amüsieren kann. Denn darum geht es doch letztlich beim Humor: Über sich selber lachen zu können. Wer das nicht kann, kann auch andere nicht zum lachen bringen. In Ich bin eine Insel
Ein Film mit Ihnen, der mal ohne Lena Odenthal auskommen muss…
…einen wunderbaren Kollegen, Luc Veit, der wahnsinnig komisch ist, mit dem ich großen Spaß hatte, mit dem ich mir alles mögliche hätte vorstellen können, da hat der Regisseur Gregor Schnitzer meine Tendenzen zur komischen Übertreibung sofort gebremst.
Vielleicht auch, weil er die Rolle nach eigener Auskunft auf Sie zugeschnitten hat. Worin äußert sich das?
Das äußert sich in erster Linie darin, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts auf eine Lena Odenthal hinweist. Keine Knarre, keine kriminalistische Handlung, keine Leiche, obwohl es zu Beginn ein Unfallopfer gibt, aber eben keinen Tathergang. Denn das ist doch das größte Problem am deutschen Film, womit wir wieder dort wären, warum mir niemand Komödien anbietet: Schubladen, Schubladen, Schubladen wo immer du hinsiehst. Es ist unglaublich schwer, aus denen zu entkommen und ich stecke weiß Gott noch tiefer in meiner als viele Kollegen in ihrer.
War das der Grund, warum Sie vor einigen Jahren in der WDR-Show Zimmer frei sagten, Sie würden gern endlich einen Liebesfilm spielen?
Wahrscheinlich und es ist mir bislang nicht gelungen. Auch in Ich bin eine Insel spiele ich nur gelegentlich so etwas wie eine heile Liebeswelt. Meine Rollen sind in dieser Hinsicht einfach generell eher anders.
Was aber nicht ihrem Naturell entspricht.
Nein, natürlich nicht. Und deshalb muss ich mich umso mehr bemühen, alleine dagegen anzugehen, selbst nach Drehbüchern zu suchen, die das schaffen, weil von sich aus keiner auf mich zukommt. Es ist tatsächlich so, dass man ab und zu rausgeht und Leute sucht, mit denen man über etwas Neues rumspinnen kann. Das ist mir mit der Leibwächterin passiert, die ich vor dreieinhalb Jahren fürs ZDF gedreht habe. Und auch Salzburg war dahingehend ein großes Erlebnis für mich, von einem Schauspieldirektor angerufen zu werden, er habe für mich eine Rolle als Tod im Jedermann. Ein absoluter Glücksfall, der mir so noch nie zuvor passiert war. Einfach angerufen zu werden, um eine Idee mit mir zu realisieren, die von meinem bisherigen Rollentypus im Tatort abweicht. Ansonsten muss ich quatschen, quatschen, quatschen.
Haben Sie auch schon mal nach einer Komödie gegraben?
Das finde ich ganz schön schwer, weil man in seiner Vorstellung am Ende doch immer wieder bei den Stoffen landet, die man ohnehin schon mal gesehen hat. Ich bin dabei, danach zu forschen, bin aber noch nicht fündig geworden.
Welche Art Humor liegt Ihnen am nächsten – Klamauk oder subtiler Sprachwitz?
Also im Theater habe ich mal Der reinste Wahnsinn gespielt, genial geschrieben, macht einen Heidenspaß. Es hat unglaublich viel mit dem Text zu tun und da waren die Figuren so gut gezeichnet, dass sie die Komik aus Ihrer Ernsthaftigkeit heraus entwickelt haben. Am interessantesten, am schönsten ist es, eine komische Figur trotzdem stets ernst zu nehmen und ihren Humor auf ehrliche Weise zu entdecken. Nicht mit Draufhauen und Umfallen und Tortenschlachten.
Machen Sie nationale Unterschiede beim Humor?
Der englische ist natürlich hervorragend mit seiner Fähigkeit, ernste Belange komisch zu erzählen. Faszinierend, wie die Briten das immer wieder hinkriegen und zwar so gut, dass es sogar in der Synchronfassung noch funktioniert. Diese Verbindung des Dramas mit dem Witz, was ja zweifellos eng beieinander liegt, ist hierzulande selten. Menschen mit Dramatik zum Weinen, zum Innehalten zu bringen und Menschen zum Lachen sind die zwei höchsten Ziele in dieser Kunst, der Schauspielerei.
Wie muss man sich Ulrike Folkerts auf einer wilden Party vorstellen – eher auf den Tischen tanzend oder eher auf dem Stuhl redend?
