David Kross: Hollywood & Bargteheide

KrossSpielberg? Cool!

So ganz kann es David Kross (Foto: SWR/Brackmann) noch immer nicht glauben, dass er zu den wenigen deutschen Schauspielern zählt, die in den USA mehr als Nazis spielen dürfen. Doch seit der Junge aus Bargteheide bei Hamburg in Detlef Bucks Knallhart ein Bürgerskind im Ghetto gespielt hat, ging es für ihn flugs bis nach Hollywood. Acht Jahre nach Der Vorleser kehrt er als Assistent des Frankfurter Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (Ulrich Noethen) im Kampf mit NS-Seilschaften der Nachkriegszeit zurück ins deutsche Fernsehen (heute, 20,15 Uhr). Ein Gespräch über seinen kometenhaften Aufstieg, den General Fritz Bauer und was der Film gegen sein Image als Mr. Nice Guy ausrichten kann.

Interview: Jan Freitag

David Kross, Sie sind tatsächlich erst Mitte 20, stammen aus dem kleinen Bargteheide bei Hamburg.

David Kross: Was man dort höchstens als Autobahnkreuz kennt.

Und sind dennoch einer der international profiliertesten deutschen Schauspieler.

Ach, profiliertesten; sagen wir mal so: Ich arbeite noch (lacht).

Für herausragende Regisseure in wichtigen Produktionen. Wie geht man als Provinzkind Ihres Alters mit diesem Erfolg um?

Instinktiv und spontan. Mein ganzer Werdegang ist mir ja eher passiert, als geplant gewesen zu sein – auch wenn man natürlich nie nur passives Objekt seiner Umstände ist. Nach ein paar kleinen Kindersachen die erste große Rolle gleich mit Detlef Buck zu spielen…

2006 in „Knallhart“, als bürgerliches Kind im rauen Neukölln.

… das war natürlich auch Glück, dessen bin ich mir stets bewusst. Zumal ich damals noch gar kein richtiger Schauspieler war. Einmal die Woche zur Theaterprobe war ja eher wie Fußballtraining; da fühlt man sich in dem Alter doch auch noch nicht wie ein Profi…

Der wurden Sie allerdings seit „Knallhart“ in Windeseile. Kann man sich das als Perpetuum Mobile vorstellen, das einmal in Gang gebracht endlos aufwärts schwingt?

Auf keinen Fall. Gerade am Anfang schwebt man nicht dauernd in einer Wolke der Inspiration toller Regisseure. Die Tatsache, dass mir meine Karriere anfangs eher widerfahren ist, hat zwar eine gewisse Lockerheit gebracht; aber ohne klassische Ausbildung kommt man nur mit Ausdauer, Arbeit, Routine, ein paar Tricks und ständiger Fortbildung weiter. Anders geht es weder schauspielerisch noch stimmlich weiter. Ich war mir meiner Grenzen immer bewusst.

Mussten die besonders solide sein, um als deutscher Teenager mit Welterfolg nicht abzuheben?

Um abzuheben, stelle ich mich selber viel zu oft – manchmal fast ein bisschen viel – infrage; dafür bin ich gar nicht der Typ. Zum anderen ging es nie nur aufwärts; auch ich musste mich mal von Casting zu Casting durchschlagen. Die Realität hat mich am Abheben gehindert.

Wird man nicht wählerisch, wenn gleich am Anfang Hollywood im Portfolio steht?

Vielleicht insofern, als ich noch kein einziges Projekt hatte, für das mir die Motivation gefehlt hätte. Ohne die geht es bei mir nicht; schließlich ist Drehen echte Arbeit.

Zumal Sie oft mehrsprachig drehen, neben Deutsch auch Englisch und Französisch.

Aber nicht, weil ich so ein Sprachtalent hätte, sondern ganz gut Texte lernen und die Aussprache nachahmen kann. Deshalb sind auf dem Filmfest in Cannes viele Franzosen auf mich zugekommen und haben einfach drauflos geplappert, weil sie dachten, ich könne so gut Französisch wie in „Angélique“. Das geht Ulrich Noethen jetzt wohl in Dänemark ähnlich.

Weil er als Titelfigur Fritz Bauer in „Der General“ ein dänisches Interview gibt.

