Jain, Isolation Berlin, Poliça

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Mainstream oder Alternative? Original oder Kopie? Inspiration oder Fälschung? Wer sich so wahllos im Referenzsystem des globalen Ethnopop bedient wie eine junge Dame namens Jain, darf sich nicht wundern, wenn sie an anderen gemessen wird. In Frankreich schwer gehypt, hüpft ihr Gesang kieksend zwischen dem trotzigen Furor einer M.I.A. und Katy Perrys geschmeidiger Extravaganz in die globale Disco. Klingt also nicht sonderlich exklusiv, ist aber doch von hinreißender Grandezza – auch und weil die Stimme der Multiinstrumentalistin aus dem Spatzennest Toulouse so schön nebensächlich daherkommt.

https://www.youtube.com/watch?v=r0553nZvUrw

So, als gehe sie ihr seltsam oberflächlich wirkendes Gefasel übers offenbar nicht allzu tiefschürfende Beziehungsallerlei junger Großstädter im 21. Jahrhundert, das in Videoform auch ohne Platte millionenfach geladen wurde, nur am Rande wirklich was an. So als sei der begleitende Streifzug durch die Sounds der großen weiten Welt von Brasilien über den Balkan bis in die Bastelstuben westlicher Metropolen bloß etwas Ablenkung von ihrer eigenen Langeweile. Ist es aber wohl gar nicht; dafür klingt Zanaka viel zu lebendig, manchmal gar wütend und fast immer gut.

Jain – Zanaka (Columbia)

TT16-Isolation BerlinIsolation Berlin

Wer wissen will, wie ein tragfähiger Hype ohne Anschein von Verbissenheit gebastelt wird, der muss dieser Tage natürlich auf diese Stadt schauen: Berlin. Lektion 1: Schon im Namen Bezug zum Standort herstellen, der den Erfolg garantiert. Lektion 1: Beim Band-Foto trotzdem unbeteiligt dreinblicken, als sei dieser Erfolg bloß Beifang hauptstädtischer Kreativität. Lektion 3: Stilistisch den Mittelweg zwischen ideologischen (Rio Reiser) und musikalischen (Ja, Panik!) Vorbildern der Gegend entwickeln. Lektion 4: Zur weiteren Einordnung Label finden, dass ironisch, nicht albern klingt.

https://www.youtube.com/watch?v=bRqkeL2sQTs

So in etwa haben es Isolation Berlin bereits mit ihrer vorausgegangenen EP Berliner Schule zu reichlich hyperlokaler Popularität gebracht, die vom Albumdebüt Und aus den Wolken tropft die Zeit nun überregional erweitert werden soll. Wird. Und darf. Denn wenn Sänger, Gitarrist, Songwriter Tobias mit der zillehaften Anrede Bamborschke im Rückkopplungsfuror seiner drei Freunde Ich will, dass ihr mich liebt / und auch die ganze Welt hinaus brüllt, mag das nämlich oberflächlich leicht berechnend klingen; klingt die Berechnung des Underground allerdings so sperrig und schief, ist das schon okay.

Isolation Berlin – Und aus den Wolken tropft die Zeit (Staatsakt)

Hype der Woche

PolicaPoliça

Ach, was war das erfrischend schön, erfrischend anders vor allem, als uns Channy Leaneagh aus Minneapolis mit ihren fünf männlichen Bandmates 2012 ihr fabelhaftes Debüt Give You The Ghost vor die Füße kippte, auf dem der Indierock fragmentarisch vor sich hin wummerte, ohne Zusammenhang, ohne Halt, ohne Metrik, was ihm eine fantastische Tief verlieh. Ach, was war es noch immer höchst ansehnlich, als der Nachfolger Shulamith ein Jahr drauf  zwar einige Ecken abschliff, aber immer noch Platz zum Stoßen bot. Ach, was ist es, tja, noch immer irgendwie im besten Sinne eigenartig, was Poliças drittes Album United Crushers jetzt liefert – und doch ernüchternd, angesichts des gezeigten Potenzials. Immer noch schön, trotzdem schade. Vielleicht bei der nächsten Platte nächstes Jahr. Produktiv sind sie ja…

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