Frauke Köppel & Jerry Lewis

0-GebrauchtwocheDie Gebrauchtwoche

25. – 31. Januar

Frühjahr, Karneval, die fünfte Jahreszeit: Wie immer weicht das Dunkel langsam dem Licht. Und kaum dass ein Dutzend Alphabet-Prominenter von gestern den Dschungel von heute verlassen hat, ziehen auch schon ihre Nachfolger von morgen in Heidi Klums Urwald vormoderner Geschlechterzurichtung. Auch wenn die Sesamstraße nach 47 öffentlich-rechtlichen Jahren vom Bezahlkanal HBO gekauft wurde und fortan noch stärker von vielschichtig auf oberflächlich poliert werden dürfte, funktioniert das alte Fernsehen offenbar weiterhin fast wie zu Zeiten, da es noch von Helmut Oeller verwaltet wurde: berechenbar, wertkonservativ, selbstherrlich, machtbewusst.

Bis 1987 war er TV-Direktor des Bayerischen Rundfunks, der bei dessen Amtsantritt 16 Jahre zuvor noch knietiefer im braunen Blut- und Bodensumpf stand. Unter seiner Ägide klinkte sich der BR gern mal aus ARD-Sendungen von Panorama bis Scheibenwischer aus, falls sie der reaktionären Staatsräson im Königreich Franz-Josef Strauß‘ widersprachen. Und als die US-Serie Holocaust 1978 Deutschalnds Kollektivunschuld in Frage stellte, kämpfte Oeller so verbissen gegen deren Ausstrahlung im Ersten, dass sie ins Dritte verbannt wurde.

Was soll man da sagen, wenn er nun mit 93 Jahren gestorben ist – Beileid? Sprechen wir lieber darüber, was seine Brüder im Geiste heute so für Plattformen erhalten. Bei Maischberger etwa durfte das stramm deutsche Mädel Petry Mittwoch wieder vor Millionenpublikum ihre Verschwörungspropaganda absondern, was der extremen Rechten dank des elitären Hetzredners Roger Köppel an ihrer Seite (und abzüglich des neoliberalen Olaf Henkel) eine personelle Pattsituation bescherte. Bei Anne Will hingegen blieben die Plätze links der Rechten gänzlich frei, als sich CDU, CSU und EKD um AfD-Sprecherin Beatrix von Storch scharten.

0-FrischwocheDie Frischwoche

1. – 7. Februar

Man wünscht sich dieser Tage wirklich, von all dem Irrsinn nichts mehr mitzukriegen. Etwa durch Auswanderung, mehrjährigen Schlaf oder auch retrograde Amnesie, wie sie die wunderbare Ursula Strauss am Mittwoch im ARD-Beziehungsdrama Meine fremde Frau erleidet. Nach einem Autounfall im Anschluss ans Date mit Lover wacht ihre Krankenpflegerin Maria ohne Erinnerung ans alte Leben inklusive der Existenz von Ehemann Bruno (Harald Krassnitzer) samt Kindern im Wiener Krankenhaus auf.

Nun sind Gedächtnisverluste wie Zauberkräfte oft wohlfeil, um Handlungen Schwung zu verpassen. Hier aber entspinnt sich eine intensive Jagd nach dem Urzustand aller Beteiligten, die nur am Rande mit Unfallflucht zu tun hat; es geht ums Vergessen, das schon vor der Amnesie begann: von Hingabe, Ehrlichkeit, Moral. Verantwortlich dafür ist Lars Becker, der am Montag zuvor im ZDF erneut zeigt, dass seine Nachtschicht auch im 13. Einsatz zum Besten im Krimiland gehört. Das Highlight der Woche ist aber eine Doku von Eric Friedler. Der Spürhund abseitiger Themen mit Strahlkraft widmet sich Mittwoch (22.45 Uhr, ARD) zwar Jerry Lewis, porträtiert den Weltstar jedoch anhand eines KZ-Dramas, mit dem er 1972 seine ernste Seite zeigen wollte – und krachend scheiterte: Der Film kam nie ins Kino. Warum, das klärt Der Clown so spannend und unterhaltsam, dass es zwei Stunden zum Niederknien ist.

Auf andere, weniger pathetische, aber sehr erfolgreiche Weise hinreißend ist der Talk-Host Jimmy Fallon. Als Nachfolger der legendären Johnny Carson und Jay Leno in The Tonight Show ist er seit 2014 eine amerikanische Fernsehinstitution; nun kann man sie auch bei uns am Bildschirm sehen: Montag bis Freitag ab 23 Uhr (Eins Festival). Endlich ein bisschen Konkurrenz für Jan Böhmermann… Glamour anderer Art zeigt 3sat am Donnerstag ab acht vier Stunden lang. Wobei Anbahnung und Übertragung des Wiener Opernballs gar nicht wegen des Festes an sich glitzern; ansehnlicher ist die heillose Selbstüberschätzung, mit der sich die Beteiligten seit 60 Jahren als Nabel der Welt wähnen.

Älter ist naturgemäß die schwarzweißte Wiederholung der Woche: Fanny, ein französisches Drama um Liebesbeziehungen im Konventionsknast des Jahres 1932 (Dienstag, 0.55 Uhr, Arte). Dorthin hätte auch ein Pedant wie Fabrikdirektor Stimpson gepasst, doch in Clockwise (morgen, 20.15 Uhr, Servus) ließ ihn John Cleese 1986 am eigenen Ordnungswahn scheitern, was auch 30 Jahre später urkomisch ist. Weniger komisch als erschütternd sind die Ursprünge des Siegeszugs von BMW, dem die ARD am Montag (23.30 Uhr) eine Doku zum 100. Geburtstag widmet. Der Titel Glanz und Elend eines Weltkonzerns deutet daraufhin, dass es auch ums unsägliche Schweigen der Quandts zum Nationalsozialismus geht, der die Familie zu einer der reichsten Deutschlands gemacht hat.

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