Christian Kohlund: Traumhotel & Zürich-Krimi

thomas-borchert-100-_v-varxl_62b039Keine Einschränkungen!

Christian Kohlund hat so ziemlich die schönste Stimme des Fernsehens und dennoch ein Problem: Meist erklingt sie in seichten Filmen. Sein düsterer Anwalt im Zürich-Krimi (Foto: ARD-Degeto/Nikolay Gutscher) soll da Abhilfe schaffen. Ein Gespräch zum zweiten Teil (5. Mai, 20.15 Uhr, ARD) mit dem 65-jährigen Schweizer übers seichte Erbe der Schwarzwaldklinik, den wahren Christian, dessen Reise zurück in die Züricher Zukunft und was sie mit dem verstorbenen Regisseur Caro Rola zu tun hatte.

Interview: Jan Freitag

freitagsmedien: Herr Kohlund, macht es Ihnen etwas aus, über die Leichtigkeit Ihres schauspielerischen Seins zu sprechen?

Christian Kohlund: Überhaupt nicht. Ich brauche mich für nichts zu rechtfertigen und kann mich ganz gut wehren, wenn es unsachlich wird. Also: keine Einschränkungen, nur zu!

Welche Beziehung haben Sie zu Prof. Alexander Vollmers, Ihrem Schwarzwaldklinik-Arzt vor rund 30 Jahren?

Eine gute. Nach Engagements an diversen Theatern, war ich gerade ein paar Jahre Freiberufler, als mich Wolfgang Rademann in meinem Achtteiler Der Glücksritter sah und sein Regisseur Hans-Jürgen Tögel daraufhin anrief und fragte, ob ich Lust auf diese Randfigur hätte.

Die allerdings von Anfang bis Ende zum Personal der Schwarzwaldklinik zählte.

Aber nur ab und zu mal auftaucht, an Frauen rumgräbt und wieder verschwindet. Das fand ich schon deshalb gut, weil ich die Gage gebrauchen konnte, und sagte unter der Bedingung zu, dass die Figur ein schickes Cabrio fahren darf. Obwohl ich lachhaft wenige Drehtage hatte, wuchs mit der Bedeutung der Serie aber auch die meiner Rolle zwischen Klaus-Jürgen Wussow und Sascha Hehn. Da gab’s irgendwann kein Zurück mehr, aber es war seinerzeit alles dabei, was im deutschen Theater Rang und Namen hatte.

Hatte die Hochkultur keine Berührungsängste mit der leichten Fernsehkost?

Null! Das war ein Job, den man einfach gemacht hat. Der Konsequenzen war sich damals niemand recht bewusst.

Sie auch nicht?

Nein. Die gigantische Reaktion von bis zu 28 Millionen Zuschauern, 60 Prozent Marktanteil – das hat alle geblendet.

Da war Ihnen die Kritik des Feuilletons egal?

Mir ist nie egal, was man über meine Arbeit denkt. Aber wenn ich etwas mache, mach ich‘s richtig und ziehe nicht den Schwanz ein, falls Kritik aufkommt. Als Teil einer alten Theaterfamilie, bei der Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch ein und ausgingen und praktisch jeder irgendwie mit Bühne und Film zu tun hatte, war meine Einstellung zu diesem Beruf umfassend und professionell. Morgens Theaterprobe, abends Operette, dazwischen Unterhaltung war da nie ein Widerspruch.

Auch nicht, als sich das Gewicht durch die Schwarzwaldklinik Richtung leichte Kost verschoben hat?

Ach, man kriegt es manchmal gar nicht mit, wenn sich Erfolg auf einer Schiene zu verselbständigen droht. Aber diese Schattenseite lag gar nicht am Publikum, das weiterhin bereit war, mich in ernsten Rollen zu sehen. Es war eher die Branche, die plötzlich nur noch den Schweizer Lockenkopf mit der schönen Stimme sah und für engagiertere Sachen die Hände von ihm ließ. Aber auch, wenn die breite Masse davon schwer erfährt: Ich habe abseits populärer Filme wie dem Traumhotel immer voll dagegen gehalten.

Womit genau?

