T. Der Bär, Edward Sharpe, Andra Day

BärT Der Bär

Wer an Rapper denkt, hat gemeinhin drei Typen vor Augen: Gangster, Snobs und Spaßvögel. Tim Sander ist da gewiss nicht die einzige Ausnahme, aber definitiv die derzeit spannendste. Als T Der Bär schafft es der langjährige Kleindarsteller drittklassigen Fernsehens von GZSZ bis Dr. Kleist nämlich grad, aus diversen Rastern des HipHop furios auszubrechen und ihm dennoch aus tiefstem Herzen treu zu bleiben. Bienenwolf heißt das Debütalbum des Ostberliner Soundbastlers, das er als Komponist, Produzent, MC und Musiker quasi im Alleingang erstellt hat. Und es ist so dreckig, widerborstig, so windschief zerkratzt, als würden sich darauf alle Gangster, Snobs und Spaßvögel seines Metiers um den allerletzten Plattenvertrag prügeln.

Zu oft düsteren, meist dissonanten, aber vorwiegend passgenauen Beats ist fast jeder der 14 Tracks ein kleines Kunstwerk mit Lyrics, die manchmal ein bisschen betont dirty klingen sollen, aber angemessen angepisst sind von der Welt, die er da kommentiert. Eine Welt, die T Der Bär auch auch aus einer erfrischenden Innensicht seiner eigenen Branche bewertet. Ich könnt’ kotzen bis der Eimer voll ist /wer hat gesagt, dass HipHop jetzt toll ist, rappt er zum Beispiel auf Hulk in der Lunge und man möchte ihm spontan applaudieren, fürs selbstreferenzielle Kollegenbashing. Applaudieren möchte man aber auch dem Berliner Label Rummelplatz, dass es nach Manfred Groove (die auf Niemals real einen tollen Gastauftritt haben) schon wieder einem Rapper weit abseits vom Mainstream die Chance gibt, in den Hauptstrom zu kraulen.

T Der Bär – Bienenwolf (Rummelplatzmusik)

TT16-SharpeEdward Sharpe & The Magnetic Zeros

Und wenn man angesichts so kratzige HipHops denkt, Pop könne gar nicht theatralischer werden, referenzieller, zeichensatter, wenn man denkt, noch ein Zitat, nur ein einziger Ton mehr und das Lied platzt wie Mastvieh, wenn man denkt, Musik diesseits des Nerdigen sei einfach irgendwann gesättigt mit Soundelementen – dann flattern Edward Sharpe & The Magnetic Zeros heran und beweisen: Zu viel muss nicht zu viel, zu viel kann genau richtig sein. Dann zaubert das knappe Dutzend kalifornischer Neo-Hippies ein Album aus dem Karohemd, das allen Ernstes noch orchestral aufgeladener wirkt als die drei vorigen, in denen auch schon kein Riff, kein Griff, Null Pathos mehr Platz gefunden hätte.

http://www.vevo.com/watch/QMNGX1600003?syndicationid=bb8a16ab-1279-4f17-969b-1dba5eb60eda&shortlink=yLj7Io&country=DE

Schon Hot Coals klingt zum Auftakt der hinreißenden Platte, als wolle Bandleader Alex Ebert den Indie-Folk der Vorgängeralben förmlich mit Gefühlswallungen jeder Art fluten. Nach und nach rührt er seiner operettenhaften Stimme erst grobflächig Gitarren, Drums, Klavier unter, dann fiebrige Trompeten, nostalgische Orgelpeitschen, noch mehr Drums und lässt am Ende alles ineinander rasseln, ohne je spürbar an Struktur einzubüßen. Selbst Mash-ups mit Black Sabbath oder Wohlfühlbombast im schlaghosenbunten Les-Humphries-Gedenken stürzen PersonA nie ins Chaos, sondern rufen es seltsam aufgeräumt zur Ordnung. Irgendwie entrückt, aber hinreißend innbrünstig.

Edward Sharpe & The Magnetic Zeros – PersonA (Community Music)

Hype der Woche

TT16-AndraAndra Day

Mit facettenreichen Soul-Stimmen ist das so eine Sache. Verfügt jemand über eine und reizt sie auch noch über mehrere Oktaven aus, wird daraus statt hörbarer Musik rasch selbstverliebte Akrobatik, die (oft erfolgreich) an eher niedere Geschmacksinstinkte appelliert. Das Ergebnis lässt sich in zugehörigen Billboard-Charts ablesen, die von virtuosem, aber seelenlosem Sirenengesang wohlgeformter Schönheiten dominiert werden. Andra Day hingegen sieht bloß okay aus, ihr wandlungsfähiges Organ knirscht gelegentlich, aber welchen Soul es hat, welch Emphase – das ist von solcher Intensität, dass man der Kalifornierin ein paar musikalische Plattitüden ringsum gern verzeiht. Im R&B-Homeland USA hat ihr Debütalbum bereits vorigen Herbst für Furore gesorgt; nun erscheint die eigensinnige Halbtonwelt zwischen Nina Simone, Amy Winehouse und Christina Aguilera auch bei uns. Dank solventer Hilfe des Major-Labels Warner könnte sie dem ausgewalzten Genre tatsächlich neuen Schwung verleihen. Den meisten aber holt Andra Day aus dem eigenen Leib. Dass sie ihn auf der Plattenhülle verhüllter darbieten darf als viele ihrer Kolleginnen, spricht umso mehr für den Inhalt.

https://www.youtube.com/watch?v=HsMMGGEtBB8

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