Frank Plasberg; Dauerbrenner & Quizonkel
Posted: December 25, 2014 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a commentMein Lagerfeuer ist ein Grill
Seit fast 15 Jahren ist Frank Plasberg aus der ersten Reihe deutscher Fernsehmoderatoren kaum wegzudenken. Am Samstag moderiert er daher auch das Jahresrückblick-Quiz der ARD. Zeit ein zurücklickendes Interview zu zeigen, in dem der 57-Jährige mal selber befragt wird. Über hart aber fair, Kai Pflaume und ob er wieder zu den Geiselnehmern von Gladbeck ins Auto steigen würde.
Interview: Jan Freitag
freitagsmedien: Herr Plasberg, wenn man im staatlichen Rundfunk Talk- und Quizshows moderiert, bedarf es da auch eines staatstragenden Moderators?
Frank Plasberg: Nee, aber da ich mich weder durch besonders gutes Aussehen noch Hüftgeschmeidigkeit auszeichne, bedarf es offenbar eines Moderators, der aus dem journalistischen Bereich kommt. Sehen Sie mich an – optisch stehe ich eher außerhalb des Fernsehmainstreams. Und im Bergischen Land ist zudem das Charme-Gen eher homöopathisch verteilt.
Wenn Sie Ihre Herkunft nicht für Showformate prädestiniert – was dann?
Also irgendwas Showtaugliches hat der ARD-Unterhaltungschef bei hart aber fair offenbar ausgemacht. Da wird übrigens häufiger gelacht, als sie vielleicht glauben. Außerdem hat meine Neugier über die anfängliche Skepsis gesiegt; also mache nun im dritten Jahr das Quiz der Deutschen und vorher schon Die Klügsten Kinder im Norden. Mir macht das als Ausflug einen Riesenspaß, den Zuschauern offenbar auch.
Spiegelt dieser Erfolg in der Kai-Pflaume-Welt die Sehnsucht des Publikums nach dem alten Typus väterlich-vertrauenswürdiger Showmaster von früher wieder?
Ich kann den Zuschauer da auch nicht enträtseln. Aber wenn ein bestimmter Fernsehtypus zur Gewohnheit wird, tut Abwechslung gut, auch wenn ich das Genre in sehr verträglichen Dosen durchzurütteln versuche.
Was Sie Durchrütteln nennen hat eine süddeutsche Zeitung Geschmackskonsens einer Kaffeefahrt genannt.
Super! Aber ehrlich: wenn man Talkshows oder andere Sendungen etwas wie das „Quiz der Deutschen“ als Fernsehkritiker in Serie und oft unterbezahlt gucken muss, ruft das automatisch einen kritischeren Umgang hervor. Die Zuschauer genießen Unterhaltung trotz der Gebühren viel entspannter.
Gewärmt vom Lagerfeuer der Familie.
Ach, das wird ja nur noch beim ESC entfacht. Bei mir vertreiben sich Familien den Abend eher gesellig mit gehobener Heimatkunde, die im besten Fall für Gesprächsstoff sorgt. Mein liebstes Zuschauerlob, morgens in der Kölner Straßenbahn, beginnt mit „isch wollt dat eijentlisch jar nich jekuckt haben, aber…“. Da ist einer dran geblieben, einfach weil ihm gefiel, was er gesehen hat. Der lernt etwas deutsche Zeitgeschichte – das ist meinem Kerngeschäft doch ein bisschen näher als eine Kuppelshow. Mein Lagerfeuer ist eher ein Grillabend.
Aber der quotenärmere Grill, die Talkshow, ist Ihnen wichtiger.
Schon, aber auch die ist bei mir nicht unterhaltungsfrei, sonst hätte ich am schwierigen, fußballinfizierten Mittwoch keine 12,9 Prozent Marktanteil. Bei 100 Sendern unterm Diktat der Fernbedienung muss auch seriöses Fernsehen unterhaltsam sein: So wie „Bild“ mehr als bloß inhaltliche Kaufreize auslösen muss, damit man sie am Kiosk mitnimmt, brauche ich mehr als bloß trockene Sachdebatte. Gerade auf dem neuen Sendeplatz montags, 21 Uhr, wo die Quote der ARD bisher nur bei acht Prozent lag.
