Sibel Kekilli: Gier & Springer

Die machen ihren Job, ich meinen

Als Sibel Kekilli mit Fatih Akin gerade den Durchbruch geschafft hatte, ging die junge Schauspielerin durchs Stahlbad des Boulevards, der ihre Porno-Historie aus der Versenkung zog. Mittlerweile spielt sie im Kieler Tatort und hat sich auch sonst freigeschwommen, wie sie vor einigen Jahren bereits in Dieter Wedels Mehrteiler Gier zeigte. Bevor die 34-Jährige Heilbronnerin Sonntag wieder an der Seite von Axel Milberg ermittelt, zeigen freitagsmedien ein Interview, in dem sie erzählt, wie steinig der Weg dorthin war.

freitagsmedien: Guten Tag Frau Kekilli, Jan Freitag, von der Bild-Zeitung.

Sibel Kekilli: Sehr witzig. Das wüsste ich.

Wenn es denn so wäre, würden Sie mit mir sprechen, nach allem, was vorgefallen ist?

Ja, denn Vergangenheit ist Vergangenheit. Und ich habe schon mit Bild gesprochen in Südafrika und eben gerade mit Herrn Wedel zusammen.

Haben Sie Berührungsängste mit dem Boulevard?

Mit der Yellow Press meinen Sie? Überhaupt nicht. Die machen ihren Job, ich mache meinen, Da gibt es keine Vorbehalte, aber ich bin natürlich vorsichtig geworden. Aber Berührungsängste habe ich nicht.

Ihre Rolle in Gier ist in gewisser Weise ja auch eine boulevardtaugliche: Als Mitarbeiterin eines Escord-Services.

Inwiefern?

Etwas verrucht, etwas liebenswert, etwas sexy, etwas dubios, etwas nuttig.

Nuttig finde ich viel zu heftig ausgedrückt, das klingt so ausgeliefert, aber sie ist ja die einzige, die sich in diesem Sog von Dieter Glanz nicht verliert, die nicht auf ihn reinfällt, wenn um sie herum mit Geld um sich geschmissen wird. Sie verdient zwar ihr Geld, indem sie seine Gäste unterhält, ist aber auch die einzige, die Zugang zu ihm hat. Sie ist zerrissen zwischen Liebe, Pflicht und Freundschaft. Vor allem aber ist sie zerrissen in dieser Scheinwelt von Luxus und Reichtum. Sie fühlt sich von der Glamourwelt angezogen und abgestoßen zugleich.

Geht es Ihnen genauso?

Darüber muss ich mir keine Gedanken machen, weil sie sehr fern von meiner realen Welt ist. Ich bin ziemlich zufrieden mit der Art wie ich lebe.

Die ja von unverhofftem Reichtum oder Ruhm schnell aus den Fugen geraten könnte.

Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ich in dem Fall meinen Freundeskreis verändern würde oder meinen Lebensstil. Das ist mir auch durch den Eintritt in die Filmwelt nicht widerfahren, meine Freunde sind noch dieselben wie zuvor, meine Welt ist eigentlich die gleiche und ich hoffe mal, dass das in alle Ewigkeit so bleibt.

Hat Sie denn die Schauspielerei verändert, in die Sie ja ohne Vorbereitung hineingepoltert sind?

Im Großen und Ganzen bin ich mir treu geblieben, aber es wäre dennoch schrecklich, wenn sich in meinem Leben nichts getan hätte seither, wenn ich mich nicht weiterentwickelt hätte. Aber diese Branche hat mich nicht mehr verändert, als das Leben einen in sechs, sieben Jahren verändert. Ich werde bald 30, da bin ich zum Glück nicht mehr dieselbe wie mit 23. Und natürlich nimmt die Filmszene Einfluss auf die Persönlichkeit, aber genau anders als im Sinne eines Abhebens. In der Öffentlichkeit wird man vorsichtiger, man sucht sich seine Freunde genauer aus und versucht dem Schein um einen herum zu entgehen. Diese Wachsamkeit ist besonders beim Drehen von Bedeutung. Da ist man für einige Wochen wie eine Familie, aber nach der letzten Klappe muss man sehr genau in sich reinhören, was davon bleibt und was für den Moment war. Ich kann das ganz gut, denke ich.

Sie sind also kein Typ für den Roten Teppich?

Haben Sie mich oft auf einem gesehen?

Ich lese keine Gala…

Meistens halte ich mich von Partys, Veranstaltungen, etc. fern.

Auch von Rollenfestlegungen?

Ich versuche es.

Das fällt den Medien, Produzenten, Zuschauern schwerer. Welche Arten von Rollen werden Ihnen gemeinhin angeboten?

Mittlerweile fast alle. Was man aber immer noch scheut, sind Komödien. Komische Rollen werden mir gar keine angeboten. Das höchste der Gefühle war in diesem Fach eine finnisch-deutsche Tragikomödie. Schade, eigentlich.

Auch nicht in Gier?

Da ist ja noch mehr Tragik als Komik. Das ist ja wie im richtigen Leben, wo die unstillbare Lust auf Geld und Anerkennung und Liebe und Luxus bisweilen lustige Züge annimmt. Was ich am Anfang natürlich viel auf dem Tisch hatte, waren es türkische Rollen, aber auch das hat sich geändert. Mittlerweile spiele ich herkunftsloser, wie in Gier ja auch.