Vor allem Theater, auch schwere Stoffe wie das Ein-Personen-Stück Im Zweifel für den Angeklagten, ein Lebenstraum, seit ich Curd Jürgens in den 60ern als gerechtigkeitsliebenden Anwalt Clarence Darrow gesehen habe. Es hat zwar 35 Jahre gedauert, bis ich ihn mir selbst verwirklicht habe, aber nach mehr als 400 Aufführungen wurde mir zusehends klar: Das ist der wahre Christian – auch wenn leichte Fernsehkost ebenso dazugehört.

Aber auf beiden Bühnen neigen Sie gleichermaßen zum Helden oder?

Das ist wahr, auch in meinen Abenteuerstoffen wie dem Weihnachtsvierteiler Wettlauf nach Bombay 1981 wurde ich nie negativ besetzt. Das hat allerdings auch mit der Ausstrahlung zu tun. Umso dankbarer war ich, in ein paar Derrick bald auch mal Mörder zu spielen. So hab ich eine ganz gute Mischung hingekriegt. Aber am Ende sind Schauspieler abhängig von anderen.

Ist Ihr Anwalt mit eher dunkler Vergangenheit und Aura im Zürich-Krimi eine Reaktion auf diese Abhängigkeit, die Sie zuletzt vor allem ins Traumhotel geführt hat?

Reaktion klingt, als hätte ich dauernd danach gesucht. Nein, so eine Rolle hängt eher mit dem Alter zusammen, das ich mit größtmöglicher Authentizität angehe, weshalb ich auch nie eine Schönheits-OP machen würde. Mit fast 66 versucht man vielleicht etwas mehr, sich selbst nah zu bleiben; das gelingt mir mit Thomas Borchert schon deshalb gut, weil er eine Fortentwicklung von Clarence Darrow ist und ich auch sonst sein kann wie ich bin.

Tragen Sie deshalb jetzt die gleiche Mütze wie in der Serie?

Eine der vielen Mützen, die ich dort trage! Wir beide mögen Kopfbedeckungen jeder Art.

Und stammen beide aus der Schweiz, haben aber die meiste Zeit woanders gelebt.

Das stimmt, aber er Borchert ist und bleibt eine Konstruktion, die halt Parallelen zu mir aufweist. Er ist nicht mehr so jung, nicht mehr so schick, nicht mehr so schnell und alles andere als ein Strahlemann, der sich ans Bein pissen für Dinge, die er nicht getan hat. So eine Chandler-Figur mit innerer Melancholie kommt der Seele meiner dänischen Vorfahren vermutlich am Nächsten.

Aber nähere Verwandtschaft hat eher mit Zürich zu tun oder?

Deshalb war die Reise für ihn wie für mich eine zu den eigenen Wurzeln. Ich kenne die Stadt meiner Jugend in und auswendig. Beim Drehen wurde ich da ständig an meine Vergangenheit erinnert, von der ersten Liebe bis zu meiner älteren Schwester, die vor zwei Jahren gestorben ist.

Färben solche Erinnerungen auf die Arbeit ab?

Nein, das nimmt keinen Einfluss, prägt aber die Zeit davor und danach ungemein. Ich verfalle daher am Set auch nicht dauernd ins Schwiezerdütsch. Schon, weil es eine gefährliche Filmsprache ist. Ernst gemeint ist sie schwer verständlich, unernst gemeint zieht sie das Thema ins Lächerliche.

Dennoch reden im deutschen Krimi wenigstens einige Statisten stets örtlichen Dialekt, während in Ihrem Zürich ausschließlich Hochdeutsch zu hören ist. Warum?

Weil die handelnden Figuren lange in Deutschland gelebt haben oder von da stammen und Dialekt in ein paar Fetzen verabreicht schwer nach Emil Steinberger klingt. Das fände ich unangemessen. Ganz oder gar nicht, das ist auch im Leben mein Prinzip.

Geht dieses Prinzip so weit, dass Thomas Borchert wie Ihr Traumhotel-Tester Markus Winter zehn Jahre ermitteln könnte?

Das steht nicht mal in den Sternen. Ich wäre wie alle anderen dazu bereit, aber wir müssen jetzt erst mal den schmerzlichen Verlust von Carlo Rola verarbeiten, der den zweiten Teil gedreht hat. Es war sein allerletzter Film.

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One Comment on “Christian Kohlund: Traumhotel & Zürich-Krimi”

  1. egal was man über ihn sagt. Christian Kohlund ist mein absoluter Lieblingsschauspieler. Viele Grüße Luca


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