Immerhin mit Dokumentationen, denen hart aber fair nun den letzten frühen Sendeplatz in der ARD klaut.
Ich nehme niemandem was weg. Das Programmschema tüfteln andere aus. Und die ARD legt wert auf die Feststellung, dass unterm Strich keine Dokumentation weniger ausgestrahlt wird. Und wer sagt denn, dass man nicht auch um 22.45 Uhr ein Publikum erreichen kann und losgelöst vom Druck der frühen Sendezeit – und da weiß ich, wovon ich rede – als Dokumentarfilmer eine Resonanz erzeugt, auf die man stolz sein kann?
Wie stolz waren Ihre Eltern eigentlich, als Sie Journalist wurden?
Sie waren es über meine Arbeit bei der Schülerzeitung und der Bergischen Post; als ich mit 18 volontieren statt studieren wollte, waren sie es dann nicht mehr so. 1975 gab es ja eine, wenn auch noch harmlose, Zeitungskrise. Mein Vater war kaufmännischer Angestellter, meine Mutter Kinderkrankenschwester, ich der einzige Sohn – ihre Sorge um meine Zukunft war typisch kleinbürgerlich. Aber sie haben mich trotzdem nach Süddeutschland gehen lassen.
Unter anderem zur Münchner Abendzeitung. Haben Sie da Ihren positiven Zugang zum Boulevard trainiert?
Trainiert klingt, als müsse man sich zum Durchhalten zwingen – ich bekenne mich zum Boulevard, nicht zu verwechseln mit der Gosse. Im Idealfall vermittelt Boulevard seine Themen über Emotion statt bloß Fakten. Aber manche Redaktion baut sich bei Adelshochzeiten ungeachtet der Publikumswünsche eine Brandmauer zwischen Bauchgefühl und Hirn. Das Problem hatte ich nie. Vielleicht ist da hilfreich, wenn man nicht so der intellektuelle Typ ist.
Zeigt sich das auch in der Wahl ihrer Talkthemen?
Klar! Bei meiner Auftaktsendung am Montag wollte ich sehen, ob es in Patchwork-Familien wirklich so bunt und lustig zugeht wie viele Filme zeigen. Es geht dabei um Gefühlslagen in realen Verhältnissen, nach meiner Definition ein klassisches Boulevardthema, weil gesprächswertig. Und das hat ja auch ganz gut funktioniert. Die Quote macht Mut – sie lag ein Fünftel überm Schnitt auf diesem ungewohnten Platz. Im Übrigen: Ich habe vor guten Boulevardjournalisten oft mehr Respekt als vor Dachzimmerfeuilletonisten, die ohne Konkurrenzdruck im eigenen Gehirn recherchieren.
Gibt es an ihrer eigenen Boulevardzeit etwas zu bereuen?
Nein, als Polizeireporter habe ich getan, was man da eben tut, und es gibt einfach nicht die ideale Herangehensweise an einen Bauern, der seinen Sohn mit einem Traktor totgefahren hat. Trotzdem habe ich auch mit dem gesprochen. Das war ebenso überflüssig wie schmerzlich für den Mann. Aber eben auch der Job des Polizeireporters.
War der eine gute Schule fürs Talken?
Ich hab mir dabei den Satz „da brauch ich nicht anzurufen, das bringt eh nichts“ abgewöhnt und auch sonst viel gelernt: Grenzen zu beachten, trotzdem hartnäckig zu sein und beim Recherchieren alles zu versuchen, was vertretbar ist.
War es, im Rückblick, vertretbar, die Bankräuber auf der Flucht aus Gladbeck 1988 durchs Autofenster zu interviewen?
Das würde ich heute nicht mehr machen, klar; der Fall hat gezeigt, was passiert, wenn der Jagdtrieb mit Journalisten durchgeht. Ich habe aber noch so viel reflektiert, dass ich das Interview nicht live eingespielt habe bei meinem damaligen Sender, sondern gesagt habe, hört Euch das erst mal an und entscheidet, was Ihr damit macht. SWF 3 hat es nicht gesendet. Ein gutes Beispiel dafür, wie aktueller und brisanter Journalismus im Prinzip funktioniert. Ein Reporter versucht soviel wie möglich zu bekommen, ein Redakteur ordnet mit Distanz ein. Das ist bei der ARD so wichtig wie es beim WDR war.
