Caren Miosga: Interviews & roter Teppich

MiosgaGroße Erkenntnis, ganz klar

Kaum jemand überbrückt den Graben zwischen Information und Entertainment eleganter als Caren Miosga (Foto: probono/Anne Koch). Kulturjournale moderiert die Niedersächsin mit ebenso fachkundiger Nonchalance wie PR-Veranstaltungen und die tagesthemen. Jetzt schenkt ihr der NDR ein Interviewformat, das unter vier Augen natürlich beides soll: unterhalten und aufklären, vornehmlich mit Politikern, die ab heute um 23.30 Uhr im NDR schon mal bis zu 30 Minuten zu Wort kommen. Ein Gespräch über die Optik des Inhalts, Zuhören als Kernkompetenz und ihr Rat zum roten Teppich.

Interview: Jan Freitag

freitagsmedien: Frau Miosga, so von Interview zu Interviewter – wie beginnt man ein gutes Interview?

Caren Miosga: Am besten auf einem roten Teppich, also möglichst charmant beginnen und dann erst, falls nötig, die Messer wetzen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich der Interviewte sofort zurückzieht, dann hilft auch kein Charme mehr. Die tagesthemen bieten ja selten genug Raum, schmerzhafte Fragen lange hinauszuzögern; außerdem benötigen manche Gäste Zeit, um sich warmzulaufen.

Falls das hiermit geschehen ist, möchte ich den roten Teppich kurz wieder einrollen und über Ihre Schuhe reden.

Meine Schuhe?!

Sie tragen wie so oft, wenn keine Kamera läuft, flache Schuhe, in den Tagesthemen jedoch ständig halsbrecherische Highheels.

Ehrlich? Das nehme ich gar nicht so wahr…

Warum ziehen Sie für die Fernsehöffentlichkeit so ungesunde, unbequeme Modelle an, die ja vor allem Männer sexy finden?

Also zunächst mal finde ich sie selber sexy, stehe darauf – auch, weil es nicht Stunden dauert – durchaus bequem, bekomme dadurch sogar eine geradere Körperhaltung und ziehe sie mir überdies ganz alleine an; da steht nirgendwo ein Mann und ordnet mir das an.

Haben Sie das Gefühl, dass selbst in der inhaltslastigen Informationsbranche bei Frauen mehr auf die Form geachtet wird als bei Männern, deren Zweiteiler-Einheitslook weit weniger vom Inhalt ablenkt?

Ihre Frage suggeriert, dass Sie davon ausgehen, und es könnte sogar stimmen. Ich allerdings habe das Glück, in einem Metier zu arbeiten,  in dem wo es unabhängig von meinem Äußeren tatsächlich um die Sache geht. Natürlich reagieren Zuschauer schon mal auf ein gewagtes Kleid oder auffällige Krawatten, aber wegen meiner Schuhe schaut niemand Nachrichten.

Welches Outfit böte sich für die inhaltslastig-intime Gesprächssituation von „Caren Miosga interviewt“ an?

Mann, Sie interessieren sich aber auch nur für Klamotten. Warum nur?

Weil die Sexiness fast sämtlicher Frauen in allen Formaten vor der Kamera in Zeiten auflösender Geschlechterdifferenzen emanzipierte Menschen schnell irritiert.

Also, weil mein Outfit gut aussehen, seriös sein und mir selbst gefallen soll, wird es dem der „tagesthemen“ ähneln, 0um ansehnlich zu sein, aber nicht vom Gespräch abzulenken.

Mit wem werden Sie das erste denn führen?

Ah, endlich: Ursula von der Leyen [und Ingo Appelt, wie mittlerweile bekannt wurde].

Überlegen Sie sich vorher genau, worum es gehen wird, oder rollen Sie kurz den roten Teppich aus und lassen dem Interview dann freien Lauf?

(lacht) Letzteres. Natürlich habe ich schon ein paar Fragen im Sinn, aber weil es eine aktuelle Sendung ist, kann bis zur ersten Frage noch viel passieren. Das Schöne ist ja, dass ich genug Zeit habe, um über jeden Fragenkatalog hinaus situativ zur Person vordringen können.

Eine halbe Stunde ist im rasanten Mediengeschäft ja auch eine halbe Ewigkeit.

Wobei sie sich auf bis zu drei Gäste pro Sendung verteilen kann. Das hängt davon ab, ob die Person und deren Thema 30 Minuten tragen oder aktuelle Ereignisse womöglich spontan eine weitere erfordern, allerdings nacheinander.

Fügt diese Konstellation der Talklandschaft demnach eine neue Note hinzu?

Wir erfinden das Fernsehen nicht neu, diese Eins-zu-eins-Gesprächssituationen gab es schon oft. Sie fehlen nur leider momentan.

Bis auf Jörg Thadeusz.

Und ein Format im SWR, stimmt. Aber die konzentrieren sich auf die Person; mir geht es stärker um politische Aktualität. Nichts gegen klassische Talkshows; die können ungeheuer erhellend sein und folgen einem urdemokratischen Prinzip. Aber wir setzen im Grunde an der Kürze von tagesthemen-Interviews oder Beiträgen großer Runden an und vertiefen sie zum intensiven Kammergespräch, wie früher bei Roger Willemsen zum Beispiel.

Gäbe es darin eine Unwucht in Richtung „gutes Gespräch“ oder „große Erkenntnis?

Große Erkenntnis, ganz klar.

Und welche erhoffen Sie sich von der Verteidigungsministerin?

(lacht) Vielleicht, ob Sie tatsächlich bei Interviews stets auf zwei Telefonbüchern steht? Nein, wenn wir über die Aktualität hinaus noch Platz haben, interessiert mich, warum sie so agiert, wie sie agiert.

Gibt es einen Leitfaden für gute Vier-Augen-Gespräche?

Nicht über die Eingangsregel hinaus, dafür sind Menschen zu unberechenbar. Der einzige Leitfaden lautet: Zuhören!

Ist das womöglich Ihre Kernkompetenz?

Das wäre schön, denn es sollte eine Kernkompetenz aller Journalisten sein.

Was qualifiziert Sie übers Zuhören hinaus für diese Art Interview – Erfahrung, Veranlagung, Ausbildung?

Das müssen andere beurteilen, aber ich stelle grundsätzlich gerne Fragen. Das politische Personal ist ja bestens geschult darin, viel zu reden und nichts zu sagen; da hilft es sehr, ihm mal in Fleisch und Blut allein gegenüberzusitzen und in die Augen zu blicken, um zu erfahren, was hinter den Worten steckt, die bei den Schalten ins tagesthemen-Studio durch den Bildschirm gefiltert werden.

Gibt es eine Art inneren Wettkampf, besonders unnahbare Gesprächspartner zu knacken?

Das ist für alle Journalisten ein großer Anreiz. Wenn ich die Chance hätte, Präsident Erdoğan zu interviewen, würde ich dafür sofort nach Ankara fahren. Aber manchmal reicht es schon, wenn man an der obersten Schicht kratzt. Es geht nicht um Trophäen.

Um zum Schluss keine Fehler zu machen: wie sollte man ein gutes Interview auf keinem Fall beenden?

Im Streit!

Ist Ihnen das schon mal passiert?

Zum Glück noch nicht.

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