Randweg, Dettl, Lontarius, Pet Shop Boys

TT16-RandwegRandweg

Die Klarinette, meinen nicht wenige Musikwissenschaftler, ähnelt der menschlichen Stimme von allen Instrumenten am ehesten. Besonders in den tiefen Lagen sei sie demnach ein verwechselbarer Ausdruck unserer Gefühlswelten, mehr Stimmband als Rohrblatt. Beim wunderbaren Avantgardeduo Randweg von einer instrumentellen Band zu sprechen, trifft es daher nicht so ganz – auch wenn es nominell keinen Gesang gibt. Schließlich spielt Andreas Ernsts Klarinette nicht nur zum begleitenden Saiteneinsatz seines Freundes David Baurmann, sie spricht förmlich aus den verstiegen schönen Arrangements der zwei rheinländischen Wahlberliner.

Ihr zweites Album Meanderlust deutet es schon im Titel ausdrucksstark an: Wie sanft dahingleitende Gewässer schlängeln sich anschmiegsame Tonfolgen durch ein wild wucherndes Biotop aus analogem Jazzfolk und stimulierender Electronica. Mal fließen da treibende Beats vom Rechner unter die Neoklassik, mal tupft etwas erdige Lagerfeuerromantik vom Cajon ins binäre Code-Allerlei. Man könnte dies als eine Art Naturambient bezeichnen: Wie ein innerstädtisches Hochmoor oder ein belebter Trancefloor im Birkenwald, trotz ein paar aufregender Disharmonieren zum Ausspannen schön.

Randweg – Meanderlust (Funken)

TT16-DettlStefan Dettl

Was Erfolg so alles mit sich bringt? Geld, Ruhm, Macht, Einfluss jeder Art eben, manchmal jedoch auch ein seltsam leeres Gefühl der Unterforderung, sogar Langeweile. Untätige Unternehmergattinnen legen sich daher gern mal kleine Einrichtungsläden zu oder werden karitativ tätig. Im Sog des Erfolgs von La Brass Banda tut dessen Frontmann Stefan Dettl jetzt im Grunde beides, wenn er sein neues Soloalbum vorlegt. Da die Leute vom volksmusikalischen Skapunk kaum genug kriegen können, stellte sich bei zunächst zwei der fünf Oberbayern Verdruss ein, der auch schon den Tubisten Andreas Hofmeir zurück zur erlernten Klassik trieb.

Nun begibt sich der singende Trompeter Dettl abermals auf Singlepfade. Dass er im neuen Kollektiv praktisch exakt das Gleiche macht wie im gewohnten, zuweilen etwas ruhiger vielleicht und teils in (arg deutsch intoniertem) Englisch – geschenkt! Fans des alpinen Gypsy-Sounds im Brassbandagewand werden Soul Train als schickes Accessoire betrachten, das die unbehauste Disco des Bürgertums ebenso selbstlos dekoriert wie Dettls Hauptprojekt. Fluffiger Sound, schöne Platte, toller Typ, kannst jetzt aber gern wieder La Brass Banda machen, lieber Stefan. Das Original.

Stefan Dettl – Soul Train (RCA/Sony)

Bildschirmfoto_2016-01-30_um_11.20.47Lontarius

Singer/Songwriter gibt es bekanntlich wie Sand am Meer. Von der Straße über die Clubs auf zugehörige Festivals schaffen sie es mittlerweile spielend in gigantische Großraumhallen, die sie gern mal allein mit Gitarre auf Barhocker beschallen, als seien es ganze Orchester. In dieser Brandung des modernen (Pop-)Folk ist es gar nicht so leicht, mal eine einzelne Welle auszumachen, die sich zu reiten noch lohnte. Eddie Johnston allerdings scheint doch eine zu sein. Nicht, weil der Neuseeländer von gerademal 18 Jahren unterm Künstlernamen Lontalius so außergewöhnliche Musik macht. Sondern weil diese außergewöhnliche Musik so unscheinbar daherkommt.

Als sei er auf seinem Debütalbum I’ll Forget 17 gar nicht richtig anwesend, haucht er mit seiner genuschelten Stimme “Cause all I had to offer is my life” in den Hallraum seiner spärlichen Instrumentierung aus Drums, Piano, Gitarre und erzeugt damit Emotioinen, für die andere das ganz große Arrangement brauchen oder den ganz pathetischen Gesang. Bei Lontalius reicht ein erstaunliches Gefühl für Timing, Pointierung und Essenz. Eine Internetexistenz mit musikalischem Standbein in der Analogie, von der man ohne Zweifel noch hören wird. Vermutlich aus den ganz großen Großraumhallen. Auch das könnte er überstehen.

Lontalius – I’ll Forget 17 (Partisan Records)

Hype der Woche

petshopboysPet Shop Boys

Wer auch immer zu wissen glaubt, wie alt die Pet Shop Boys sind, dürfte falsch liegen. Chris Lowe und Neil Tennant mögen beide ein physisches Alter rund um die 60 haben, was für Pop-Verhältnisse ungefähr das Doppelte ihrer Königin daheim in England darstellt. Musikalisch aber variiert ihr Alter ständig. Mal klingt es nach großer Reife, wenn sie mit den Dresdner Philharmonikern Eisensteins Stummfilmklassiker Panzerkreuzer Potemkin neu vertonen, mal nach jugendlicher Unbedarftheit, wenn sie auf ihrem neuen Album Super den Synthiepop ihrer erfolgreichsten Zeit mit dem Eurodance der, nun ja, auch nie so ganz erfolglosen verbinden. Das 13. Album ist demnach nicht unbedingt gelungen, aber auch kein nostalgischer Müll, sondern einfach ein altersloses Alterswerk zweier Altstars, die partout nicht erwachsen werden wollen.

http://vevo.ly/FXfenn

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