K. Wackernagel: Blümchenkleid & Feminismus
Posted: March 17, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a comment
Mehr Instinkt als Konzept
Katharina Wackernagel ist der personifizierte Hoffnungsschimmer im Untergang. Ab heute sorgt die Schauspielerin auch im Urbino-Krimi für Dauerlächeln im Blümchenkleid (Foto: Degeto/Gordon Mühle). Dabei ist er eher zum Heulen, so uninspiriert, lieblos, klischeehaft und dämlich verpflanzt die ARD-Reihe deutsche Schauspieler an einen italienischen Schauplatz mit weit mehr Schauwert als Inhalt, gar Niveau. Die 37-Jährige aus dem Breisgauer Sommerhoch über nationale Ermittler im internationalen Einsatz, Emanzipation im Damensattel und ihren Onkel bei der RAF.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Katharina Wackernagel, vervollständigen Sie doch mal diese Liste: Bozen, Athen, Venedig, Paris, Istanbul, dazu demnächst Island, Kroatien, Zürich, Tel Aviv…
Katharina Wackernagel: (lacht) Ich nehme mal an Urbino?
Ganz genau. Warum bitte spielen so viele deutsche Krimis mit deutschen Schauspielern in deutscher Sprache außerhalb von Deutschland?
In der Tat kenne ich die anderen Krimis nicht und war mir beim Angebot nicht gewusst, dass es sich dabei um solch ein Phänomen handelt. Aber für das Publikum ist es offenbar reizvoll, das Ungewohnte – in solchen Fällen Mentalität, Umgebung, Atmosphäre – mit dem Gewohnten – also bekannten Gesichtern in der eigenen Sprache zum Thema Mord – zu kombinieren. Unsere anhaltende Leidenschaft für Krimis braucht offenbar Platz, um sich nicht schon geografisch zu wiederholen. Da würde mich als Zuschauerin etwas Abwechslung auch reizen.
Und als Schauspielerin dürfen Sie da die Arbeit mit dem Aufenthalt in einer absoluten Urlaubsumgebung kombinieren, wie Harald Schmidt einmal sein Engagement auf dem Traumschiff erklärt hat.
Urbino als Drehort fand ich in der Tat so schön, dass es mich zusätzlich überzeugt hat; aber entscheidender, ob ich eine Rolle annehme oder nicht, ist natürlich das Drehbuch. Meine Malpomena ist ein eigenwilliger, kurioser Charakter mit gutem Humor und einer kratzbürstigen Weiblichkeit. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen.
Eine feministische Maulheldin, die in der Theorie emanzipiert ist, in der Praxis aber dauernd in klassische Rollenmuster verfällt und im Damensattel Motorroller fährt?
Gerade diese Widersprüchlichkeit finde ich ziemlich modern und spannend. Eine starke Frau, die sich in den Mantel helfen lässt, ist doch beileibe kein Widerspruch mehr. Dennoch drückt sie mit ihrer Weiblichkeit mehr auf die Tube, als ich selbst es täte. Ihre Spielchen sind mir eher fremd.
Als Schauspielerin verkörpern Sie oft Figuren, die mit einer gewissen Lebenskraft und -Freude im bitterernsten Umfeld die Hoffnung aufrechterhalten.
Ja, da ist etwas dran. In meinem Beruf wird so gut wie jeder in ein gewisses Rollenprofil gedrängt, das einen trotz allen Bemühens, verschiedenartigste Charaktere darzustellen, immer wieder einholt, das einem aber eventuell auch ein wenig entspricht. Diese Mischung aus Optimismus, Melancholie und Bodenständigkeit in vielen meiner Rollen kommt daher vielleicht nicht von ungefähr. Umso mehr Spaß macht es mir gegenzusteuern – mit Slapstick oder Sozialdramen wie Die Boxerin, bei dem ich wirklich überhaupt nichts zu lachen hatte.
Suchen Sie danach gezielt?
Wer zu verbissen nach etwas sucht, steht sich schnell selbst im Weg. Aber wenn so eine abweichende Rolle vor mir liegt, greife ich womöglich selbst dann zu, wenn das Buch schwächer ist.