Stört es dennoch, wenn man Sie mit Ihrer Biografie der eingeborenen Deutschen, auf die Herkunft der türkischen Eltern festlegt?

Sicher, wobei es türkischstämmige Schauspieler gibt, die da weitaus mehr mit zu kämpfen haben als ich. Es ist einfach nur schade, das viele bei der Besetzung vor allem auf die Namen und Nationalität achten und nicht darauf, wie gut die Schauspieler spielen können.

Lehnen Sie eine Rolle ab, wenn Sie das Gefühl haben, aus diesem Grund ausgewählt worden zu sein?

Nein, für eine Absage müssen schon noch mehr Faktoren zusammenkommen, als zu türkisch zu sein. Wenn mir die Geschichte nicht gefällt, wenn sie keinen Sinn ergibt, keine Hintergründe offen legt, lehne ich eine Rolle ab. Aber all dies war bei Dieter Wedel keine Gefahr.

Wie war es, mit ihm zu arbeiten, dem Topregisseur des deutschen Fernsehens?

Man spürt, dass er einer der wenigen Regisseure ist, die nahezu jeden noch so namhaften Schauspieler für ihre Filme kriegen. Tatsache ist, dass er etwas ist, was selten geworden ist: Dieter Wedel ist ein echter Regisseur; er führt Regie, indem er am Set wirklich führt. Viele sitzen da und warten erst einmal ab, bis sich die Schauspieler selbst führen. Dieter Wedel nimmt sich viel Zeit, nimmt sich der Leute an, macht vorher Spielproben, arbeitet unglaublich detailgetreu, achtet auf alles, die Mimik, die Aussprache, das Timing – dadurch habe ich enorm viel gelernt. Man konnte sich wirklich fallen lassen in der Rolle.

Nimmt das dem Schauspieler nicht auch den Freiraum zur Entfaltung?

Nein, denn man konnte trotzdem über seine Rolle diskutieren.

Ist er so aufbrausend am Set wie man sich erzählt?

Ach, was immer geredet wird… In jedem Beruf kursieren die wildesten Geschichten über die Kollegen. Wenn er sich aufgeregt hat, hatte es schon seine Berechtigung, aber er war nicht nachtragend, das war das Wesentliche.

Wird man bei der Arbeit anders behandelt, wenn man wie Sie keine klassische Schauspielausbildung genossen hat?

Nicht dass ich wüsste. Zum Beispiel hatte Jürgen Vogel keine klassische Ausbildung, Daniel Brühl nicht, Romy Schneider; man muss sich von dem Druck selber befreien, sich minderwertig zu fühlen.

Heißt das im Umkehrschluss, eine richtige Ausbildung ist gar nicht nötig?

Das wäre ja unfair den Ausgebildeten gegenüber, als hätten sie ihre Zeit verschwendet. Ich würde sagen, das wichtigste ist Talent, sonst ist das eine wie das andere schwierig. Außerdem Kritikfähigkeit, Offenheit, Praxis, Weiterbildung und ein guter Regisseur.

Und Mut, sich allein vor anderem beim Drehen so zu offenbaren?

Mutig sind Feuerleute, nicht Schauspieler. Wobei ich wirklich Respekt vorm Mut zur Hässlichkeit habe, den nicht jeder in meinem Beruf so einfach aufbringt. Oder den Mut, wirklich etwas von sich preiszugeben. Mut ist dafür ein zu großer Begriff; man braucht manchmal Überwindung.

Hat es Ihnen geholfen, sich in diesem Metier zu überwinden, dass Sie sich zuvor mit Gelegenheitsjobs und schlechten Startbedingungen durchschlagen mussten?

Vergangenheit ist Vergangenheit. Die will ich nicht für das verantwortlich machen, was aus mir geworden ist. Das Fatih Akin mich für Gegen die Wand genommen hat, lag sicher daran, dass ich ihn beim Casting unter 350 Mitbewerberinnen überzeugt habe. Da glaube ich mehr an Zufälle, die man kaum beeinflussen kann. Und der gehörte sicher dazu.

Andererseits klingt es noch mal doppelt schwierig, als blutige Anfängerin gleich an der Seite von Birol Ünel zu spielen, der als völlig unberechenbar und schwierig gilt.

Noch so ein Gerede über andere Leute… Jeder sollte seine eigenen Erfahrungen mit Menschen machen und ich habe die Arbeit mit ihm genossen, wie ich bislang auch jede andere Arbeit genossen habe; ob fürs Kino oder fürs Fernsehen.

Ist es nach so einem großen Kinostart etwas anderes, fürs Fernsehen zu arbeiten?

Ja, aber das zeigt sich nur in Details, es gibt einen anderen Zeitrahmen, andere Budgets, aber die Arbeit an sich ist die Gleiche.

Wenn man einmal für Dieter Wedel gearbeitet hat, landet man schnell in seiner Drehfamilie. Besteht die Gefahr auch für Sie?

Na ja, jetzt muss der hier erst mal laufen, dann sehen wir weiter, da kommt vielleicht noch einmal ein Projekt. Ich würde es jederzeit wiedermachen.

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