Sie haben dort rund 20 Jahre erst die Aktuelle Stunde, dann hart aber fair moderiert – warum sind Sie nach so langer Zeit aus der Nische ins Rampenlicht des Ersten gewechselt?
Ich habe das nicht so empfunden, weil mich Verbreitungswege nie besonders interessiert haben. Ich wollte gute Sachen für möglichst viele Zuschauer machen. Und durch den Wechsel ins Erste hat sich daran nichts geändert, auch wenn viele das behaupten. Erst neulich kam ein Chefarzt im Restaurant auf mich zu und meinte: Im Dritten waren Sie schärfer! Da hab ich ihm einen Tipp gegeben: Gucken Sie sich die Wiederholung morgen im Dritten an und alles ist wie früher.
Und das im 13. Jahr…
Ist das wahr…
Wie lange kann man sich für so ein Format motivieren?
Die ARD sorgt ja immer wieder für einen Neustart und nun wollen wir mit frischer Kraft einen neuen Sendeplatz erobern.
Eben sagten Sie, selbst beim Wechsel vom WDR zur ARD habe sich nichts geändert?
Da haben Sie gut aufgepasst. Und in der Tat kriegen wir keinen Gast leichter im Ersten als im Dritten, genauso, wie wir auf beiden Sendern seltener als andere die extrem relevanten AAA-Promis hatten. Wir gelten nun mal als schwierig für geschmeidige Profitalker, aber genau das mag das Publikum. Das macht uns wiedererkennbar. Auch unser Markenzeichen Einspielfilme haben wir beibehalten. Andere machen das inzwischen auch, aber eine Studie hat uns kürzlich gelobt, dass wir sie eben am sinnvollsten einsetzen. Es würde mich freuen, wenn die Zuschauer das auch so empfinden.
Welche Unterschiede gibt es noch zwischen all den Talkshows im Ersten?
Stimmung, Zuspitzung, Dramaturgie. Die Temperaturen werden sich unterscheiden.
So sehr, dass es fünf geben musste?
Muss es fünf Automarken geben? Nimmt die Vielzahl der Talkshows nicht auch Druck von den einzelnen, alle zufrieden stellen zu müssen? Das sind philosophische Fragen. Ein Fernsehkritiker, der Programmschemata untersucht, verhält sich anders als Zuschauer, die nach Lebenswelt, Tagesform, Vorlieben einschalten. Das werden wir am neuen Sendeplatz bedienen müssen. Der Hauptunterschied ist, dass wir uns als Talkmagazin verstehen und als einzige in der originären Primetime um 21 Uhr stattfinden. Das ist Chance und Bürde zugleich.
Es wird also nicht zu viel getalkt?
Ich würde mir auch wünschen, es gäbe eine einzige Talkshow, die ich moderiere. Allein – das müsste ich dann in Nordkorea, nicht in einer Mediendemokratie machen. Ich würde mich immer für Vielfalt entscheiden. Die Gefahr der Marginalisierung sehe ich allerdings auch.
Wünschen Sie sich Christiansen-Zeiten zurück?
… die stets Große Köpfe hatten und nie drauf achten mussten, wie man mit Gästen umgeht, die zum ersten Mal im Fernsehen sind und dann gleich 75 Minuten? Da führen wir intensive Gespräche, auch zum Schutz vor sich selbst. Man muss einer Hartz-IV-Empfängerin, und sei sie noch so eloquent, im Vorweg klar machen, dass ihr Auftritt weder die anwesenden Politiker noch die Gesetzgebung ändern wird. Da spüre ich große Verantwortung, fast eine Beschützerfunktion.
Wobei Sie jetzt selbst einen Beschützer haben, den Talkshowkoordinator im Ersten.
Thomas Baumann ist ein sehr sachorientierter Journalist. Nebenbei: Als Vater erwarte ich von meinen Kindern, dass sie jedes Essen erstmal probieren, bevor sie sagen, schmeckt nicht. So sollte sich auch die Mutter ARD verhalten. Wenn die merkt, dass so eine Gästedatenbank, wie sie der Koordinator verwaltet, am Ende nicht sättigend ist, wird sie sie überdenken.