white/fantasma/mars needs woman/life in film

Matthew E. White

Mellow ist wohl das, was Matthew E. White am allernächsten kommt. Ein Attribut, das mit sanft nur unzureichend übersetzt ist. Wie in wohligem Fruchtwasser gesungen, warm und behaglich, selbstzufrieden, tiefenentspannt, um nicht von irgendwas mit Honig, Samt und so Sachen zu sprechen: Wenn der Südstaatenjunge zwischen seinem Namensvetter Barry und den Fun Lovin‘ Criminals von Glaubensdingen wie der Liebe erzählt, fühlt man sich in den Mutterleib zurückversetzt – wenn auch einer, der morgens zur Arbeit in die Fabrik muss, wo es rauscht und scheppert und zischt. Zehn Tracks lang legt sich sein zweites Album Fresh Blood wie eine Lichttherapie aufs Gemüt, bei der gelegentlich die Glühbirnen flackern. Immer wieder rasseln nervöse Saitenwinde durch klavierbetupfte Harmonien, als vertone Hitchcock einen Duschkabinenmord. Der Aberwitz von Whites visionärem Southern Rock Souls war beim Debüt Big Inner vor zwei Jahren zwar noch größer; doch mit 32 Jahren hat der buddhistisch anmutende Zausel die Ruhe gefunden, das Publikum gleichermaßen einzulullen und aufzuwühlen, oft innerhalb weniger Takte eines Albums, das dem dräuenden Krisenjahr 2015 gleich zu Beginn eine wunderbar sanfte Note verpasst.

Matthew E. White – Fresh Blood (Domino) 

Fantasma

Süffig dagegen wird es dank Fantasma, einer Band aus Südafrika, die sich nicht erst mühsam auf die Suche nach passenden Attributen macht, sondern ihrem Fusionsound ein Etikett erfindet: Guzu. Das kann man übernehmen. Man kann es auch lassen. Die hitzige, fast virile Mixtur aus heimatlichem Kwaito, amerikanischem HipHop und staatenlosem Techpop wirkt derart mitreißend, dass sich jede Art Branding als Gefasel erweist wie der Versuch, den Kontinent im Ganzen greifbar zu machen. Fantasmas Debütalbum Free Love ist nicht mehr, nicht weniger als das ortübliche Mashup klanglicher Mikrokosmen, denen die musikalischen Produktionsressourcen fehlen und daher zusammenpacken, was eben verfügbar ist. In den lebenssatten Slums von Accra über Nairobi bis Johannesburg wird der Pop daher gern erst de-, dann rekonstruiert, bis die Welt afrikanisch klingt und Afrika global. Das Quartett um den Percussionisten DJ Spoko tut das jedoch mit einer Grandezza wie weiter nördlich allenfalls Culture-Clash-Remixer wie M.I.A. oder Mano Negra, zutiefst eigenartig, doch hinlänglich bekannt, Tanzmusik für den kosmopolitischen Geschmack. Als läge die Westbronx in Kapstadt.

Fantasma – Free Love (Soundway Records)

Mars Need Woman

Nun lässt sich drüber streiten, ob es ständig rekonstruierter Dekonstruktionen bedarf, statt der Welt des Pop mal wieder genuine Neuigkeiten zu schenken. Etwas, bei dem sich die Versatzstücke nicht nur möglichst abstrus ergänzen, sondern so befruchten, dass Unerhörtes entsteht. Brauchen wir also eine weitere Band, die alten Psychobeat mit uraltem Country zu urälterem Rock’n’Roll vermengt, als wäre „Chuck Berry ein Riot Grrrl“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt? Antwort: Wo man das, was diese Band macht, noch nie gehört hat, schon. Von daher war es aus PR-Sicht klug, dass sich Peta Devlin, Barbara Hass und Susie Reinhardt nach jahrelanger Praxis von Die Braut haut ins Auge bis DM Bob nun zu Mars Needs Woman vereint haben. Würde man den Sound des weiblichen Supertrios ohne Kenntnis der verwendeten Stile hören, wäre ihr selbstbetiteltes Debütalbum schlichtweg grandios. Doch auch wenn die Platte dem Genre nichts Wesentliches hinzufügt, macht sie vom 1. bis zum 13. Stück pausenlos Spaß. Das liegt allerdings auch am schrillen Auftritt in silbernen Ganzkörperanzügen mit wirren Künstlerinnennamen. That’s Entertainment.

Mars Need Woman – Mars Need Woman (B-Sploitation)

Life In Film

Mit dem sich Life In Film nicht über Gebühr herumplagen müssen. Die vier Londoner machen schließlich das, wofür es noch immer nur eines Minimums an extraordinärer Selbstdarstellung braucht, um auskömmlich wahrgenommen zu werden. Es nennt sich Britrock, auf dem Debütalbum Here It Comes klar beeinflusst von Garagensound der The Strokes, Uptempo-Alternative mit getexteten Selbsterfahrungsberichten zu fluffigen Gitarrenriffs voller Soli, die diesseits der feinen Grenze zum Hardcore verlaufen. Und dann sehen die Verantwortlichen noch nicht mal allzu postertauglich aus. Gut, mal abgesehen von Samuel Fry, der dafür jedoch ebenso wenig kann wie für seine einprägsame Stimme, die das Indie-Konstrukt branchenüblich trägt. Der Name Life In Film steht also bislang nicht für etwaiges Celebrity-Gehabe, auch wenn die erste Singleauskopplung Get Closer gefällig ins Langzeitgedächtnis hüpft. Entertainment wird hier eben weit kleiner geschrieben als Unterhaltung. Keine für den Rockolymp, aber durchaus für den großen Spaß im verschwitzten Kellerclub.

Life In Film – Here It Comes (Embassy Of Music)

Mehr Text’n’Sound’n’Kommentare unter http://www.zeit.de/kultur/musik/2015-02/jimmy-somerville-matthew-white-life-in-film-fantasma

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