Klaußner: Bürgermeister & Populistenhasser
Posted: January 14, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a comment
Ich spiele seit jeher gern Politiker
Mit Die Stadt und die Macht wagt das Erste Programm gerade etwas Großes in drei Doppelfolgen: Politik zum Serienthema zu machen. Burghart Klaußner spielt dabei Berlins Bürgermeister im Wahlkampf mit Anna Loos. Zum heutigen Staffelfinale spricht der 66-jährige Schauspieler über politisches Entertainment, die Rolle von Pegida und warum er nie Komödien spielt.
Interview: Jan Freitag
freitagsmedien: Herr Klaußner, während Serien mit politischem Schwerpunkt grad in Deutschland seit jeher durchfallen, fiktionalisiert die ARD nach House of Cards und Borgen ausgerechnet dann Regierungshandeln, da Politikverdrossenheit in Politikerverachtung umschlägt. Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Burghart Klaußner: Ob das ein Trend ist, vermag ich nicht zu sagen; dafür kenne ich mich mit Fernsehen zu wenig aus. Ich bin froh, hier mit einer interessanten Figur vor realem Hintergrund mitmachen zu können.
Warum?
Weil momentan in der Politik ein düsteres Kapitel aufgeschlagen wird. Was Sie Politikerverachtung nennen, ist darin zu einem Großteil Selbstverachtung, von Leuten, die dazu neigen, persönliche Unzufriedenheit auf vermeintliche Sündenböcke abzuwälzen. Die öffentliche Auseinandersetzung ist eskaliert, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten hätte. Mir scheint, die Bemühungen meiner Generation, eine zivilisierte Gesellschaft zu errichten, ist durchaus gefährdet.
Haben Sie als öffentlich vernehmbare Stimme die Chance, darauf Einfluss zu nehmen?
Da sind durchaus Schritte möglich, die zwar – wie in der Kunst üblich – eher Millimetergröße haben, aber keineswegs folgenlos sind. Insofern: Ja.
Eine Serie wie Die Stadt und die Macht kann also in Diskurse eingreifen?
Ich glaube schon, allein über die Zahl der Zuschauer. Die Frage ist halt nur: wo zielen wir hin, was wollen wir erzählen?
Ja?
Mir ist wichtig, dass Politik immer von Menschen gemacht wird, nicht von Marionetten. Anders als von Pegidisten beschworen, sind sie allenfalls Teile von Machtapparaten, aber doch Personen aus Fleisch und Blut, mit Meinungen und Haltungen. Ich bin ein großer Freund derer, die sich ohne absoluten Machtanspruch für Politik engagieren, sonst wäre unsere Zivilisation rasch zum Scheitern verurteilt. Davon erzählt diese Serie, von Demokratie und dem gefährlichen Bestreben, sie zu unterwandern.
Wodurch genau?
Betrug – an sich und anderen, nach dem Motto: Einen trink ich noch, den sieht die Leber gar nicht.
Aber in dieser Serie trinken doch alle dauernd noch einen in der Gewissheit, weder die Leber noch sonstwer kriegt es mit. Ist das nicht Öl ins Feuer jener, die ohnehin behaupten, an Presse und Politik sei alles Lüge?
Wer für komplexe Vorgänge nur einfachste Erklärungen sucht, dem ist mit Argumenten ohnehin nicht beizukommen. Die Serie zeigt, wie es ist, wenn Kontrollmechanismen versagen, was man als Appell zum konstruktiven Einschreiten verstehen darf, nicht gewalttätig und verroht wie bei Pegida und AfD. Wer nicht begriffen hat, dass der Stärkere den Schwächeren helfen sollte, hat nichts begriffen.
Darf das Unterhaltungsmedium Fernsehfilm sich da so stark positionieren wie Sie es gerade tun?
Ja, denn Positionierung und Entertainment schließen sich überhaupt nicht aus. Jedes Handeln beeinflusst sein Umfeld, ob wir wollen oder nicht. Unsere Aufgabe als Schauspieler ist demnach gerade, Verantwortungsbewusstsein möglichst unterhaltsam zu gestalten.
Wie unterhaltsam ist denn ihr Bürgermeister Degenhardt, der als kalter Machtmensch geschildert wird?
Im Rahmen unserer Geschichte ist meine Figur vor allem Funktionsträger, der weniger ausdifferenziert wird als seine Konkurrentin Susanne Kröhmer oder ihr Vater, gespielt von Thomas Thieme. Aber es wird deutlich darauf hingewiesen, dass auch dieser Bürgermeister mal von Idealismus getrieben wurde, der sich im System bloß abgenutzt hat. Je länger man sich auf Posten festsetzt, desto schwerer lässt man sich davon verdrängen. Aber auch er hat natürlich eine Leiche im Keller. Die hat ja fast jeder.
Sie auch?
Nein, ich nicht. Für Degenhardt ist Berlin – die einzige Analogie zu Klaus Wowereit – so was wie eine eigene Westentasche, in der er sich durch so manche Legislaturperiode wurschtelt.
Wo Sie ihn mit einem leibhaftigen Ex-Bürgermeister vergleichen: Ist er realistisch oder spielt ihn der Theatermann Klaußner auch ein wenig artifiziell?
Er ist exakt so realistisch, wie es mir zu Gebote und im Drehbuch steht. Ich spiele seit jeher gerne Politiker, weil ich mich schon früh für Politik interessiert habe und dabei immer ahnte, dass dieser Beruf für charakterliche Geradlinigkeit zu komplex ist.
Liegt es an Ihrer Nachfrage oder dem Angebot, dass Sie so oft reale Figuren der Zeitgeschichte spielen?
Ich glaube, dass fiktionale Figuren ebenso real sein können. Selbst Superhelden können ja viel über normale Menschen erzählen; das ist eine Frage der Herangehensweise. So richtig fremd sind mir daher nur völlig ausgedachte Charaktere, ohne Bezug zur Wirklichkeit.
Ist das ein Grund dafür, dass man Sie nie in Komödien sieht?
Davon abgesehen, dass gute Komödien explizit an die Realität andocken, haben Sie recht: das Genre fehlt mir zurzeit, zumindest im Film.
Müssen Sie halt was eigenes entwickeln…
Eigentlich schon oder? Irgendwann ist das Genre fällig.