Aber auch kein Wort Dänisch spricht. Zu merken ist das nicht.

Kannten Sie diesen Staatsanwalt im Kampf mit alten Nazi-Seilschaften vorher?

Ja, „Der Vorleser“ handelte ja auch im weitesten Sinne von den Auschwitz-Prozessen, wofür ich mich damals im Jüdischen Museum vorbereitete hatte und auch ein dickes Buch über Fritz Bauer in den Händen hatte. Dennoch bin ich ihm erst jetzt wirklich nahe gekommen; das war ja nicht wirklich meine Zeit.

Und wird es von immer weniger Menschen, je länger sie zurückliegt. Was hat sie heutzutage für eine Relevanz?

Eine große. Der Kampf gegen die Geister der Vergangenheit ist nostalgisch und zugleich aktuell. Mein Opa fand Adenauer toll und hatte vor allem Angst vor Kommunisten. Für den ist es noch heute wichtig und richtig, einen Film zu sehen, der zeigt, wo die Gefahr damals wirklich lag. Und für Spätgeborene wie mich ist es faszinierend, wie dieser Fritz Bauer gegen alle Widerstände durchzieht, wovon er aus tiefster Seele überzeugt ist, selbst wenn es ihn einsam macht. Das hat viele an Whistleblower wie Edward Snowden erinnert und mich schon deshalb so bewegt, weil ich daraufhin in mir selber gesucht, aber nichts gefunden habe, wofür ich mit dieser Konsequenz so komplett einstehen könnte.

Machen Sie Filme, um damit bei sich und anderen etwas zu bewirken?

Zunächst mal gucke ich, ob er mich emotional berührt. Und wenn ich mich daraufhin selbst hinterfrage, kann das durchaus aufs Publikum abstrahlen. Unabhängig davon, dass „Der General“ ein spannender Politthriller ist, zeigt er eben eine Figur, die keinesfalls in Vergessenheit geraten sollte. Was man aber nur in Kontrast zu meiner Figur wirklich versteht, dem vermeintlich mutigen Staatsanwalt an Fritz Bauers Seite, der das Opfer seiner eigenen Ängste vor Kommunisten, Krieg, Unordnung wird.

Also endlich mal nicht so nett ist wie die meisten ihrer sonstigen Figuren.

Ganz genau! Außerdem ist sei ein bisschen älter. Beides eröffnet mir viel bessere Spielmöglichkeiten als Mr. Nice Guy

Kann man so eine Hauptrolle mit einer Nebenrolle in Steven Spielbergs „Die Gefährten“ vergleicht?

Schwer. Schauspielerisch ist „Der Generell“ natürlich anspruchsvoller und erwachsener. Aber wenn Spielberg anruft, sagt man nicht nein. Ich hab zwei Monate Reitunterricht von den besten Lehrern für fünf Sekunden auf dem Pferd gekriegt; das sind einfach andere Dimensionen der Professionalität als bei uns. Dafür muss der Regisseur noch nicht mal Spielberg heißen. Aber wenn er es ist, sagt man als Deutscher dennoch: Spielberg? Cool!

Das scheint Spielberg ja auch von Kross zu denken, sonst hätte er jemand anderen fragen können. Empfinden Sie sich eigentlich als berühmt?

Phasenweise schon. Aber in Berlin kann ich unerkannt durch die Straßen laufen, und wenn mal einer was sagt, dann eher so beiläufig beim Bäcker, wie gut er den letzten Film fand.

Und wie ist es daheim in Bargteheide oder sind Sie da gar nicht mehr?

Doch, doch. Obwohl meine Eltern mich Weihnachten erstmals in Berlin besucht haben, wofür ich sogar einen Baum gekauft hab, bin ich öfter mal zuhause, sind ja nur eineinhalb Stunden mit dem ICE. Und da bin ich dann nicht der Spielberg-Kross, sondern David von früher.

Noch keine Straße nach Ihnen benannt?

Nee, das wird auch nicht kommen (lacht). Da gibt’s vermutlich ein paar berühmtere als mich, die vor mir dran sind.

Na ja – eine Sozialistin namens Zietz, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Fegebank und der Fußballer Matti Steinmann.

Oh, wo spielt der denn?

HSV.

Na, vielleicht wird der ja bekannter als ich.

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