Superfrage. Das kommt natürlich total aufs Umfeld an und wenn ich mich wirklich wohl fühle, werde ich zum Mittelpunktsmenschen, tanze gerne und begeistere andere von mir. Ich kann also durchaus zur Partymaus werden, bin aber auch gern mal eine Stunde am DJ-Pult und mache selber Musik. Die Stimmung so zu bestimmen, den Groove vorzugeben und immer noch einen drauf zu setzen, liegt mir sehr. Bei der passenden Musik. Das ist die Entertainerin in mir. Jetzt nicht mit Scratchen und einszweidrei, eher dezent.
Können Sie irgendjemanden parodieren?
Überhaupt nicht, niemanden, ich kann keine Dialekte, ich kann niemanden nachmachen und das hab ich auch noch nie versucht.
Und Witze erzählen?
Auch das nicht. Die kann ich mir gar nicht erst merken.
Das wäre ein Punkt, um auf geschlechterspezifischen Humor zurückzukommen.
Das werde ich mal beobachten. Vielleicht liegt uns mehr der Gesprächshumor. Denn ich habe viele Freundinnen, die brüllend komisch sind, mit denen ich irrsinnig viel Spaß habe, die sehr trockenen Humor besitzen, dass es nur so staubt.
Wie witzig finden Sie denn jemanden wie Gaby Köster?
Ich weiß, von der habe ich ein Bild vor Augen. Ganz lustig, sehr kölnisch, aber das hält mich nicht lange. Auch eine Hella von Sinnen nicht. Gaby Decker hat mich schon mal ein ganzes Programm lang gefesselt, so wie sie von einem Charakter in den nächsten schlüpft. Auch das Kabarett ist ja sehr männerlastig.
Was nicht am fehlenden weiblichen Humor liegen muss, sondern daran, dass Männer in Ihrer Domäne die Schranken hochfahren.
(lacht) Jetzt fallen mir aber doch noch einige ein, die ich immer gut und genial komisch fand. Anke Engelke – wo ist die eigentlich? Und Evelyn Hamann. Komischsein ist auch eine Frage des Mutes und die beiden haben ihn aufgebracht.
Wie war es beim Krimi. Mussten Sie 1989, als Frauen dort noch seltener waren, mehr Mut aufbringen, gegen höhere Mauern anrennen?
Es gab damals Briefe, die mir nahe gelegt haben, das Ganze doch lieber sein zu lassen, weil eine Frau nun mal nicht alleine Verbrecher mit der Waffe jagt. Das war eine Zuschauerresonanz. Wir mussten also erst beweisen, dass eine Frau, zumal eine so junge, auch Kommissarin sein kann und so hat man überlegt, sie doch nur noch in Begleitung loszuschicken; das entspricht vielleicht mehr der Realität und macht es glaubwürdiger. Trotzdem wurden die Szenen dann der Spannung wegen so geschrieben, dass Lena Odenthal dem Bösewicht am Schluss doch meist allein gegenüberstand. Es hat also ein bisschen gebraucht, ich hatte aber schnell die Frauen auf meiner Seite und die Männer mussten das akzeptieren. Die große Zahl an Kommissarinnen, die jetzt im Fernsehen ermitteln, belegt ja den großen Bedarf nach dieser Konstellation.
Mehr Frauen jedenfalls, als im realen Polizeialltag. Wie haben Kollegen, Produzenten auf Sie reagiert.
Ich weiß nur von Nicole Heesters, der allerersten Frau beim Tatort, die 1978 ganz schlimme Probleme hatte. Die wollte man wirklich loswerden. Der SWR hat schon immer Frauen ganz vorn und Nicole Heesters hat von vielen Steinen erzählt, die ihr in den Weg gelegt wurden. Die zweite war Karin Anselm und hat acht Jahre lang einen pro Jahr gemacht, bis ich kam und eher den ruppigen, raubeinigen Typen dargestellt habe, mit Lederjacke, Jeans, das war auch nicht für alle okay, hat aber insgesamt wohl bei der Akzeptanz geholfen. Ein Polizist kann einfach – ob Frau oder Mann – schießen, zurück hauen, sich prügeln.
Sind Sie privat auch eher der raue Typ?
Im Gegenteil, privat bin ich eher ein Sensibelchen, so gesehen war die raue Schale, das Toughe meiner Rolle, auch ein Instrument, mich zu schützen. Lena Odenthals weicheren Seiten kommen erst jetzt langsam zutage und das ist auch gut so. Ob sie aber irgendwann auch eine anständige Liebesgeschichte kriegt, weiß ich nicht. Ich bin immer versucht, das anzuregen und es ist auch die Frage, wie man das einbaut. Ich habe zum Beispiel keine Lust, wie Frau Furtwängler schwanger zu werden. Das müsste so gut geschrieben sein, wenn das jemandem gelänge, wäre ich wirklich überrascht. Positiv.
Zumal Kommissare im deutschen Krimi allgemein und besonders im Tatort vornehmlich triste Liebesleben aufweisen.
Das stimmt. Da könnte man durchaus lockerer werden. Ich wäre da experimentierfreudig.