Scheu vor leichter Kost hatten Sie noch nie…
Nein, warum auch? Ich denke nicht dauernd über mein Renommee nach. Oberflächlich darf es natürlich nicht werden, aber ich gehe an meine Karriere auch nicht mit einem unveränderlichen Konzept ran. Insbesondere im Bereich Dramen gibt es noch einiges, was ich noch spielen möchte. Aber das ist im Film anders als im Theater, wo man einmal im Leben die Louise oder Julia gespielt haben muss. Für mich hatte Schauspielen schon immer mehr mit Instinkt als Konzept zu tun.
Wenn man in einem Schauspielerhaushalt aufwächst, könnte man das Gegenteil vermuten. Gab es für Sie eine Wahl oder war klar, dass Sie in dieselbe Kerbe schlagen?
Meine Familie hat da weder gedrängt noch abgeraten, aber es war natürlich schon ein Bett bereitet, in das man sich gut legen konnte. Es gab entsprechend nicht die typischen Sprüche wie „lern was Vernünftiges“. Als ich mit 15 die reguläre für die Schauspielschule schmeißen wollte, haben meine Eltern allerdings schon definitiv „Nein“ gesagt.
Mit Erfolg?
Wie man‘s nimmt. Zwei Jahre später habe ich ohne Schauspielabschluss zu Drehen begonnen, was für meine Eltern, Großmutter und meinen Onkel, die alle vom Theater kommen, schon ungewöhnlich war. Umso mehr haben die geschmunzelt, als ich 2013 erstmals wieder auf der Bühne stand. Aber einer meiner Brüder ist zum Beispiel Informatiker geworden; man muss also mit dieser Verwandtschaft nicht zwingend auf die Bühne.
Muss man mit ihr denn zwingend politisch werden?
Das muss man nicht. Meine Eltern sind viel politischer als ich, aber damals war auch die Ensemblearbeit im Theater viel politischer als heute.
Das hat einen Teil davon bis in die RAF getragen.
Ja, meinen Onkel Christof.
Hat es sie von der Politik abgeschreckt, dass er deswegen im Knast saß?
Ich würde sagen: Dadurch hat sich ein anderer Zugang dazu entwickelt. Meine Eltern sind immer offen damit umgegangen, dass Christof praktisch während meiner gesamten Kindheit im Gefängnis saß. Dadurch habe ich viele Fragen gestellt: Was ist die RAF, was ist Terrorismus, was ist los in diesem Land? Das hat mich natürlich geprägt; wir sind alle dazu erzogen worden, unsere Meinung zu äußern.
Lautstark?
Na ja, wenn ich so sehe, wie meine Eltern stets für ihre Vorstellungen gekämpft haben, dann bin ich vermutlich doch, wie soll man das sagen: gemütlicher?
Auch spießiger?
Nein (lacht), aber das gesellschaftliche Klima ist heute anders als vor 30, 40 Jahren, selbst die Demos sind heutzutage ja andere. Aber so sehr meine Eltern auch betont haben, wie wichtig es sei, gegen das eingestaubte Nachkriegssystem mit all den Altnazis in wichtigen Positionen zu kämpfen, haben sie gleichzeitig immer betont, dass es nur gewaltlos möglich sei.
Hat diese Erziehung einen anderen Zugriff auf Ihre Rolle als Terroristin Astrid Proll im Baader-Meinhof-Komplex mit sich gebracht als bei den anderen Darstellern?
Das glaube ich nicht. Eine Rolle bleibt eine Rolle. Die nehme ich an und spiele sie. Ein Leben im Untergrund zu spielen, ist ebenso toll wie eines in dem, was für viele ein Spießerparadies ist; diese Leben tatsächlich zu führen, das ist etwas völlig anderes.
Was mögen Sie denn lieber – Härte oder Leichtigkeit, Contergan oder Romanze?
Da wird wohl jeder Schauspieler ersteres antworten. Aber wenn sie authentisch und glaubhaft sind, mag ich leichtere Stoffe genauso wie schwierige. Ich möchte letztlich eine breite Palette an Filmen spielen.
Und welche Rolle fehlt Ihnen dazu noch ganz dringend?
Da fällt mir so spontan keine ein. Aber ich habe schon Lust auf so ein richtiges historisches Drama. Gern ohne Happyend.